«Jetzt Far­be be­ken­nen!»

Ein Kommentar zur Revision der ­Ordnung SIA 144 für Ingenieur- und Architekturleistungsofferten von Marco Waldhauser, Präsident der Berufsgruppe Technik BG und Mitinhaber von Waldhauser + Hermann.

Publikationsdatum
24-02-2021

«Wir dürfen stolz sein auf den SIA, der wie kein anderer Verein Fachleute aus verschiedensten Bereichen von Architektur und Ingenieurwesen unter einem Dach zusammenführt – und so durch gelebte Interdisziplinarität massgeblich zu einer guten Baukultur beiträgt und die Qualität hochhält. Wir müssen jedoch auch anerkennen, dass es der SIA bisher nicht geschafft hat, faire Vergaberegeln für all seine Mitglieder zu formulieren Die heutigen, gut etablierten Ordnungen zum Thema beziehen sich fast ausschliesslich auf die Architektur. Da ist leider fertig mit Interdisziplinarität.

Die revidierte SIA 144 soll eine wichtige Grundlage für faire Vergabeverfahren für intellektuelle Dienstleistungen schaffen. Sie ist damit die erste echte interdisziplinäre Ordnung im Vergabewesen und stellt für alle die Qualität der Leistung vor den Preis. Das muss im Sinn aller sein, sowohl für die Besteller als auch für die Anbieter.

Die Ordnung mag noch nicht perfekt sein; sie wird sich, wie alle anderen Ordnungen, mit einer breiteren Anwendung und Erfahrungen stetig weiterent­wickeln und verbessern. Und sie kannibalisiert nicht, wie teilweise befürchtet, die ordentlichen Wett­bewerbsverfahren: Im Gegenteil, gerade ohne diese Ordnung würden wir zunehmend mit einem breiten Strauss von verschiedenen Planerwahlverfahren konfrontiert.

Es ist Zeit, Farbe zu bekennen und die gelobte Interdiszi­pli­­na­­rität wirklich zu leben. Reine Preisvergaben für Planerdienstleistungen, wie sie die SIA-Mit­glie­der bisher akzeptiert haben, sind ein Affront gegenüber allen Betroffenen und zeichnen ein schwarzes Bild der Wertschätzung untereinander. Setzen wir also ein Zeichen und schaffen wir mit der revidierten SIA 144 die Grundlage für eine gleichwer­tige Zusammen­arbeit!»

Leistungs­offerte neu


Am 1. Januar traten das revidierte Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen BöB und die dazu gehörige Verordnung VöB in Kraft. Sie sollen die Qualität, die Innovation und die Nachhaltigkeit des Bauwerks Schweiz fördern: Neu soll nicht das «günstigste», sondern das «vorteilhafteste» Projekt den Zuschlag bekommen.

 

Daher enthalten die Beurteilungskriterien neben dem Preis auch eine Reihe weiterer Aspekte, die eine umfassendere Be­wertung ermöglichen. Analog dazu erfolgt seit 2017 die Revision der ­Ordnung SIA 144 für Ingenieur- und Architekturleistungsofferten – ebenfalls mit dem Ziel, projektbezogene Qualitätskriterien ­aufzuwerten gegenüber dem Preiskriterium, das heute im Vordergrund steht. Die Vernehm­las­sung endete im Herbst 2020. Zurzeit läuft die Überarbeitung; nach deren Abschluss wird die Delegiertenversammlung des SIA über die Freigabe abstimmen.

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