Qua­li­tät kon­tra Kos­ten? Wie Bau­kul­tur ent­steht

Swissbau 2012

Dem baukulturellen Zielkonflikt, dass schnell, gut und billig nicht gleichzeitig möglich sind, gingen am 19.1.2012 sechs Vertreter der Planer-, Bau- und Finanzbranche in der Swissbau Focus Arena aus ihren jeweiligen Blickwinkeln nach – mit vorhersehbarem Ausgang.

Publikationsdatum
20-01-2012
Revision
01-09-2015
Alexander Felix
Dipl.-Ing. Arch. TUM; Mitglied des Stiftungsrats Architektur Dialoge, Basel

«Wenn die Gerüste fallen, fallen auch die Kinnladen.» Mit diesem Zitat des Hamburger Oberbaudirektors Jörn Walter aus der Wochenzeitung «Die Zeit» eröffnete die Moderatorin Claudia Schwalfenberg (SIA) den Themenanlass «Qualität kontra Kosten? Wie Baukultur entsteht». Dass die Grundproblematik aber auch in der Schweiz angelegt ist, zeigte das Einstiegsreferat von Stefan Bitterli, ehemaliger Kantonsbaumeister des Kantons Zürich: Während die Ansprüche an Gebäude immer weiter steigen, sinkt die Bereitschaft, Geld dafür auszugeben. Dabei stellen die Investitionskosten lediglich 15% der Lebenszykluskosten eines Bauwerks dar, und der Hochbau macht nur 3% des öffentlichen Budgets aus.

Der ehemalige Leiter Immobilienprojekte bei der Helvetia Versicherung Stephan Gmür stellte anschliessend dar, wie eine institutionelle Anlegerin langfristig rentable Investitionen sichert. Anhand von zwei Bauprojekten, bei denen aus unterschiedlichen Gründen die Baukosten aus dem Ruder zu laufen drohten, erläuterte er die Gegenstrategien: So erwies sich etwa bei einem ambitionierten Instandsetzungsprojekt für die Siedlung Sunnebüel in Volketswil ZH der zunächst geplante innovative Holzfassadenaufbau als zu teuer. Daraufhin wurde eine vereinfachte Version entwickelt, die sich aber nach dem ersten Bauabschnitt als untauglich erwies. Das Vorhaben wurde daraufhin abgebrochen und später in konventioneller Bauweise fertiggestellt – zur Zufriedenheit der Bauherrschaft, die ihren Aktionären und Anlegern verpflichtet ist.

Beat Röthlisberger, bei der UBS Leiter Bau & Immobilien Region Basel, erläuterte in seinem Referat, dass für Banken bei der Baufinanzierung für private Bauherrschaften der «mainstream king» sei, da für die Bank als Geldgeberin ein möglichst durchschnittliches Projekt die grösste Sicherheit biete.

Zur Eröffnung der Diskussionsrunde fragte der neue SIA-Präsident Stefan Cadosch, inwiefern denn Baukultur in die Berechnungen der Banker eingehe. Röthlisberger entgegnete, dass zuallererst die Bauherrschaft ihre Verantwortung für die Baukultur wahrnehmen müsse. Thomas Wachter, Präsident der Vereinigung der Schweizer InnenarchitektInnen VSI, wies auf die in den letzten Jahren deutlich verkürzten Planungszeiten und die immer noch zu wenig berücksichtigten Nachhaltigkeitsaspekte beim Bauen hin. Heiner Gossweiler als Vertreter des Schweizerischen Baumeisterverbands SBV wies im Verlauf der Diskussion die Bemerkung zurück, die Ausführungsqualität sei in den letzten Jahren schlechter geworden. Er monierte, dass die Ausbildung der Architekten zu wenig praxisgerecht sei und daher Ausführungs- und Baumängel vorprogrammiert seien.

Weitgehend einig waren sich die Herren darin, dass die Verantwortung für die Baukultur zwar alle gemeinsam tragen müssen, aber eine gesellschaftliche Diskussion über Baukultur kaum stattfinde: Die Öffentlichkeit nehme hauptsächlich die ökonomischen Aspekte des Bauens wahr. Mitverantwortlich sind wir also alle, zumal wenn wir nach einer möglichst guten finanziellen Rendite unserer Geldanlage suchen und so die Marktmechanismen am Laufen halten. Kein Wunder ist die Bauwirtschaft eine sehr träge Branche.

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