Nut­zung im Un­ter­grund: Lan­ges War­ten auf die Po­li­tik

Die Raumplanung soll sich in den Boden wagen, um das absehbare Nutzungschaos zu verhindern. Geologen, Planer und Ingenieure verlangen eine bessere Koordination; doch auf politischer Ebene wird wenig oder Ungenügendes gemacht. Der «Mythos Untergrund» war Thema eines Fachanlasses der Vereinigung Beratender Ingenieurunternehmen usic.

Publikationsdatum
07-05-2015
Revision
01-09-2015

Im Untergrund verbergen sich vielfältige Schätze. Gasvorkommen, Erdwärme, Lagerstätten oder Verkehrskorridore ziehen das Interesse potenzieller Nutzniesser an. Doch wie stark die Ressource selbst beansprucht werden darf, und ob es Platz für alle hat, bleibt ungeklärt. 

«Es droht ein Chaos», warnte Heinz Marti, USIC-Präsident, vor einer unkontrollierten Nutzung. Und Franz Schenker, Präsident der Eidgenössischen Geologischen Kommission, veranschaulichte die Gefahr eines Kontrollverlusts: Auf seiner Karte des künftigen Tiefbahnhofs Luzern versperren heute schon unzählige Erdsonden-Bohrstandorte die unterirdischen Zufahrtswege. «Das aktuelle First-Come-First-Serve-Prinzip im Untergrund wird auch bei anderen Nutzungsvarianten gegenseitige Konflikte verursachen», erklärt der Geologe. 

Zusammen mit Berufskollegen, Ingenieuren, Investoren, Politikerinnen und Juristen diskutierte er daher am USIC-Anlass darüber, wie die Ansprüche nachhaltig gerecht erfüllt und die räumliche Koordination verbessert werden kann.

Konzessionierung aller Neuanlagen

Am eindeutigsten war das Plädoyer des Aargauer Rechtsanwalts Thomas Ender, der die Klärung der Eigentumsrechte als ungelöstes Problem erkennt: «Rechtssicherheit schaffen kann nur ein raumplanerisches Regelwerk wie über dem Boden und eine Konzessionierung für jegliche Bauvorhaben, die in die Tiefe führen.»

Auch die nachfolgenden Redner bestätigten, wie sehr es an Planungs- und Investitionssicherheit fehlt. Besonders gerne dringen derzeit Liegenschaftsbesitzer ins oberflächennahe Erdreich vor, um das stabile Energiepotenzial anzuzapfen. Adrian Altenburger, Partner von Amstein + Walthert, zeigte unterschiedliche Wärmenutzungsvarianten im Siedlungsbereich, die sich mit einer Tiefe von maximal 400 Metern begnügen. «Das Risiko besteht jedoch, die Energiequelle zu überlasten», so Altenburger. Die Stadt Zürich plane daher, jedem Erdwärmeprojekt eine Regenerationspflicht aufzuerlegen.

Aber auch die nächst höheren Vollzugsebenen hätten die Nutzungsrechte besser zu regulieren, spielt Marianne Niggli, Präsidentin des Schweizerischen Geologenverbands, den Ball Bund und Kantonen zu. Denn ob Tunnelbau, Tiefengeothermie, Fracking, Atomendlager oder andere Ideen: Nachholbedarf besteht insbesondere darin, den Verteilkampf sowie den Raubbau im Untergrund zu verhindern. «Die wachsenden Nutzungsansprüche sollen das Bewusstsein der politischen Behörden schärfen», hofft Niggli.

Die Zürcher Nationalrätin Kathy Riklin wähnt den Gesetzgeber diesbezüglich «auf einem guten Weg». Das Tempo scheint aber nicht ausgereizt: Riklin selbst hat vor vier Jahren einen parlamentarischen Vorstoss lanciert. «Die Beratungen zur Revision des Raumplanungsgesetzes haben nun einen eigenen Untergrund-Absatz hervorgebracht.» Die nachhaltige Nutzung wird allerdings nur als «kann»-Version verlangt.

Parallel dazu machen sich auch einzelne Kantone Gedanken, die Nutzung im Untergrund stärker zu beaufsichtigen. Als erster besitzt Aargau ein gültiges Koordinations- und Vollzugsreglement. Am usic-Anlass wurde jedoch kritisiert, dass die obersten Erdschichten von 0 bis 400 Meter faktisch unkontrolliert bleiben. Jurist Ender befürchtet daher, dass erst ein aufwändiger Gerichtsfall die allgemeinen Nutzungsregeln klären wird. 

Verwandte Beiträge