Fern­wär­me auf der Über­hol­spur

Energieversorgung

Nachdem die Behörde einen Ausbau beantragt und das Stimmvolk den Kredit bewilligt hat, meldet ERZ: Die Nachfrage und das Netz für die städtische Fernwärmeversorgung wachsen schneller als geplant.

Publikationsdatum
10-05-2023

Baustellen werden nicht immer als mühsam wahrgenommen. Bei Zürcher Hauseigentümer:innen lösen sie sogar Vorfreude aus: Kaum liegt ein Graben im benachbarten Strassenzug offen, häufen sich die Anfragen bei Entsorgung + Recycling Zürich (ERZ), ob ein sofortiger Anschluss an das erweiterte Fernwärmenetz möglich sei. Seit letztem Herbst wird in den Stadtkreisen 4, 5, 6 und 10 gebaut, um die Infrastruktur für eine postfossile Energieversorgung umzurüsten. Die für den Ausbau verantwortlichen Stellen freuen sich ihrerseits, wie schnell es inzwischen vorwärtsgeht.

Daniel Ponca, ERZ-Projektleiter für Grossprojekte, freut sich über jedes spontane Gesuch: «Die bis Ende 2024 geplanten 200 Neuanschlüsse sind bereits vertraglich gesichert und teilweise am Netz.» Heute werde bereits so viel Fernwärme bestellt, wie erst in eineinhalb Jahren erwartet war.

Die ERZ-Fernwärme soll dereinst einen Viertel des städtischen Wärmebedarfs decken. Produziert wird sie mehrheitlich in Zürich-Nord: mit Wärme der Kehrichtverwertungsanlage (KVA) Hagenholz und des Holzheizkraftwerks Aubrugg. Ein 6.5 km langer Kanal verbindet dazu das Versorgungsgebiet im Norden mit Zürich-West. Dort, auf dem Werkareal Josefstrasse, stand bis 2021 die älteste KVA der Schweiz, die auch das landesweit erste Fernwärmenetz belieferte. Nun wird die Anlage zur Energieverteil- und Speicherzentrale für innerstädtische Gebiete umgebaut.

Fossilanteil noch eliminieren

Auf halbem Weg zwischen Nord und West fand die Anschlusspremiere statt: Die Baugenossenschaft Oberstrass stellte ein frühzeitiges Anschlussgesuch für ihre Wohnsiedlungen im Unterstrassquartier und kann erste Objekte bereits klimafreundlich beheizen. Die gemeinnützige Bauträgerschaft will sich an der Umsetzung des Netto-Null-Ziels aktiv beteiligen und nahm neben dem Fernwärmeanschluss weitere Klimaschutzmassnahmen in ihr Bauprogramm auf. Einzelne Wohnhäuser werden energetisch saniert und allfällige Ersatzneubauten energieeffizient erstellt.

Auch der städtische Wärmelieferant ERZ hat Pendenzen zu erledigen: Die Fernwärme wird zwar mehrheitlich aus CO2-neutraler Abwärme erzeugt. Ergänzend werden zu Spitzenzeiten aber fossile Brennstoffe verbrannt – «hauptsächlich Erdgas und wenig Heizöl; bei einem Gesamtanteil von 30 %», sagt der ERZ-Projektleiter Ponca. Um diesen Anteil gemäss dem städtischen Netto-Null-Ziel zu eliminieren, sind verschiedene Massnahmen vorgesehen. So plant ERZ mehrere grosse Warmwasserspeicher, um die lokalen Wärmebedarfsschwankungen im Tagesverlauf klimaneutral auszugleichen. Zudem werden weitere emissionsfreie Energiequellen benötigt. Potenzial bietet auch die Koordination der Wärmebezüge von Grossabnehmern und eine dezentrale Wärmespeicherung in den einzelnen Quartieren.

Dieser Artikel ist erschienen im Sonderheft «Netto null bis 2040Wie die Stadt Zürich klimaschonend bauen will».

Weitere Beiträge zum Thema finden Sie in unserem E-Dossier «Bauen für Netto Null».

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