Mit Flüs­sig­gas über den Bo­den­see

Bereits seit September 1928 gibt es am Bodensee die Fährverbindung zwischen dem Konstanzer Stadtteil Staad und der Stadt Meersburg. Heute besteht die Flotte aus sechs Fährschiffen. Im Frühling wird die erste Gasfähre auf dem Bodensee in Betrieb gehen und die «Fontainebleau» von 1970 ersetzen.

Publikationsdatum
11-04-2023

Der Neubau erhält einen modernen LNG-Antrieb und soll damit deutlich weniger Schadstoffe ausstossen und klimafreundlicher sein als vergleichbare Schiffe. Die Stadtwerke Konstanz hatten sich zum Zeitpunkt der Planung gegen eine elektrisch betriebene Fähre entschieden, da die Investitionssumme deutlich höher gewesen wäre und die erforderliche Schnellladefähigkeit bei den erforderlichen Kapazitäten damals noch nicht zur Verfügung stand.

Elegantes Äusseres

Rein äusserlich orientiert sich der Neubau am jüngsten Fährschiff, der «Lodi» (2010) mit geschwungenen Stahlträgerbögen und grossen Fensterflächen. Zudem hat das neue Schiff einen rund acht Meter hohen Ventilationsmast. Er ist Teil der Sicherheitsausstattung bei LNG-Fähren. Über den hohen Kamin kann das Gas notfalls in ausreichender Höhe nach aussen vom Schiff weggedrückt werden. Es wird Platz für 62 Pkw und 700 Passagiere bieten. Durch die höhere Ladekapazität soll bei schwächerem Verkehrsaufkommen die Zahl der Fahrten reduziert werden. Dies, sowie die Optimierung des Rumpfes sollen zudem für deutliche Einsparungen beim Kraftstoff sorgen.

Wie wird ein Schiff designed?
Dieser Frage ging TEC21 am Beispiel der Fahrgastschiffe am Vierwaldstättersee nach. Den Artikel dazu finden Sie hier.

Das Schiff wurde in 17 Sektionen aus 560 Tonnen Stahl in Abmessungen von 13.5 Meter mal 4.5 Meter in Hamburg vorgefertigt, die jeweils ca. 35 Tonnen schweren Sektionen ab Ende Oktober 2019 per LKW-Schwertransport an den Bodensee transportiert. Im österreichischen Fussach erfolgte die Rumpfmontage. Ende Juni 2020 wurde das Schiff zu Wasser gelassen und zum Endausbau in den künftigen Heimathafen nach Staad geschleppt, wo der Innenausbau stattfand. Das Personal wurde Anfang 2023 geschult. Im April findet nun die Erstbebunkerung, also die erste Betankung mit LNG statt. Danach werden die Teilsysteme in Betrieb genommen. Ab Mai beginnen die Probefahrten, Passagiere können ab Mitte Juni zum ersten Mal mit der Fähre nach Meersburg übersetzen.

Sicherheit geht vor

Bei dieser neuen Form des Antriebs steht die Sicherheit im Vordergrund: LNG bedeutet Liquefied Natural Gas – also verflüssigtes Erdgas – und besteht zu rund 98% aus Methan. Es ist farblos und ungiftig. Produziert wird es, indem Erdgas auf minus 161 bis 164 Grad Celsius gekühlt wird.

Um das Schiff anzutreiben, fliesst das verflüssigte Gas zunächst aus dem Vorratstank in die GPU (Gas Processing Unit), wo es wieder in einen gasförmigen Zustand gebracht wird. Danach gelangt es in den Motor, der den Voith-Schneider-Propeller und den Wellengenerator antreibt. Der Wellengenerator liefert den Strom für das Bordnetz. Bei den Motoren handelt es sich um zwei 8-Zylinder-Motoren der Baureihe 4.000 von MTU. Gemeinsam erbringen sie eine Leistung von ca. 1'500 Kilowatt. Die LNG-Tanks befinden sich in einem Raum, in den man nur durch eine gasdichte Druckschleuse gelangt. Sie sind quasi vom restlichen Schiff abgetrennt. Alle Leitungen sind doppelwandig mit integrierten Gasschnüfflern ausgeführt. Der Maschinenraum von LNG-Schiffen und alle anderen mit der Gasanlage in Berührung stehenden Räume erfordern eine Zwangsbelüftung. Dazu ist im Maschinenraum ein dreissigfacher Luftwechsel pro Stunde, also alle zwei Minuten, vorgeschrieben.

Umweltbilanz: je nachdem

Der Einsatz von LNG gilt als umweltfreundlich. Der Gasmotor stösst im Vergleich zu einem Dieselmotor weniger schädliche Emissionen aus. So emittiert der Gasmotor keine Russpartikel und keine Schwefeloxide, 90 % weniger Stickoxide und 10 % weniger CO2.

Betrachtet man die ökologische Gesamtbilanz, kann diese je nach Förder-, Liefer- und Nutzungskette durchaus auch negativ ausfallen. Grundsätzlich könnte die Fähre auf den Einsatz von Biogas aus regenerativen Quellen wie Abfälle, Reststoffe oder Biomasse umgestellt werden. Die Stadtwerke Konstanz haben dies im Fokus und prüfen die wirtschaftliche Machbarkeit mit einem regionalen Anbieter. Nach derzeitigem Stand wird das LNG zunächst von einem grossen LNG-Terminal bezogen. Das neue Schiff wird wöchentlich per Tanklastzug betankt. Der Tankvorgang erfolgt direkt auf der Fähre. Eine eigene LNG-Infrastruktur oder Zwischenlagerung am Fährhafen Staad ist daher nicht nötig.

Zahlen & Fakten

  • Investition: 24.7 Mio. Euro
  • Länge: 82.5 Meter
  • Breite: 13.4 Meter
  • Gewicht: ca. 840 Tonnen
  • Fahrgäste: 700 Personen
  • Fahrzeuge: 62 PKW
  • Tragfähigkeit: 400 Tonnen
  • Motoren: zwei 8-Zylinder-Gasmotoren
  • Leistung pro Motor: 746 Kilowatt
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