Hej Rup!

Eine Ausstellung zur tschechischen Avantgarde

«Hej Rup! (Auf geht’s!)» lautet der Titel der aktuellen Ausstellung im Berliner Bröhan-Museum. Die sehenswerte Schau widmet sich dem spartenübergreifenden Gestalten während der ebenso fruchtbaren wie kurzen Zeit der Tschechischen Republik.

Publikationsdatum
26-02-2024

Die Avantgarde musste sich beeilen: Nur zwanzig Jahre währte die Existenz der 1918 gegründeten tschechoslowakischen Republik – bereits 1939 marschierten deutsche Truppen ein und hielten Teile des Landes bis 1945 besetzt. Die Zeitspanne zwischen Habsburger Monarchie und der Zugehörigkeit zur Sowjetunion war von einer ungeheuren Aufbruchstimmung geprägt. Was sich in Ost und West über Jahre entwickelte, geschah hier mit einer ganz anderen Wucht. Es mischten sich nicht nur die Einflüsse aus Paris und Berlin, sondern auch die Sparten.

Der Künstler, Theoretiker und Netzwerker Karel Teige (1900–1951) prägte den Begriff des Poetismus, dessen Ziel ein «rundum gut gestalteter Alltag voller Heiterkeit und Optimismus» war, der jedwedem künstlerischen Ausdruck zugrunde liegen möge. In der Architektur und im Möbeldesign sind die Bezüge zum Kubismus deutlich. Zerlegte Geometrien finden sich im Möbelbau, aber auch in der Gestaltung von Fassaden und Grundrissen wieder.

Gleichzeitig forderte der Werkbund aber auch eine inhaltliche Debatte des Architekturbegriffs: 1928 entstand eine Werkbundsiedlung bei Brünn, die Bezug nahm auf die Stuttgarter Weissenhofsiedlung von 1927 und noch radikalere Grundrisse propagierte. Daraus folgende Ideen zu Minimalwohnungen in einem Kollektivhaus haben heute noch Gültigkeit.

Die zur gleichen Zeit und ganz in der Nähe entstandene Villa Tugendhat von Ludwig Mies van der Rohe bildet mit ihrem verschwenderischen Raumprogramm eine Gegenposition: Formal von höchster Qualität, im gesellschaftlichen Kontext allerdings «nichts anderes als die Neuausgabe eines protzigen Barockpalais» (Karel Teige, 1932).

In der Ausstellung im Berliner Bröhan-Museum sind die Wechselwirkungen zwischen Produktdesign, Malerei, Fotografie und Architektur ablesbar, begleitet von Dokumenten der unterschiedlichen Gruppierungen und ihrer Manifeste. Die gezeigten Möbel ähneln denen der bekannten Bauhaus-Modelle, waren aber noch mehr auf industrielle Fertigung ausgerichtet. Ein eigener Raum ist dem städtebaulichen Grossprojekt der Bata-Schuhfabrik in Zlin gewidmet, das mit grossen Modellen, zeitgenössischen Fotoserien und Kommentaren die umstrittene Bewertung in seiner Entstehungszeit illustriert.

Es bleibt die Frage offen, warum das kulturelle Geschehen der Gegenwart in Tschechien nicht über die Grenzen hinaus bekannt ist. Abgesehen von vereinzelten Glasmanufakturen und Bauten sogenannter internationaler Stararchitekten dringt nichts in unsere Breiten. Höchste Zeit für eine engere Kommunikation, wie es sie vor 100 Jahren schon einmal gegeben hat.  

Die Ausstellung Hej Rup! – die Tschechische Avantgarde ist noch bis zum 3. März im Bröhan-Museum in Berlin zu sehen.

 

Weitere Infos: broehan-museum.de

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