Fein und ra­tio­nal kon­stru­iert

Als profilierter Vertreter der Solothurner Schule prägte Franz Füeg, der im November vergangenen Jahres verstorben ist, die Nachkriegsarchitektur der Schweiz. Als Professor an der EPFL nahm er Einfluss auf die Ausbildung mehrerer Architektengenerationen.

Publikationsdatum
04-03-2020

Kirchenbau war in den Jahrzehnten nach 1945 ein wichtiges Thema in der Schweiz. Entsprechend reichhaltig, vielgestaltig und hochwertig zeigte sich das ­sakrale Bauschaffen der späten ­Moderne. Unter all den herausragenden Beispielen aber ist eines ohne Vergleich: die Piuskirche in Meggen (1964–1966).

Franz Füeg folgte weder der Tradition der moderaten Schweizer Moderne noch einem skulpturalen Konzept in der Tradition des späten Le Corbusier. Vielmehr konzipierte er einen industriell gedachten Bau aus repetitiven Stahlprofilen mit einem Dach aus Gitterträgern, der ringsum mit transluzenten Marmorplatten verkleidet wurde.

Die Balance aus Rationalität und Sinnlichkeit macht die Piuskirche ein­zigartig. Wer einmal ihren sanft von Licht durchfluteten Innenraum betreten hat, wird diesen Eindruck nicht mehr vergessen. Der Bau in Meggen stiess Berufskollegen wie Hermann Baur oder Ernst Gisel vor den Kopf und gilt doch als so einzigartiges Werk, dass ihn keine ernsthafte Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts ignorieren kann.

Von Schader bis Kahn

1921 in Solothurn geboren, wo er auch seine Hochbauzeichnerlehre absolvierte, floh Franz Füeg wie auch sein Freund seit Pfadizeiten und Berufskollege Fritz Haller 1948 vor der Schweizer Enge ins kriegszerstörte Rotterdam. Die Debatten um den dortigen Wiederaufbau prägten ihn nachhaltig, doch schon 1949 kehrte er zurück nach Solothurn, wo er für das Büro Studer + Schäuble mit dem Dornacherhof das erste moderne Büro- und Geschäftshaus der Stadt realisierte.

1954 eröffnete er sein eigenes Büro. Im Januarheft 1958 der Zeitschrift Bauen + Wohnen erschien sein erster publizistischer Beitrag unter dem programmatischen Titel «Was ist modern in der Architektur?». Für drei Jahre übernahm Füeg die Leitung dieser ganz den Tendenzen des zeitgenössischen modernen Bauens gewidmeten Zeitschrift.

Er publizierte die Kantonsschule Freudenberg von Jacques Schader (1954–1960), die Bauten von Fritz Haller, die Experimente von Konrad Wachsmann und schliesslich auch – was von seiner stets undogmatischen Haltung zeugt – den ersten Beitrag über Louis I. Kahn in einer Schweizer Fachzeitschrift.

Lehrtätigkeit und Bauten

Ludwig Mies van der Rohe und ­Konrad Wachsmann waren unzweifelhaft Heroen von Füeg, der von Jürgen Joedicke, seinem Nachfolger bei Bauen + Wohnen, neben Alfons Barth, Fritz Haller, Max Schlup und Hans Zaugg zu den Exponenten der «Solothurner Schule» gezählt wurde. Der Begriff hat sich durchgesetzt, ist aber irreführend, weil sich die Architekten nie als Gruppe verstanden. Sie standen jedoch im Austausch miteinander und arbeiteten immer wieder gemeinsam – in wechselnden Konstellationen. Zudem teilten sie die Vorliebe für Stahl sowie das Interesse an Vorfabrikation und Montagebau.

Das Werk von Füeg blieb relativ schmal: eine weitere Kirche in Lengnau (1972–1975), die Schule in Kleinlützel (1957–1960), einige wenige Einfamilienhäuser, und, nahezu zeitgleich mit Meggen, die Naturwissenschaftlichen Institute für die Universität in ­Fribourg. Einerseits konzentrierte er sich seit 1971 für 16 Jahre auf seine Entwurfsprofessur an der EPFL, andererseits geriet er wie manche seiner Altersgenossen in den Windschatten einer jüngeren Generation, die seit den 1970er-Jahren bis heute das Baugeschehen in der Schweiz prägen sollte.

Mit dem Postverteilzentrum in Sion (1990–1997) knüpfte Füeg noch einmal an sein Konzept rationalen Bauens an, doch interessierte er sich auch für die Umnutzung historischer Substanz, so 1988–1990 beim gemeinsam mit Melchior Wyss geplanten Umbau eines barocken Herrenhauses zum Kunsthaus Zug. In den vergangenen 20 Jahren widmete sich Füeg seiner zweiten Lei­denschaft, der Numismatik. Am 24. November ist er im Alter von 98 Jahren verstorben.

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