Dial­ma Ja­kob Bän­zi­ger – ein Nach­ruf

Was haben die Weinlandbrücke in Andelfingen, die grosse Rampe der Toni-Molkerei, der Hardturmviadukt der SBB und die Sunnibergbrücke in Klosters miteinander zu tun? Bei all diesen Bauwerken spielte der am 13. Juli 2022 verstorbene Dialma Jakob Bänziger eine entscheidende Rolle.

Publikationsdatum
16-09-2022

Dialma Jakob Bänziger wurde am 14. September 1927 geboren und wuchs als Sohn eines Grenzwächters an verschiedenen Orten längs der Schweizer Grenze im St. Gallischen, in Graubünden und im Fürstentum Liechtenstein auf. Er besuchte die Sekundarschule in Buchs SG und die Mittelschule in Schiers GR und schloss dort mit der Maturität Typ C ab. Ein Praktikum bei der Melioration der Rheinebene in Altstätten SG überzeugten ihn durch Kontakte mit entsprechenden Vorbildern vom Beruf des Bauingenieurs.

1947 bis 1951 studierte er Bauingenieurwesen an der ETH Zürich mit Vertiefung in Massivbrückenbau und Wasserkraftanlagen. Nach dem Diplomabschluss begannen die Lehr- und Wanderjahre im Kraftwerk- und Brückenbau. Für der Firma Locher & Cie. war er an der Staumauer Sambuco im Maggiatal tätig und für die Kühlung des Mauerbetons während des Abbindens verantwortlich. Erstmals in der die Schweiz wurden Kühlrohre einbetoniert und so eine frühzeitige Rissbildung verhindert. Im Ingenieurbüro Hans Eichenberger erstellte er als Projektleiter die statische Berechnung der Weinlandbrücke Andelfingen. Diese sollte in Spannbeton erstellt werden, einer damals neuen Bauweise, für die kaum Normen und wenig Erfahrungen bestanden. So hatte er sein Bemessungskonzept auch gegenüber ETH-Professoren zu verteidigen, die der Vorspannung noch kritisch gegenüberstanden. Bei der SBB, Kreis III, Sektion für Brückenbau in Zürich lernte er die Bauherrenseite und das Bauen unter Betrieb kennen.

1959 eröffnete Bänziger mit Edy Toscano ein eigenes Ingenieurbüro in Zürich und kurz darauf auch Zweigbüros in Buchs SG und Pontresina GR. Bereits 1962 trennten sich die beiden Partner einvernehmlich und gingen unterschiedliche Wege. Damals begann in der Schweiz der Bau der Autobahnen, und damit waren auch anspruchsvolle Brücken erforderlich. Ein erster Wettbewerbserfolg war mit der Achereggbrücke in Stansstad bereits 1960 gelungen. Weitere Brücken aus gewonnenen Wettbewerben folgten, so unter anderem der erwähnte SBB-Hardturmviadukt in Zürich, der Lehnenviadukt Beckenried, der Sitterviadukt bei St. Gallen, die Aarebrücke bei Schinznach, die Rheinbrücke Diepoldsau, der Neubau der Seebrücke in Luzern, die Dreirosenbrücke in Basel und die Rhonebrücken in Raron. Ein besonderes Projekt war die Detailprojektierung und Ausführung des Entwurfs von Prof. Dr. Christian Menn für die Sunnibergbrücke in Klosters, heute eine Ikone des Schweizer Brückenbaus im 20. Jahrhundert.

Kleinere Brücken konnten auch als Direktaufträge ohne Wettbewerb ausgeführt werden, wie die Hundwilertobelbrücke über die Urnäsch AR und die Hinterrheinbrücke der RhB in Thusis GR. Da anfänglich das Teilnehmerfeld bei Wettbewerben auf Büros im entsprechenden Kanton beschränkt war und bei freihändigen Aufträgen lokale Anbieter bevorzugt wurden, war es erforderlich, das Netz von Zweigbüros zu erweitern und zu verdichten. Als Filialleiter wurden, wenn immer möglich, lokal verankerte Ingenieure gewonnen, die damit früh in einer Filiale und später im Gesamtunternehmen Verantwortung übernehmen konnten.

Auch im Hochbau wurden grosse Projekte bewältigt, wie die Toni-Molkerei in Zürich, Zentrale und Betriebsgebäude des Kraftwerks Mapragg im Taminatal und die regionale Kehrichtverbrennungsanlage in Buchs SG.

Mit dem Bau der Toni-Molkerei im Jahr 1972 mit extrem kurzen Projektierungszeiten und Mangel an Fachkräften ist auch eine einschneidende persönliche Erfahrung von Bänziger verbunden: ein Burn-out, das allerdings damals noch nicht so genannt wurde. Die dreimonatige ärztlich verordnete Absenz von Büro und Beruf führte zu einer breiter aufgestellten Betriebsleitung und besser strukturierten Freizeitaktivitäten, wie der wöchentliche Ausritt mit der Offiziers-Reitgesellschaft Zürich.

Insgesamt wirkte Dialma Jakob Bänziger zwischen 1959 und 2004, seinem Rücktritt aus der Führungsverantwortung, an knapp 500 Brückenprojekten mit. Er verstand den Brückenentwurf immer als Zusammenspiel von Gestaltung und Konstruktion, zu der auch der Bauvorgang bzw. das Bauverfahren gehört. So suchte er jeweils früh den Kontakt mit Bauunternehmern und bot Hand, auch neue oder für die Schweiz ungewohnte Bauverfahren anzuwenden, wie die Vorschubrüstung in Beckenried, das Einklappen und Einbetonieren eines Stahlbogens in Hundwil oder das Einschwimmen eines riesigen Fachwerkträgers in Basel.

Brücken bauen kann auch symbolisch verstanden werden, als Prozess zur Überwindung von Hindernissen durch Annäherung unterschiedlicher Standpunkte zugunsten eines übergeordneten Ziels. Auch in dieser Hinsicht hat Bänziger Beträchtliches geleistet, als vorbildlicher, selbstbewusster, aber doch bescheidener Patron, als begeisterter Verfechter seines Berufsbilds des Bauingenieurs, aber immer neugierig auf Ansichten anderer, auch aus neu auftauchenden Disziplinen wie der Landschaftsarchitektur und den Umweltingenieurwissenschaften.

Mit dem Hinschied von Dialma Jakob Bänziger hat die Schweiz einen profilierten Brückenbauer und vorbildlichen Bauingenieur verloren. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Berufskollegen und Geschäftspartner werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

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