Pro­jekt­alli­an­zen: wie­der mit Freu­de bau­en

Mit der Erarbeitung eines Merkblatts will der SIA zusammen mit Partnern die Projektallianz als partnerschaftliches Planungsmodell fördern. Wie willkommen solche Ansätze in der Branche sind, zeigte die diesbezügliche Fachtagung in Bern.

Publikationsdatum
09-10-2023

Im Kern der Sache waren sich alle Referierenden und wohl ein Grossteil der rund 300 Teilnehmenden der SIA-Fachtagung «Planen und Bauen in Projektallianzen» einig: Es braucht Wertschöpfungspartnerschaften und einen Blick auf gemeinsame Ziele. Vor allem aber soll das Bauen wieder Freude machen. Nun führen bekanntlich viele Wege zum Ziel. So präsentierten auch die Referierenden unterschiedliche Ansätze, um die gegenwärtige Planungs- und Ausführungskultur nach dieser Maxime auszurichten. Anlass für die Veranstaltung bot das aktuell noch in der Vernehmlassung befindliche, gleichnamige Merkblatt SIA 2065, das bis kommenden August in Kraft treten und mithelfen soll, die jeweiligen Interessen der am Bau Beteiligten nach gemeinsamen Zielen auszurichten.

Hier gehts zur Vernehmlassung des Merkblatts SIA 2065 Planen und Bauen in Projektallianzen (bis 16. Oktober 2023)

Allianz als Vertrag

Der SIA als Herausgeber des Merkblatts versteht die Projektallianz als «Vereinbarung zwischen der Bauherrschaft und einem oder mehreren Realisierungspartnern zum Zweck einer partnerschaftlichen Umsetzung eines Bauvorhabens nach vorgängig vereinbarten Grundprinzipien zur gemeinsamen, kooperativen Projektrealisierung». Diese Form der Zusammenarbeit hebt sich ab vom Ansatz einer vor rund sieben Jahren gebildeten, aber zwischenzeitlich wieder aufgelösten Arbeitsgruppe bestehend aus SBB, suisse.ing und Infra Suisse, die die Bildung einer Projektallianz im Zusammenschluss der Partner in einer einfachen Gesellschaft sah. Dagegen soll die Zusammenarbeit gemäss SIA-Merkblatt über eine Vereinbarung – konkret: über einen Vertrag – geregelt werden. Vorgesehen ist ein werkvertragsähnlicher Innominatvertrag: ein Vertrag, der in wesentlichen Aspekten dem Werkvertrag gleicht, als Typ aber vom Gesetzgeber nicht kodifiziert ist. Ein entsprechender Mustervertrag wird derzeit von einer Juristengruppe erarbeitet.

Den übergeordneten Inhalten des Merkblatts SIA 2065 liegt eine umfassende Recherche der Ausprägungen von internationalen Partnerschaftsmodellen zugrunde. Es grenzt sich aber im Detail von diesen ab – zu gross seien die Unterschiede in Bezug auf die rechtlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz.

Der Mensch im Fokus

Im Verlauf der Tagung kam immer wieder eine Sache zur Sprache: die Vorteile eines Allianzvertrags gegenüber einem Werkvertrag mit Einheitspreisen. Zu weit divergieren bei Letzterem die Interessen der einzelnen Vertragspartner, zu klein sei die Risikotransparenz, zu wenig zielführend die Risikoallokation, zu partnerschaftshindernd die Vertragsgestaltung, so die Sicht der Referierenden. Nun hat aber auch der im Muster entstehende Allianzvertrag einen starken Werkvertragscharakter – es gilt: Planung und Werk gegen Vergütung.

Er unterscheidet sich von diesem aber insofern, als alle Parteien in einem integrierten Projektteam nach dem Einstimmigkeitsprinzip und «best for project» handeln, die Vergütung entsprechend den effektiv angefallenen Kosten (zuzüglich eines Gewinnzuschlags für alle beteiligten Parteien) erfolgt und die Risiken gemeinsam getragen werden. Die Idee dahinter lautet, sowohl Gewinne als auch Risiken gemeinsam zu tragen, eine gesunde Fehlerkultur zu etablieren, die Interessen der einzelnen Allianzpartner auf gemeinsame Ziele auszurichten und letztlich bedeutend weniger Reibungsverluste aus Haftungsabwehrkämpfen zu erleiden.

Von Bedeutung ist allerdings die Erkenntnis, dass für Projekte der öffentlichen Hand auch der Partnerfindungsprozess für eine Projektallianz den Gesetzen des öffentlichen Beschaffungswesens unterliegt. Soll heissen: Es braucht sorgfältig gestaltete und durchgeführte Verfahren, um tatsächlich allianzfähige Partner zu finden. Oder wie es Robert Kumpusch, Geschäftsführer der Rhomberg Bahntechnik, in seinem Referat sinnreich ausdrückte: «Projekte scheitern an Menschen, nicht an fehlenden Lösungen.»

Abkehr vom Einheitspreisvertrag als Erfolgsfaktor

Die Tagungsbeiträge zeigten verschiedene Modelle und Organisationskonstrukte, um die Vorteile partnerschaftlichen Planens und Bauens zu nutzen. Nachdem am Vormittag der Veranstaltung die praktischen und juristischen Inhalte sowie Vorteile des SIA-Ansatzes im Fokus standen, bot vor allem der letzte Teil des Nachmittags ein alternatives Verständnis von Projektallianzen: zwei Beispiele zur integralen Projektabwicklung und eines, in dem ein ARGE-Werkvertrag mit effektiver Baukostenvergütung und Erfolgsbeteiligung für eine Gleichausrichtung der Interessen sorgte.

Wie die verschiedenen Referate (und auch Publikumsvoten) der Tagung zeigten, liegt das SIA-Verständnis einer Projektallianz inhaltlich voll auf einer Linie mit anderweitig gebräuchlichen Modellen. Spannend wird sein, wie der SIA dieses in der Form des angekündigten Allianzvertrags abbilden wird. Denn wie auch eine Wortmeldung von Peter Gauch aus dem Publikum zeigte – der emeritierte Rechtsprofessor der Universität Freiburg gilt als Koryphäe auf dem Gebiet des Baurechts –, wird der Knackpunkt in der Abkehr vom Einheitspreisvertrag liegen.

Insofern traf die Einstiegsfrage zur abschliessenden Podiumsdiskussion den Nagel punktgenau auf den Kopf: «Was braucht es denn in der Praxis?». Vermutlich eine Abkehr vom Einheitspreismodell, mehr partnerschaftlich getragene Interessen und Risiken, mehr Ziele anstelle von Leistungen, wahrscheinlich mehr Unternehmerwissen in den Planungsphasen und auf jeden Fall wieder eine Vertrauenskultur. Kurzum: neue Zusammenarbeitsmodelle in der Planung und Ausführung.

Relevant ist letztlich, dass sich Bauherrschaften durch solche fortschrittlichen Organisationsmodelle angesprochen fühlen und willens sind, diese anzuwenden. Das Merkblatt SIA 2065 bietet sicher einen geeigneten Rahmen und die noch bis zum 16. Oktober laufende Vernehmlassung eine Möglichkeit, an der Ausgestaltung eines Zukunftsmodells mitzuwirken.

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