Die Lö­sung im rech­ten Rohr

Erneuerbares Heizen mit Absorptionswärmespeicher

Hinterher wirkt alles ganz logisch und einfach. Nur auf die Idee muss man erst einmal kommen. Wie Rohranordnungen den Unterschied ausmachen, dass ein Absorptionswärmespeicher nicht mehr nur in der Theorie funktioniert sondern sich jetzt auch in der Praxis beweist.

Publikationsdatum
31-01-2017
Revision
09-02-2017

Ein paar Millennien nach den alten Griechen ist die Idee, Wärme aus dem Sommer für den Winter zu speichern, immer noch gut. Die Technik dazu verträgt aber ein Update. Grundlegende Herausforderungen sind Speichervolumen, Wärmeverluste über die Speicherdauer und Materialkosten. Das Sorptionsverfahren (vgl. Glossar unten) verspricht zumindest bei den ersten beiden Punkten Abhilfe.

An der Empa wird schon seit 2002 an einer Speichertechnologie mit Natronlauge als flüssigem Absorptionsmedium geforscht.

Der bisherige Prototyp in einem Container bestand aus handelsüblichen Komponenten. Damit konnte das Prinzip der Sorptionsspeicherung nachgewiesen werden, die hervorragenden Werte für Temperaturhub und Energiedichte aus theoretischen Berechnungen wurden aber nicht annähernd erreicht. Die Schuldigen wurden nun identifiziert und durch erfolgreichere Kandidaten abgelöst: Es waren die Massen- und Wärmetauscher.

Der Absorptionsprozess mit Flüssigsorptionsmittel hat (im Vergleich zur Adsorption an einem festen Medium) den Vorteil, dass Speicherbehälter und Wandlereinheit getrennt – Energie und Leistung also unabhängig voneinander skaliert – werden können. Natronlauge wird industriell u. a. bei der Lebensmittelverarbeitung oder als Reinigungsmittel verwendet und ist in grossen Mengen zu tiefen Preisen erhältlich.

Im Wärmeabgabeprozess wird Wasser mittels Tieftemperaturquelle (ca. 10 °C) verdampft und von der konzentrierten Natronlauge absorbiert, wobei die Temperatur der nun wässrigen Lauge durch den Wasserphasenwechsel und zu einem geringeren Teil durch die Vermischungsentalpie ansteigt. Im Ladeprozess, auch Desorptionsprozess genannt, wird die wässrige Natronlauge mit einer Konzentration von etwa 25 Gewichtsprozenten vom Wärmetauscher erwärmt, wobei Wasser ausdampft und die Konzentration wieder auf 50 Gewichtsprozente erhöht wird. Der gewonnene Wasserdampf wird kondensiert, die Wärme der Umgebung abgegeben und konzentrierte Natronlauge und Wasser werden getrennt gespeichert. Durch diesen Prozess werden eine Energiedichte von ca. 440 kWh/m3 (vgl. Wasser bei 95 °C: 76 kWh/m3) und ein Temperaturhub von 37 K ermöglicht.

In der Praxis hat sich dieser Prozess als Herausforderung erwiesen. Im Idealfall sollte die Natronlauge den Wärmetauscher vollflächig dünn benetzen. Die hohe Viskosität der Lauge bei Konzentrationen von 25–50 % hat jedoch zu verringertem Wärme- und Absorptionskontakt geführt. Dabei wurde kaum Wasserdampf absorbiert (Input = 46 wt%, Output = 45 wt%), folglich auch kaum ein Temperaturhub erreicht und schliesslich nur ein Bruchteil der theoretischen Energiedichte erlangt. Zur Lösung brauchte es neue, auf die Anwendung abgestimmte Massen- und Wärmetauscher.

An der Empa wurden Alternativen erforscht. Statt dem alten Aufbau mit horizontal eingebauten Rohrbündelwärmetauschern hat die Laboranlage nun senkrecht montierte Spiralwärmetauscher mit Rohrrippen. Das Resultat ist höchst erfreulich. Im Rohrbündelaufbau hat sich die Natronlauge in grosse Tropfen gruppiert und ist rasch von oben nach unten gefallen. Es fehlte Zeit zur Wasserdampfabsorption und Wärmeabgabe.

Der neue Spiralwärmetauscher verhindert ein Durchfallen. Die Natronlauge fliesst entlang der Spirale nach unten, was den Prozess von etwa fünf Sekunden auf zwölf Minuten verlängert. Durch die erhöhte Verweildauer der Natronlauge im Wasserdampf ist ein kontinuierlicher Absorptionsprozess möglich, und durch das langsame Fliessen der Lauge entlang der spiralförmigen Rippe entstehen trotz der hohen Viskosität ein dünner Film und somit eine grosse Absorptionsoberfläche. Die Natronlauge kann somit wie vorgesehen im Absorptionsprozess von 50 auf 25 Gewichtsprozent verdünnt und im Desorptionsverfahren wieder auf 50 Gewichtspriozent konzentriert werden. Auch der erreichte Temperaturhub von 35 K ist nah am theoretischen Wert.

Das neue Massen- und Wärmetauscherkonzept wird nun im Rahmen des Swiss Competence Centers Heat and Electricity Storage (SCCER) und des International Energy Agency Solar Heating and Cooling Tasks 58 weiter erforscht und insbesondere punkto Leistungsdichte optimiert. In den nächsten zwei Jahren soll auf der Forschungsplattform NEST eine Demonstrationsanlage aufgebaut und getestet werden. Die Forschenden wollen die Zusammenarbeit mit der Industrie vorantreiben und die Technologie zu einer marktfähigen kompakten Hausanlage weiterentwickeln.


Glossar
 

Thermochemische Speicher: speichern Wärme durch endotherme Reaktionen und geben sie durch exotherme Reak­tionen wieder ab. Es wird keine sensible (spürbare) Wärme gespeichert.

Absorptionswärmespeicher: Unterklasse der thermochemischen Speicher, basiert auf dem Absorptionsverfahren.

Sorption: Sammelbezeichnung für Prozesse, die zu einer Anreicherung eines Stoffs innerhalb einer Phase (Absorption = Einlagerung) oder auf einer Grenzfläche zwischen zwei Phasen (Adsorption = Anlagerung) führen.

Absorption: Prozess der Anreicherung innerhalb einer Phase. Im beschriebenen Fall wird Wasser von Natronlauge absorbiert. Dabei sinkt die Laugenkonzentration zu einer wässrigen, «armen» Lösung.

Desorption: Umkehrprozess der Absorption oder Adsorption. Im beschriebenen Fall wird Wasserdampf thermisch aus der Natronlauge ausgetrieben. Dabei steigt die Laugenkonzentration zu einer reichen Lösung.

Absorbent: absorbierendes Medium, nimmt Absorbat auf; im beschriebenen Fall konzentrierte Natronlauge.

Absorbat: absorbiertes Medium, wird in den Absorbent eingelagert; im beschriebenen Fall Wasser.

Absorptionsmedium: Absorbent und Absorbat gemischt; im beschriebenen Fall wässrige Natronlauge.

Natronlauge: Lösungen von Natriumhydroxid (NaOH) in Wasser. Natronlauge ist stark alkalisch.

Wasserdampfatmosphäre: abgeschlossenes System, in dem sich ausschliesslich gasförmiger Wasserdampf befindet.

Absorber: Anlageneinheit, in der das Absorbat in den Absorbent eingelagert wird, wobei Wärme freigegeben wird.

Desorber: Anlageneinheit, in der das Absorbat aus dem Absorbent mittels zugeführter Wärme ausgetrieben (desorbiert) wird.

Kondensator: Anlageneinheit, in der Wasserdampf mittels Abgabe der Verdampfungswärme verflüssigt wird.

Verdampfer: Anlageneinheit, in der flüssiges Wasser mittels Aufnahme der Verdampfungswärme verdampft wird.

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