Grund­ris­se im Feld­ste­cher

Das Bundesamt für Kultur (BAK) hat 2012 erneut parallel zur Kunstmesse Art Basel die Swiss Art Awards und die eidgenössischen Architekturpreise verliehen.

Publikationsdatum
28-06-2012
Revision
25-08-2015

Mehr noch als die Art Basel oder ihre Satellitenmessen sorgte dieses Jahr das Baggerballett auf dem Messegelände für Aufsehen. Wo früher die Messehalle 3 stand, klaffte nun ein mächtiges Loch, in dem schwere Maschinen in einer geheimen Choreografie Betonwände einrissen oder Armierungseisen aussortierten. Dass die Nominierten für die Swiss Art Awards nicht wie gewohnt in der Halle 3 zusammengebracht werden würden, war entsprechend augenscheinlich. Aber selbst in Halle 4, wo die Awards-Ausstellung neu stattfand, gab es noch Anzeichen von Baustelle: Der Künstler Markus Kummer etwa presste eine Dachlatte entlang eines mit Zement angefüllten Winkels seines Standes von oben nach unten, sodass darunter nach dem Zufallsprinzip eine skulpturale Säule entstand. Sonia Kacem hingegen formte mit riesigen Holzwinkeln einen Haufen von Marmorstaub am Boden – und brachte so wenigstens einen Rest an Form in diese möglicherweise pulverisierte Marmorskulptur.
Noch ausnehmend roh kam auch einer der Beiträge der fünf Nominierten für die eidgenössischen Architekturpreise daher: Nicholas Lobo Brennan und Boris Gusic – die mit einem Architekturpreis ausgezeichnet wurden – brachten eine Holzkonstruktion mit, die sie mit dem Restmaterial anderer Architekturprojekte – einer Ausstellung zu Fuhrimann Hächler etwa – in die Luzerner Galerie Akku eingepasst hatten. Hier diente der baumhüttenartig erhöhte Raum mit angewinkeltem Boden als lebendiger Diskussionsort, in dem etwa Dialoge mit jungen Schweizer Kunst- und Architekturschaffenden stattfanden. Daneben gehörte Sascha Roesler zu den Ausgezeichneten: Der Zürcher zeigte in Basel sein «Theater der Umgesiedelten»; eine Beschäftigung mit dem Phänomen der Migration anhand von Archivmaterial von Theaterstücken, zum Beispiel Heiner Müllers in der DDR lange verbotenes «Die Umsiedlerin». Migrationsströme reissen viel mit sich und stossen in der gesamten Gesellschaft viel an – umso stimmiger, das Phänomen auch einmal ausgehend von einer nur am Rande mit der Architektur verwandten Disziplin wie dem Theater zu betrachten.
Interessanterweise stellte auch Michael Hirschbichler seinem «Theatrum Orbis Terrarum» ein Shakespeare-Zitat voran – ob wohl die vielzitierte Performance von Gebäuden unter jüngeren Architekten immer wörtlicher genommen wird? Oder zeigt sich hier vielmehr ein Verdruss über die zunehmende «Bühnenhaftigkeit» der Architektur, wie sie der Zürcher in seinem Begleittext erwähnt? Hirschbichler vermengt jedenfalls in seiner Installation die Grundrisse von Gebäuden unterschiedlichster lokaler und architekturgeschichtlicher Herkunft. Dass man die Plancollage aus einigen Metern Entfernung mit Feldstechern betrachten kann, ist eine gelungene räumliche Übersetzung der Distanzierung, die wir gegenüber einer solchen vermeintlichen Idealstadt empfinden.
Aufgrund der Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bundesamt für Kultur (BAK) und Pro Helvetia im Anfang 2012 in Kraft getretenen neuen Kulturförderungsgesetz ist neu eindeutig die Pro Helvetia für die Förderung zuständig. Für die Swiss Art Awards bedeutet dies, dass das BAK die Preise nicht mehr als Förderpreise, sondern genereller als Auszeichnungen für getane Arbeit vergibt. Insofern gilt auch die Alterslimite von 40 Jahren nicht mehr. Das Umbaufieber auf dem Messegelände machte also auch in dieser Beziehung vor den Swiss Art Awards nicht Halt.

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