Mon­te-Ro­sa-Hüt­te: 80 % In­sel­ver­sor­gung

Beispielhafte Qualitätssicherung V

Muss die Inbetriebnahme von Gebäuden besser kontrolliert und länger betreut werden? Ein energieautarker Betrieb von hochalpinen Schutzhütten ist nicht möglich. Wie der Eigenversorgungsanteil trotzdem maximiert werden kann, haben die Macher der Monte-Rosa-Hütte in sechs Jahren gelernt.

Publikationsdatum
03-12-2015
Revision
03-12-2015

«Ein autarkes Bauwerk im hochalpinen Raum» war das Geburtstagsgeschenk der ETH Zürich zum eigenen 150-Jahre-Jubiläum. Der Schweizer Alpen-Club (SAC) hat dadurch die viel beachtete neue Monte-Rosa-Hütte in den Walliser Alpen erhalten (vgl. TEC21 41/2009). Die Eröffnung fand im Herbst 2009 statt; im Frühjahr 2010 begann der hochalpine Hotelleriebetrieb mit 120 Schlafplätzen und höchstem Komfort.

Die sechsgeschossige Unterkunft auf 2883 m ü. M. erfüllt das Minergie-P-Zertifikat; der Wärmebedarf ist äusserst gering. Über die grossflächigen Fensterbänder wird die Sonnenenergie passiv genutzt; den Zusatzbedarf deckt eine 56 m2 grosse thermische Solarkollektorfläche. Sie ist unterhalb der Hütte montiert und versorgt vor allem das Warmwassersystem. Die Lüftungsanlage verteilt derweil die Raumwärme im Innenbereich.

Lüftung, Beleuchtung und Abwasserkläranlage sind jedoch auf Strom angewiesen, der vorwiegend vor Ort erzeugt wird. Das Produktionssystem besteht aus der 110 m2 grossen PV-Anlage (16 kWp) an der Südfassade, dem Biodiesel-Blockheizkraftwerk (18 kWth/10 kWel) und einer Bleibatterie (Kapazität: 255 kWhel). Ein automatisiertes Gebäudeleitsystem steuert Betriebs­zei­ten, Lastmanagement und Speicherbewirtschaftung. Der Algorithmus folgte ursprünglich dem Plan, den Energiebedarf zwei bis drei Tage im Voraus abzuschätzen und die Prognosen des Wetterdiensts sowie die Reservationen im Buchungsportal zu berücksichtigen.

Zudem sollte das Inselversorgungssystem den Energiebedarf zu 90% aus lokalen Quellen abdecken; davon ausgenommen ist die Küche. Die «externe» Quelle, per Helikopter angelieferter Biodiesel, war für Notfälle und temporäre Lastspitzen reserviert. Die Planung rechnete mit regem Beherbergungsbetrieb: In der bewarteten Zeit, von März bis April und von Juni bis September, wurden 6500 Übernachtungs- und 2000 Tagesgäste erwartet.

Die geschätzten Besucherfrequenzen trafen in der vorletzten Bergsaison (2014) tatsächlich ein. Davor lag der Zuspruch deutlich über den Erwartungen: Im Eröffnungsjahr stieg die Belegung auf 163%, worauf der interne Deckungsgrad zeitweise unter 50% sank. Am stärksten wirkte sich dies auf das Abwassersystem aus: Der Bioreaktor war überfordert; die Kläranlage lief fast ununterbrochen und bezog mehr Strom als geplant.

Dazu kamen weitere, zu optimistische Annahmen; vor allem Kleingeräte wie die Reinigungsmaschine, die Handyladestation oder Kühlgeräte verbrauchten effektiv mehr Strom als in der Betriebsprognose. Dagegen hielt sich der Wärmebedarf im bescheidenen Rahmen. Lokal wird bei starker Belegung mehr Wärme erzeugt, als für das Beheizen der SAC-Hütte erforderlich ist. Die Lüftungsanlage führt Abwärme nach aussen ab. Überschüsse der thermischen Solaranlage landen in der Frischwasserkaverne.

Das Institut für dynamische Systeme und Regelungstechnik am Maschinenbaudepartement der ETH Zürich führte eine mehrjährige Überwachungsphase und eine Projektoptimierung durch. Zum einen wurden die Energieerträge erhöht: Am Hang sind zusätzliche PV-Module (8 kWp) installiert; zudem wurde die Schaltung der Gleichstrommodule verbessert und die Batterieladestation ersetzt. Zum anderen verbraucht die Kläranlage ohne Qualitätseinbusse weniger. Seit der Bergsaison 2015 werden 80% des Strombedarfs selbst produziert, inklusive Küchenbetrieb.

Das vorausschauende Energiemanagement wurde allerdings durch ein statisches Versorgungsmodell ersetzt, weil die Besucherzahlen konstant hoch sind und die Kläranlage kontinuierlich im Einsatz ist: Das Blockheizkraftwerk läuft spätestens jeden dritten Tag an, um die Batterie zu laden. Für nicht bewartete Betriebszeiten reicht die vor Ort produzierte und gespeicherte Energie sogar ganz. Der Notschlafraum ist im Winter beheizt.

Sechs Jahre nach Eröffnung der Monte-Rosa-Hütte hat sich eine Inselversorgung etabliert, die die Energieproduktion aus elektrischer und thermischer Solaranlage und Blockheizkraftwerk kombiniert; vergleichbare Varianten werden inzwischen auch in anderen hochalpinen Schutzhütten in Frankreich und Österreich eingesetzt.

Am Bau Beteilite


Bauherrschaft
ETH Zürich (Departement für Architektur)/SAC


Nutzerin
SAC-Sektion Monte Rosa


Betriebsoptimierung/QS
ETH Zürich (Departement für Maschinenbau)


Ausführung Betriebsoptimierung
Lauber IWISA / SAC-Sektion Monte Rosa / Eawag

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