Land­schafts­raum zwi­schen Kies­werk und Eu­ro­Air­port

Ein attraktiver Naturraum soll das Kiesabbaugebiet und die Ackerflächen vor den Toren Basels aufwerten. Die IBA Basel zeichnete die Idee eines «Parc des Carrières» an der Grenze zwischen Frankreich und der Schweiz als Modellprojekt aus. Die erste Etappe soll 2020 umgesetzt werden.

Publikationsdatum
08-01-2020

Zwischen Basel, Allschwil, Hégenheim und Saint-Louis liegt ein unbebauter Raum, eingefasst von Industrie, Gewerbe, Siedlungen und Kleingärten. Der Gross­teil der 300 ha umfassenden Fläche wird landwirtschaftlich genutzt. Zudem baut die Kibag hier Kies ab: Förderbänder und Mate­rialdepots sind von Weitem zu sehen. Nicht gerade der attraktivste Ort für eine ausgedehnte Mittagspause oder einen Sonntagsspaziergang. Doch das soll sich in den nächsten Jahren ändern. In der Kernzone des Landschaftsraums an der Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich entsteht der Parc des Carrières.

Noch bis 2040 wird auf dem Gelände Kies im Tagebau abgebaut (carrière = Steinbruch). Sobald die Bagger weiterziehen, wird die Kibag die Gruben jeweils mit sauberem Bodenaushub füllen. Die Planung sieht vor, das Material zu nutzen und die Geländeoberfläche so zu modellieren, dass eine artenreiche Landschaft entstehen kann. Die Kernzone – rund 11 ha – wird in drei Etappen umgestaltet. Die Bevölkerung der Region profitiert vom Wandel dieses Gebiets: als Nah­erholungsraum, aber auch als attraktiver Rahmen für neue Wohnviertel im Umfeld.

Wo heute ertragsorientierte Landwirtschaft dominiert, werden im Süden neu zwei ökologische Korridore geschaffen: der Korridor Basel und der Korridor Allschwil. Die Stadt Saint-Louis hat den dritten, nördlich gelegenen Korridor Bourgfelden bereits realisiert. Entlang der neuen Wege werden naturnahe Säume angelegt. Die Korridore sind Teil einer Vernetzungsstrategie von der Petite Camargue Alsacienne über den Lertzbach und das Kiesgrubengebiet bis zu den Natur­inventar­flächen der Umgebung. Das Bepflanzungskonzept setzt auf eine standorttypische und artenreiche Flora und Fauna. Auf rund zwei Dritteln der Kernzone sind Blumenwiesen vorgesehen, extensiv bewirtschaftet und von Schafen beweidet. Trocken- und Feuchtstandorte ergänzen die Parkfläche.

Schritt für Schritt umgestalten

In einer ersten Etappe und auf einer Fläche von rund 31 000 m2 entsteht bis 2020 eine Wiesen- und Spazierlandschaft. Am Kreuzungspunkt der Korridore – in der Mitte der Kernzone – möchten die Planer einen Spiel-, Begegnungs- und Lernort erschaffen, der die geplante Transformation der ehemaligen Kiesflächen im Kleinen widerspiegelt. Ein rund zwei Meter breiter, geschwungener Hauptweg führt von Norden nach Süden, und ein zweiter, mäandrierender Pfad lädt zum Entdecken ein. Naturbeobachterinnen und -geniesser werden diese Wege eher wählen als Radfahrer, die den direkten Weg bevorzugen. Die Pläne zeigen zudem eine Aussichtsplattform, von der man über das Kiesabbaugebiet in Richtung EuroAirport blicken kann. Die zweite Parzelle (rund 31 500 m2) die anschliessend realisiert werden soll, orientiert sich an den Gestaltungsprinzipien der ersten Etappe mit Wiesen, Gehölzstreifen und Biotopen.

Anders als bei den bei den ersten beiden Teilen des Parks ist auf der dritten Parzelle ein tiefer gehender Eingriff geplant. Der Spazierweg durch den Park mündet in einen Ringweg, der von Wiesen eingefasst ist. Hier soll es auch möglich sein, kleinere Versorgungseinrichtungen zu platzieren. Im Südosten wurde die Option eines grossen Weihers geprüft, der umgeben von Ried- und Schilfflächen in eine Versickerungsmulde übergehen soll. Baden im Baggersee, wie man es aus dem süddeutschen Raum kennt, ist im Parc des Carriè­res nicht möglich, da die Abbaugruben nicht bis ins Grundwasser reichen.

Die Gesamtkosten des Parc des Carrières bis zur Inbetriebnahme der dritten Etappe – voraussichtlich 2025/2026 – werden auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Die Kosten beinhalten auch die Anschlusswege ins Siedlungsgebiet. Die Verantwortlichen sehen das grosse Plus des Projekts darin, dass mit relativ geringem finanziellem Aufwand eine dauerhafte Umgestaltung möglich ist. Für die geplanten Gestaltungselemente auf der dritten Parzelle gibt es Ideen, deren Realisierung noch von den zur Verfügung stehenden Mitteln abhängt. Optimistisch stimmt die Planer, dass eine Mehrauffüllung der Gruben möglich ist. Durch den Ankauf von Bodenaushub werden so zusätzliche Gelder generiert.

Doch auch wenn zunächst eine vereinfachte Variante umgesetzt werden würde, generiert das Projekt einen Mehrwert für die Region. Rund 40 000 Einwohner erreichen den Parc des Carrières in fünf Velo- oder zwölf Gehminuten. Die Anbindung an den öffentlichen Verkehr ist durch diverse Tram- und Buslinien gewährleistet. Fünf Zugänge rund um den Park laden Besucher und Besucherinnen dazu ein, den neu gestalteten Landschafts- und Naturraum kennenzulernen.

Die Koexistenz verschiedener Nutzungen bedingt eine gute Abstimmung. Das urbane Umfeld wird den neuen Landschaftspark beeinflussen: einerseits der Lastwagenverkehr und die Förderbänder der Kibag, die vorhanden sind, bis der Kiesabbau endet; andererseits die Verkehrsinfrastrukturanlagen rund um den Park, die sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln werden. Und vor allem wird der Flugverkehr des nahen EuroAirport deutlich zu hören sein.

2020: Die IBA geht, ein Verein übernimmt

Die Vision eines grenzüberschreitenden Naherholungsgebiets ist aus dem öffentlichen Projektaufruf der IBA Basel im Jahr 2010 hervorgegangen. Der Parc des Carrières entspricht den Grundzielen der IBA, Lebensqualität und Attraktivität des Raums zu verbessern. Unter Federführung der IBA Basel und der Courvoisier Stadt­entwicklung GmbH hat sich das Bau- und Verkehrs­departement des Kantons Basel-Stadt 2018 mit der ­Ville de Saint-Louis, der Ville de Hégenheim, dem Gemeindezweckverband Saint-Louis Agglomération, der Gemeinde Allschwil, dem Bürgerspital Basel und der Kibag zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen.

2019 gründeten die Projektpartner den Verein «Parc des Carrières». Die Zusammenarbeit der Beteiligten steht damit auf einem soliden Fundament. Neben der strategischen Steuerung und der Abwicklung der gemeinsamen Finanzierung dient der Verein vor allem als Rechtsperson der Projektpartnerschaft.

In der Region Basel gibt es rund 50 weitere ­Kiesgruben in unterschiedlichen Betriebszuständen, mit einer Gesamtfläche von 830 ha. Sie haben alle das Potenzial, nach dem erfolgten Kiesabbau als attraktive Landschaft neu konzipiert zu werden. Der Parc des ­Car­rières soll in den nächsten Jahren zeigen, was möglich ist und wie ein Wandel zu einem grenzüberschreitenden Naturraum gelingen kann.

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