Oh­ne Mess­wer­te kei­ne Pro­gno­se

Zum Problem der Alkali-Aggregat-Reaktion bei Beton

Durch die Alkali-Aggregat-Reaktion verliert der Beton seine Festigkeit und Dauerhaftigkeit. Fachspezialisten berichten, wie sie mit diesem Schaden umgehen und welche Vorhersagen zur Entwicklung bei bestehenden Infrastrukturbauten sich heute treffen lassen.

Publikationsdatum
11-09-2015
Revision
22-11-2015

Mit der Ausarbeitung des Merkblatts SIA 20421 wurden in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen für die Prävention der Alkali-Aggregat­Reaktion (AAR) gelegt. Weitere Grundlagen zur Beurteilung und Hinweise, wie bei der detaillierten Bauwerksüberprüfung vorgegangen werden soll, liefert die Norm SIA 269/22. Der richtige Zeitpunkt einer Schutz- oder Instandsetzungsmassnahme bleibt dennoch schwierig zu bestimmen. Die Einflussfaktoren können in der Regel nicht endgültig eliminiert werden, die Schadenentwicklung ist schwierig abzuschätzen. Bauwerksüberwachungen sind somit ein wichtiges Instrument für die Prognose und Kontrolle der Schadenentwicklung.

Latent und langsam

Bei der AAR reagieren die Gesteinskörner im Beton mit den Alkalien der Porenlösung. Dabei bildet sich ein quellfähiges Alkali-Kieselgel, das im feuchten Beton zu Ausdehnungen führt. 80–90% der Schweizer Gesteinskörnungen gelten als alkali­reaktiv. Die Reaktion und die Schadenentwicklung – in Form langsam fortschreitender Verformung und Rissbildung – fällt am Bauwerk meist erst nach 30 bis 40 Jahren auf.3

Im Tiefbau stellt sich die Frage der Entwicklung der Tragsicherheit (vgl. Chillon­-Viadukt, TEC21 47/2014), während bei Staudämmen die zukünftigen Verformungen und deren Konsequenzen im Vordergrund stehen. Die Erfahrung zeigt, dass die Reaktion verlangsamt wird, wenn die Bauteilfeuchtigkeit abnimmt. Bei erneuter Durchfeuchtung setzt die AAR jedoch wieder unverändert ein. Mit herkömmlichen Instandsetzungs­ und Schutzmassnahmen lässt sich die AAR nicht endgültig und vollständig verhindern. Ziel ist es daher, die weitere Schadenentwicklung zu verlangsamen und mittels geeigneter Überwachung zu kontrollieren.

Die erste Schätzung

Rissbilder, Ausblühungen oder Verformungen lassen sich nicht nur auf die AAR zurückführen. Regionale Erfahrungen, zum Beispiel mit ähnlichen Expositionen oder Gesteinskörnungen, können hierfür wertvolle Hinweise geben. Die typische, sehr heterogene Verteilung der AAR-Schäden hängt von der Exposition, den Spannungs­ und Bewehrungsverhältnissen sowie der Betonqualität ab. Aussagekräftige Untersuchungen bedingen deshalb eine enge Zusammenarbeit zwischen Ingenieur und Fachspezialist.

Die bisherige Geschwindigkeit der Schadenentwicklung wird anhand des Bauwerkalters, der Rissbreiten und der Rissindizes nach SIA 269/2 in unterschiedlichen Bauteilen abgeschätzt. Zusammen mit dem Schadenausmass bildet sie die Basis für die Wahl weiterer geeigneter Vorgehensweisen.

Überwachen und messen

Das Ausdehnungspotenzial des Betons wird mit dem Restquellmass von Bauwerksproben bestimmt. Das leider noch häufig angewandte Verfahren nach LPC Nr. 44 weist methodische Schwächen auf. Deshalb wurde im Auftrag des Bundesamts für Strassen (Astra) ein verbessertes Verfahren entwickelt: Die Messung nach VSS 6484 wird an verschiedensten Bauwerken in der Schweiz angewandt, daher ist heute eine gute Erfahrungsgrundlage verfügbar.

Massgebend für das Ergebnis der Restquellmessungen sind der Zustand der Proben und die Auswahl der Probeentnahmestellen. Durch mikroskopische und chemische Analysen wird die Plausibilität der Messwerte kontrolliert und fundierter bewertet. Restquellmessungen sollten dazu dienen, anstelle langjähriger Bauwerksüberwachungen innert kurzer Zeit Daten zur Ausdehnungsrate am Bauwerk zu liefern. Für eine Übertragung auf das Bauwerk ist die Datenlage aber noch zu spärlich, sodass sich die Zustandsentwicklung nur grob abschätzen lässt. Es ist daher sinnvoll, parallel zu den Restquellmessungen die effektiven Ausdehnungen am Bauwerk zu überwachen. Bauherren und Planer sollten diese Methode vermehrt einsetzen, denn nur so können künftig die Ergebnisse von Restquellmessungen voll ausgeschöpft werden. Zudem lässt sich mit einer geeigneten Bauwerksüberwachung auch die Wirksamkeit von Schutz­ und Instandsetzungsmassnahmen kontrollieren.  

Anmerkungen

1 Merkblatt SIA 2042: Vorbeugung von Schäden durch die Alkali-Aggregat-Reaktion (AAR) bei Betonbauten, S. 47.
2 Norm SIA 269/2: Erhaltung von Tragwerken – Betonbau.
3 Merz, Hunkeler, Griesser: Schäden durch Alkali-Aggregat-Reaktion an Betonbauten in der Schweiz. Astra-Forschungsauftrag AGB 2001/471. Bericht VSS Nr. 599, S. 150.
4 Merz, Leemann: Validierung der AAR-Prüfungen für Neubau und Instandsetzung, Astra-Forschungsauftrag AGB 2005/023 und 2006/003 (2011). Bericht VSS 648, S. 126.

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