Ge­schärf­ter Be­stand

Projektwettbewerb SEK-II-Schulen Polyfeld Muttenz

Unmittelbar neben dem Bahnhof Muttenz liegt das Polyfeld, das zu einem Bildungscampus aufgewertet werden soll. Nach dem Bezug des Neubaus der FHNW sollen in die frei werdenden Liegenschaften die gewerblich-­industriellen Berufsschulen Muttenz, Pratteln und Liestal einziehen.

Publikationsdatum
12-09-2019

Das Polyfeld Muttenz liegt in einem heterogenen Gebiet mit Gewerbe-, Industrie- und Schulbauten. In diesem Gebiet soll ein Bildungscampus entstehen. Dazu wurde eine Testplanung durchgeführt, aus der sich der Masterplan Polyfeld ergeben hat. Mit dem Teilzonenplan Polyfeld wurden die ­Rahmenbedingungen und Zielvorgaben verbindlich geregelt.

Das Polyfeld grenzt im Süden an ein kleinmassstäbliches Quartier aus Einfamilienhäusern. Die Gründenstrasse, die den Übergang zum Wohnquartier bildet, wird zu einer verkehrsberuhigten Quartierstrasse mit Alleebäumen. Die Kriegackerstrasse im Norden des Wettbewerbsperimeters wird zur neuen Erschliessungsachse für den Bildungscampus in Ost-West-Richtung. Ein Grünzug verbindet die Tramstation an der St. Jakobs-Strasse im Süden mit dem Polyfeld im Norden.

Mit dem Bezug des Neubaus für die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) von Pool Architekten im September 2018 wurden die Gebäude an der Gründenstrasse 40 und 44 frei und können neu genutzt werden. Auf dem Wettbewerbsperimeter Polyfeld 1 sollen die gewerblich-industriellen Berufsschulen Muttenz, Pratteln und Liestal am Standort Muttenz zusammengeführt werden. Es sind Gesamtinvestitionen von 115 Mio. Franken vorgesehen. Die bestehenden Bauten entstanden infolge eines Wettbewerbs nach den Plänen der Architektengemeinschaft Walter Wurster, Hans Beck und Heinrich Baur und wurden 1971/1972 bezogen. Die drei Gebäude Schulhaus, Aula/Mensa sowie Labortrakt sind um eine erhöhte Plattform gruppiert. Das Schulhaus soll bis auf den Rohbau zurück­gebaut, die Aula/Mensa gesamtsaniert und der Labortrakt abgebrochen werden. Um Lösungsansätze für ­diese Aufgabe zu erhalten, schrieb die Bau- und Umweltschutzdirektion Kanton Basel-Landschaft einen einstufigen Projektwettbewerb im selektiven Verfahren aus. Verlangt wurden Teambildungen mit den Kompetenzen Architektur, Landschaftsarchitektur, Tragwerks­planung und Gebäudetechnik. Der Wettbewerb ist konform zur Ordnung für Wettbewerbe SIA 142.

Agora

Das Preisgericht empfiehlt einstimmig den Beitrag von Berrel Berrel Kräutler Architekten zur Ausführung. Das Kennwort «Agora» ist Programm. Analog zum antiken Griechenland wird die Terrasse als ein Fest-, Versammlungs- und Marktplatz interpretiert. Entsprechend sind auch die publikumsnahen ­Nutzungen wie Cafeteria, Aula und Mediathek im Erdgeschoss angeordnet. Beim neuen Werkstattgebäude geben grosse Schaufenster Einblick in die Automobil- und Handwerksräume. Auf allen Seiten führen grosszügige Rampen auf die erhöhte Terrasse. Der Platz im Nordosten ist als ansteigende Fläche mit Sitzstufen konzipiert. Vom Grünraum im Südwesten gelangt man über eine aussen liegende Treppe zu einem länglichen, gedeckten Bereich auf der Terrasse. In diesen «Südgarten» ist auch ein Teil des Schulgartens in Form eines Arboretums integriert.

Der Entwurf nutzt die ganze Klaviatur baulicher Massnahmen, vom minimal invasiven Eingriff bis zur Tabula rasa. Beim Schulhaus wird der Kern durch ­zusätzliche Wände erdbebensicher gemacht und um ein zusätzliches Fluchttreppenhaus erweitert. Dadurch kommt die bestehende Frei­treppe ohne Brandabschottungen aus, und der Charakter des Gebäudes kann erhalten werden. Auch der Pavillon mit Aula und Mensa bleibt weitgehend bestehen. Eine neue Treppenanlage verbindet die Aula auf dem Niveau der Terrasse mit der darunter liegenden Mensa und der Zuschauergalerie der Sporthalle, die beide zum Grünraum hin orientiert sind. Sie erschliesst auch die Sporthalle im Untergeschoss, die als Neubau unter der Terrasse eingefügt ist. Ein neues, grosszügiges Vordach zur Terrasse erweitert das Foyer der Aula. Der Labortrakt wird durch einen dreigeschossigen Neubau ersetzt, der die bestehende Heizzentrale geschickt integriert. Für den im Betrachtungsperimeter liegenden Bereich Polyfeld 2 ist eine Aufstockung des heute von der Berufsfachschule genutzten Gebäudes vorgesehen.

Pergolagarten

Auch das mit dem zweiten Preis ausgezeichnete Projekt «Nimmerland» von E2A Architekten verfolgt kon­sequent das Thema des Sockels mit aufgesetzten Hochbauten. Jedes Gebäude wird von der Terrasse ­eigenständig erschlossen, was die Anlage übersichtlich macht. Die neue Sporthalle liegt zentral unter der Terrasse. Ihr Dach ist erhöht, sodass die Halle über Oberlichter natürlich belichtet wird. Darauf befindet sich mit dem «Pergola­garten» ein zusätzliches Freiraum­angebot, das für den Pausenaufenthalt, als Schulgarten oder einfach als Rückzugsort genutzt werden kann. Der Beitrag «Nimmerland» überrascht mit einer abwechslungsreichen, aber etwas überdeterminierten Besetzung der Mitte.

Das bestehende Schulgebäude wird um zwei Etagen aufgestockt, was dessen Präsenz steigert. Zwei zusätzliche Fluchttreppenhäuser erweitern den Kern. Sie erhöhen nicht nur die Erdbebensicherheit, sondern sichern auch den Erhalt der offenen Treppenanlage. Neu gebaut werden das Werkstattgebäude im Norden sowie die Aula und Mensa im Süden. Der Beitrag überrascht mit einer eigenständigen Interpretation der Terrasse, kann aber im befahrbaren Sockelbereich, der vorwiegend zur Anlieferung und der Logistik dient, nicht überzeugen.

Hof mit Zitterpappeln

Anstelle einer erhöhten Pergola schlägt das Projekt «Znüni näh» von Burkard Meyer Architekten einen abgesenkten begrünten Hof mit Zitterpappeln im Zentrum der Anlage vor. Die beiden Neubauten im Norden und Süden sind von der Terrasse mit breiten Schlitzen abgelöst, die das Sockelgeschoss erschliessen und natürlich belichten. Gleichzeitig erschweren diese Durchbrüche die wichtigen Verbindungen zwischen den Haupträumen Mensa, Aula, ­Mediathek und Mehrzweckräumen. Die neue Fassade aus Betonelementen des bestehenden Schulgebäudes bezieht sich klar auf die Architektur der 1960er-Jahre. Die beiden niedrigen Neubauten im Norden und Süden hingegen sind ganz anders gestrickt. Ihre filigranen Dach-Faltwerke aus Holz mit den zur Ter­rasse offenen und zu den beiden Strassen abgewandten Seiten wirken fremd. Die Anlage koppelt sich vom Umfeld ab und zerfällt in einen bestehenden Massivbau und zwei autistische Neubauten. Trotzdem funktioniert das Projekt betrieblich gut und gehört zu den wirtschaftlichsten Beiträgen.

Chapeau!

Wie schon beim Wettbewerb für die neue Botschaft in Singapur (TEC21 25–26/2019) gehen Berrel Berrel Kräutler auch diesmal respektvoll mit den bestehenden Gebäuden um und führen sie auf ihre typologischen Wurzeln zurück. Sie analy­sieren Stärken und Schwächen des Bestands und beheben die Schwachstellen. Bei der Botschaft in Singapur war es die Klärung des Leit­motivs «Bungalow», im Polyfeld in Muttenz die leere Agora als bestimmendes Thema des Entwurfs.

Beeindruckend ist die Bandbreite der baulichen Massnahmen: von einzelnen Umbauten über neue Treppenanlagen bis zur Ergänzung mit Neubauten. Eine fundierte Analyse des Bestands führt zu einem neuen, in sich schlüssigen Gesamtkonzept. Geradezu enthusiastisch äussert sich das Preisgericht über den Beitrag der Gewinner: «Die Jury ist beeindruckt von der cleveren und bestechend logisch durchdachten städtebaulichen und architektonischen Leistung, Chapeau!»

Weitere Pläne und Bilder finden Sie in der Rubrik Wettbewerbe.

Auszeichnungen

1. Rang /1. Preis: «Agora»
Berrel Berrel Kräutler Architekten, Zürich; Bryum, Basel; Ulaga Partner, Basel; Amstein + Walthert, Basel
2. Rang / 2. Preis: «Nimmerland»
E2A Architekten, Zürich; vetsch­partner Landschaftsarchitekten, Zürich; Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel; Todt, Gmür + Partner, Schlieren; Xmade, Basel; Timbatec, Zürich; Mettler + Partner, Zürich; Cockpit Projektmanagement, Zürich; Durable Planung und Beratung, Zürich
3. Rang / 3. Preis: «Znüni näh»
Burkard Meyer Architekten, Baden; ASP Landschaftsarchitekten, Zürich; MWB Bauingenieure, Baden; Gruenberg & Partner, Zürich
4. Rang / 4. Preis: «Second Cycle»
Salathé Architekten, Basel, Proplaning, Basel; Schmid Landschafts­architekten, Zürich; ZPF Ingenieure, Basel; Stefan Graf, Basel; Pro Engineering, Basel; Christoph Etter Fassadenplanungen, Basel; Visiotec technical consulting, Allschwil
5. Rang / Ankauf: «continuitas»
Dürig, Zürich; Kuhn Landschafts­architekten, Zürich; Dr. Deuring + Oehninger, Winterthur; Amstein + Walthert, Zürich

FachJury

Marco Frigerio, Kantonsarchitekt Basel-Landschaft (Vorsitz); Marco Fabrizi, Stv. Kantonsarchitekt Basel-Landschaft (stv. Vorsitz); Bettina Neumann, Architektin, Zürich; Reto Pfenninger, Architekt, Zürich; Daniel Wentzlaff, Architekt, Basel; Sibylle Aubort Raderschall, Landschaftsarchitektin, Meilen; Vinzenz Reist, Architekt, Hochbauamt Kanton Basel-Landschaft, Liestal (Ersatz)

SachJury

Dr. Sabine Pegoraro, Vorsteherin Bau- und Umweltschutzdirektion; Thomi Jourdan, Departementsvorsteher Hochbau und Planung, Gemeinde Muttenz; Petra Schmidt, Stv. Generalsekretärin, Steuerung Raumressourcen BKSD; Heinz Mohler, Leiter Haupt­abteilung Berufsbildung und Berufsberatung, BKSD; Dominique Tellenbach, Rektor GIB Muttenz und GIB Liestal (ab September 2018); ­Christopher Gutherz, Rektor GIB Muttenz (Ersatz, bis Sept. 2018); Urs Neuenschwander, Standortleiter GIB Liestal (Ersatz, ab Sept. 2018)

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