Neu­es Werk­ver­trags­recht – Über­blick für Pla­nen­de

Das geänderte Werkvertragsrecht, das im kommenden Jahr in Kraft tritt, tangiert auch die Planenden. Während Bauherrschaften künftig grundsätzlich besser geschützt sind, steht das Gesetz teilweise im Konflikt zur geltenden Norm SIA 118.

Publikationsdatum
17-07-2025

Per 1. Januar 2026 treten mehrere grundlegende Änderungen im Obligationenrecht (OR) und Zivilgesetzbuch (ZGB) in Kraft, welche die Gewährleistungsrechte im Werkvertragsrecht, insbesondere im Bauwesen, deutlich stärken. Diese Änderungen betreffen zwingende Nachbesserungsrechte, fixe Rüge- und Verjährungsfristen sowie die Ausweitung gewisser Regeln zu Kaufverträgen mit Bauverpflichtung. Das Ziel ist es, Bauherrschaften sowie Käuferinnen und Käufer künftig rechtlich besser zu schützen und bisherige Rechtsunsicherheiten auszuräumen.

Geschichte der Vorlage

Das Obligationenrecht sieht heute vor, dass ein Mangel an einem Werk, der nach der Abnahme entdeckt wird, sofort gerügt werden muss. Widrigenfalls gilt das Werk gemäss Art. 370 Abs. 3 OR auch rücksichtlich dieser Mängel als genehmigt. An der stelzigen Sprache merkt man, dass die Bestimmung etwas antiquiert ist. Sie galt in der Praxis schon rasch als unzweckmässig für Bauwerke, auch wenn das Bundesgericht aus diesem «sofort» wenigstens einige Tage gemacht hatte, die dem Besteller blieben, um eine Mängelrüge gegenüber dem Vertragspartner anzuzeigen (z. B. BGE 4C.130/2006 vom 8. Mai 2007). 

Wohl aus diesem Grund kennt die Norm SIA 118 «Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten» bereits seit ihrer ersten Fassung (1912 für den Tiefbau) eine zweijährige Mängelrügefrist statt der sofortigen Rügeobliegenheit. Was wiederum wohl ein wichtiger Grund dafür ist, dass die ausgewogenen Regeln der Norm SIA 118 in den meisten Bauwerkverträgen aufgenommen und zum Vertragsinhalt gemacht werden. Damit gehen sie den obligationenrechtlichen Bestimmungen vor, die bisher in diesem Punkt abänderbarer Natur waren. Die Revision des Obligationenrechts sieht nun 60 Tage als Rügefrist vor, deren Dauer neu vertraglich nicht unterschritten werden darf. 

Ausgangspunkt der Revision sind verschiedene parlamentarische Vorstösse gewesen, die teilweise seit 2009 hängig waren und die in eine Gesetzesrevision eingeflossen sind, welche nun endlich abgeschlossen wurde (z. B. Motion Fässler 09.3392 «Stärkere Rechte der Bauherrschaft bei der Behebung von Baumängeln»). Bereits in der Vernehmlassung 2020 hat der SIA das grundsätzliche Ziel der Revision begrüsst, insbesondere den Schutz der Bauherrschaft bei Baumängeln zu verbessern und eine Annäherung des Gesetzes an die baupraxisnahe Norm SIA 118 herbeizuführen. 

Der SIA hat sich während der Beratung im Parlament erfolgreich dafür eingesetzt, dass zentrale Forderungen, wie sie die Bauwirtschaft seit langem in den Regeln der Norm SIA 118 kennt – so beispielsweise die zwingende Nachbesserungspflicht, eine längere Rügefrist nach der Abnahme sowie die Unabdingbarkeit der fünfjährigen Verjährung – gesetzlich festgeschrieben werden.

Detaillierte Änderungen

1. Zwingendes Nachbesserungsrecht (Art. 368 Abs. 2bis OR)

Künftig ist in Bauwerkverträgen die kostenlose Nachbesserung von Mängeln zwingend geschuldet. Eine vertragliche Wegbedingung dieses Rechts ist bei Neubauten und Gebäuden unter zwei Jahren unzulässig. Dies entspricht dem Nachbesserungsrecht des Art. 169 der Norm SIA 118, welches dem Bauherrn (abgesehen vom Schadenersatzrecht nach Art. 171) zunächst einzig das Recht gibt, vom Unternehmer die Beseitigung des Mangels innerhalb angemessener Frist zu verlangen. Diese Regelung ist in der Praxis bewährt.

2. Zwingende Rügefrist (Art. 367 Abs. 1bis OR)

Mängel sind spätestens 60 Tage nach Entdeckung schriftlich zu rügen. Diese Frist ist gesetzlich fixiert und darf im Vertrag nicht verkürzt werden. Die Ausübung dieser 60-tägigen Rügemöglichkeit ist an dieselben Bestimmungen gebunden wie die «sofortige» Rügeobliegenheit, was die hinreichend konkrete Darlegung der Tatsachen, auf denen die Mängelrüge beruht (Substantiierung) und die Empfangsbedürftigkeit beim Adressaten, also der verantwortlichen Vertragspartei, angeht. 

Gegenüber der Norm SIA 118 ergibt sich während der ersten zwei Jahre nach der Abnahme keine Änderung, denn die Norm SIA 118 sieht in Art. 172 Abs. 2 vor, dass nach der Abnahme während zwei Jahren ein jederzeitiges Rügerecht für Mängel besteht, die nach der Abnahme auftreten und entdeckt werden. Da diese Frist nicht kürzer, sondern wesentlich länger ist als die gesetzliche, kann sie weiterhin rechtsgültig vereinbart werden. 

Nach Ablauf dieser Frist jedoch geht die Norm SIA 118 davon aus, dass die obligationenrechtliche Regelung greift und allfällige auftauchende Mängel wiederum «sofort» gerügt werden müssen, um rechtsgenüglich ein Nachbesserungsrecht geltend machen zu können. Art. 179 Abs. 2 sieht heute vor, dass der Unternehmer nur für verdeckte Mängel haftet, sofern sie vom Bauherrn sofort nach der Entdeckung gerügt werden. Mit der neuen, zwingenden Bestimmung in Art. 219a sowie Art. 367 Abs 1bis OR ist diese Regelung der Norm SIA 118 für Verträge, die ab dem 1. Januar 2026 abgeschlossen werden, nicht mehr wirksam. 

Die gesetzlich vorgesehene Frist von 60 Tagen nach der Entdeckung geht der individuellen Vertragsbestimmung der Norm SIA 118 vor. Hier besteht zukünftiger Regelungsbedarf hinsichtlich der Anwendung resp. Formulierung der Norm SIA 118. Die Gesetzeslage ist jedoch klar und die Norm SIA 118 kann deswegen weiterhin verwendet werden, auch wenn diese einzelne Bestimmung nicht anwendbar ist. 

Was sich auch mit der Gesetzesrevision nicht ändert, ist eine angemessene Selbstverantwortung des Bestellers für Mangelfolgeschäden, die durch die nicht rechtzeitige Behebung eines entdeckten Mangels entstehen. Der Bauherr hat den weiteren Schaden selbst zu tragen, der bei unverzüglicher Behebung des entdeckten Mangels hätte vermieden werden können, wie dies auch Art. 173 Abs. 2 der Norm SIA 118 vorsieht. Diese Bestimmung ist zwar nicht mehr ausdrücklich im Gesetzestext enthalten, die Beratungen im Ständerat lassen aber keinen Zweifel daran, dass diese Besteller-Verantwortlichkeit weiterhin Gültigkeit hat.

3. Verjährungsschutz (Art. 371 Abs. 3 OR)

Die gesetzliche Verjährungsfrist für Mängelansprüche an Bauwerken beträgt weiterhin fünf Jahre, wie sie heute auch die Norm SIA 118 vorsieht, jedoch ist diese Frist neu teilzwingender Natur und vertragliche Abweichungen zum Nachteil der Besteller oder des Bauherrn sind gemäss Art. 371 Abs. 3 OR unzulässig.

4. Ausweitung auf Kaufverträge mit Bauverpflichtung (Art. 219a OR)

Auch bei Immobilienkaufverträgen mit Bauverpflichtung gelten künftig teilweise gleiche Regeln wie im Werkvertragsrecht, was in der Praxis insbesondere General- und Totalunternehmermodelle betrifft. Neu erhalten nämlich gemäss Art. 219a Abs. 2 OR auch Käuferinnen und Käufer von Grundstücken mit neu errichteten Bauten oder Bauten, die bis zu zwei Jahre vor dem Verkauf errichtet wurden, Mängelrechte analog von Werkbestellern. Auch sie erhalten ein unabdingbares Verbesserungsrecht für allfällige Mängel, und auch in diesen Fällen darf die Rügefrist nicht zu Ungunsten der Besteller verkürzt werden.

5. Sicherheiten bei Bauhandwerkerpfandrechten (Art. 839 Abs. 3 ZGB)

Wird ein Bauhandwerkerpfandrecht durch eine Sicherheitsleistung ersetzt, muss diese neu auch Verzugszinsen für zehn Jahre abdecken.

Was muss an der Norm SIA 118 angepasst werden?

Die Änderungen im Gesetz stehen teilweise im Konflikt mit bestehenden Regelungen der Norm SIA 118, insbesondere:

・ Rügefristen in Art. 172ff. der Norm SIA 118 sind nach Ablauf der zwei Jahre dauernden jederzeitigen Rügemöglichkeit gemäss SIA kürzer als 60 Tage, auch wenn dies so nicht formuliert ist. Kürzere Fristen als die vom Gesetzgeber nun definierten 60 Tage sind künftig nicht mehr durchsetzbar. Der erste Satz des Art. 179 Abs. 2 der Norm SIA 118 ist in dieser Hinsicht zu ändern, da er noch explizit den Begriff der «sofortigen» Rüge gemäss alter OR-Bestimmung enthält. Mit dem in der Norm nachfolgenden Verweis auf Art. 178 Abs. 2 und Art. 179 Abs. 3 und 4 der Norm SIA 118 wird dies zwar relativiert, aber der Klarheit dient es nicht. Die Bestimmung ist in der nächsten Revision anzupassen.
・ Die Anhänge der Norm SIA 118 mit dem Gesetzeswortlaut sind zu aktualisieren.

Weitere Auswirkungen sind bei vielen gebräuchlichen Vertragsmustern und AGB zu erwarten: 

・ Die Möglichkeit zur Begrenzung von Nachbesserungspflichten (z. B. durch Ausschluss bestimmter Leistungen) ist mit dem neuen zwingenden Recht nicht mehr kompatibel.
・ Verjährungsklauseln unter fünf Jahren müssen aus den Normverträgen gestrichen werden.
・ Die Regelungen zur Gewährleistung bei TU-/GU-Verträgen müssen auf ihre Übereinstimmung mit Art. 219a OR überprüft werden.

Was heisst das für laufende Projekte?

Für laufende Projekte mit Verträgen, die vor dem 1. Januar 2026 abgeschlossen wurden, gelten grundsätzlich noch die bisherigen Regelungen – ausser, wenn sie ausdrücklich auf das neue Recht verweisen oder später angepasst werden. Dennoch empfiehlt es sich, bereits jetzt bei der Vertragsgestaltung und -kontrolle folgende Punkte zu beachten:

・ Keine Verkürzung von Rüge- oder Verjährungsfristen vorsehen.
・ Klare Formulierungen zum Nachbesserungsrecht verwenden.
・ Sicherheiten gemäss neuer ZGB-Regel kalkulieren.
・ Vertragliche Bezüge zur Norm SIA 118 auf Vereinbarkeit mit neuem Recht prüfen.

Für neue Ausschreibungen oder Planungsaufträge im Jahr 2025 ist eine Vorab-Anpassung an das neue Recht ratsam, um spätere Konflikte zu vermeiden.

Zum Schluss ein Beispiel

Bei einem Bauprojekt, das im Jahr 2024 mit entsprechenden Werkverträgen nach altem Recht gestartet wurde und im Jahr 2026 fertiggestellt und abgenommen wird, gelten die vormaligen Bestimmungen gemäss individuellen Werkverträgen auch für Mängel, die erst 2026 entdeckt und gerügt werden. Werden bei diesem Projekt jedoch 2027 Kaufverträge für Stockwerkeigentum abgeschlossen, haben diese Käufer einen Anspruch auf Beseitigung von Mängeln, die sie bis spätestens 60 Tage nach der Entdeckung ordnungsgemäss gerügt haben, auch wenn die ursprünglichen Werkverträge dies nicht vorsahen. Damit wird es eine Übergangszeit geben, in denen altrechtliche Verträge auf neurechtliche treffen. 

Kostenloses Webinar «Baurecht im Wandel»


Das überarbeitete Obligationenrecht zu Baumängeln tritt am 1. Januar 2026 in Kraft. Im Webinar am 2. Oktober 2025 informiert der SIA über die wichtigsten Neuerungen und deren Auswirkungen auf die Baupraxis. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung erforderlich: baurecht-im-wandel.events.sia.ch

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