Lang­zeit­lö­sung

Chemische Speicher

Die Sorptionswärmespeicherung, eine Unterklasse der thermochemischen Speicherung, verhindert Verluste während der Speicherdauer. Sie ist eine gute Wahl für grosse Zeiträume. Ein Team der Empa und der Hochschule Rapperswil erforscht, wie dieser Ansatz praktisch umgesetzt werden kann.

Publikationsdatum
20-11-2015
Revision
27-11-2015

Thermochemische Speicher basierend auf dem Sorptionsprinzip haben das Potenzial zu einer hohen Energiedichte von bis zu 400 kWh/m3. Sie leiden nicht unter stetigem Wärmeverlust und haben eine deutlich höhere Formfreiheit als herkömmliche Wasserspeicher. Mögliche Einsatzbereiche beinhalten Ein- bis Mehrfamilien­häuser, aber auch ganze Areale, Wärmenetze und Energy Hubs. Dabei entsteht die Möglichkeit, einen solaren Deckungsgrad für Raumwärme und Brauchwarmwasser von bis zu 100 % zu erreichen. Der Speicherstandort im Wohngebäude oder auch ausserhalb in einem separaten Gebäude oder Keller ist frei wählbar. 

An der Empa (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt in Dübendorf) wird seit 2002 an der Forschung und Entwicklung der absorptions­basierten Wärmespeicherung gearbeitet. In der Absorptionswärmespeicherung wird Energie im flüssigen Absorptionsmedium mittels thermischer Trennung von Absorbent und Absorbat gespeichert.1,2 Dabei wird die Energie nicht als sensible Wärme gespeichert, sondern als ein Potenzial, mit dem Wärme zurückgewonnen wird. Anhand der Abbildungen auf der nächsten Seite soll das Funktionsprinzip visualisiert werden.

Das Verfahren funktioniert ähnlich wie eine Absorptionswärme­pumpe, ergänzt aber durch das Speichern des flüssigen Sorp­tionsmediums im getrennten (geladenen) und kombinierten (entladenen) Zustand.3 Das an der Empa verwendete Absorptionsmedium ist flüssige Natronlauge, das Absorbat ist Wasser. Diese Art Speicher benötigt keine thermische Isolation, da keine sensible Wärme gespeichert wird. Verluste entstehen lediglich beim Lade- und Entladevorgang. Somit zeigt dieses Verfahren ein hohes Potenzial für saisonale Wärmespeicherung. Der Lade- und Entladeprozess findet in einem geschlossenen Behälter unter Wasserdampfatmosphäre bei einem Druck unterhalb des Umgebungsdrucks statt.

Ein grosser Vorteil bei Absorptionsverfahren mit flüssigen Medien ist die Möglichkeit, diese zu pumpen. So sind Speicher und Lade- und Entladeeinheit unabhängig und können örtlich getrennt werden. Daraus folgt, dass auch Leistung und Speicherkapazität voneinander unabhängig sind; eine Kapazitätssteigerung benötigt lediglich weitere Speichertanks.

Nicht vernachlässigt werden dürfen die Abhängigkeiten der vom Absorptionsspeicher abgegebenen Temperatur und der Speicherwärmekapazität vom ­Systemumfeld.4 Beeinflussende Parameter sind die ­Natronlaugenkonzentration im geladenen Zustand, die Verdampfungstemperatur und die Temperatur des aufzuheizenden Heizwassers (z. B. Heizungsrücklauf). 

Die erreichbare Entladetemperatur wird durch die Konzentration der Natronlauge und die Verdampfungstemperatur bestimmt. Aus dem Diagramm in der ­Abbildung rechts unten ist ersichtlich, dass die zu erwartende Entladetemperatur von der Verdampfungstemperatur (TEout), abhängig ist. So ist z. B. bei einer Verdampfungstemperatur von 10 °C und einer Laugenkonzentration von 50 % Natronhydroxid mit einer maximalen Entladetemperatur von 48 °C zu rechnen.

Daraus kann abgeleitet werden, dass bei einer Laugenkonzentration von 50 % ein Temperaturhub von maximal 38 K erreicht werden kann. Da die Natronlauge bei Konzentrationen oberhalb von 50 % bei Raumtemperatur stark zur Kristallisation neigt5, werden höhere Konzentrationen vermieden.

So gut wie fünf Wasserspeicher 

Die Speicherkapazität ist direkt abhängig von der Differenz der Natronlaugenkonzentration im geladenen bzw. entladenen Zustand. Die Energiedichte steigt, je stärker die Lauge beim Entladeprozess verdünnt werden kann. Der Verdünnungsgrad wiederum ist abhängig von der Temperaturdifferenz zwischen der Verdampfungstemperatur (TEout) und der Entladetemperatur (z. B. vom Heizungsrücklauf). Liegt diese Temperaturdifferenz bei etwa 8 K, so kann die Lauge bis auf 25 % Natronhydroxid-Konzentration verdünnt werden.

Bei ansteigender Temperaturdifferenz sinkt der Verdünnungsgrad und somit auch die Speicherkapazität. Bei der Verdünnung auf 25 % wird eine Energiedichte, bezogen auf das Volumen der verdünnten Lauge, von etwa 440 kWh/m3 erreicht. Das ist etwa der fünffache Energiegehalt von Wasser bei 95 °C. Es muss aber berücksichtigt werden, dass diese Angaben sich rein auf das Speichermedium beziehen und kein Volumen, das für Systemkomponenten benötigt wird, beinhalten. Die Energiedichte bezogen auf den real benötigten Raum ist dadurch um etwa 1/8 geringer.

Der Prototyp ist auch etwas sensibel 

In Zusammenarbeit mit dem Institut für Solartechnik der Hochschule Rapperswil (HSR) wird an der Empa die Entwicklung solcher Speicheranlagen und deren Komponenten vorangetrieben. Dazu haben die Partner im Rahmen eines vom EU FP76 finanzierten Forschungsprojekts eine Prototypanlage gebaut. Die Fotos auf der nächsten Seite zeigen diese Anlage. Dabei wird ein Hybridsys­temansatz verfolgt. Die Anlage verfügt über herkömmliche, sensible Warmwasserspeicher für die Tagesspeicherung und ein Sorptionsspeichersystem für die saisonale Speicherung.

Der Tagesspeicher ermöglicht eine hohe Effizienz beim Laden und Entladen, hat aber auch hohe Verluste über die Speicherdauer. Der Sorp­tionsspeicher dagegen zeigt erhöhte Umwandlungsverluste wegen des Temperaturabfalls vom Lade- zum Entladeprozess, dafür entstehen keine Verluste während der Speicherdauer. Der momentane Betriebsansatz ist folgender: Beim Ladevorgang wird immer zuerst der Tagesspeicher geladen. Überschüssige Wärme wird an den Sorptionswärmespeicher abgegeben. Zur Überbrückung von sonnenarmen Perioden wird auf den Sorptionswärmespeicher zurückgegriffen. 

Eine technische Herausforderung bei der Entwicklung vom Sorptionsspeicher liegt in den hohen Anforderungen an die eingesetzten Komponenten und Werkstoffe. Weil sie in Kontakt mit hoch konzentrierter Natronlauge, einem stark ätzenden Medium, kommen, müssen sie chemisch stabil sein, und das bei Druckverhältnissen von 10 mbar bis 100 mbar absolut. Speziell auch der Absorptionsprozess als solcher (Wärmerückgewinnungsprozess) bietet grosse Herausforderungen.

Die Absorption von Wasserdampf durch die Natronlauge findet gleichzeitig mit dem Wärmeabtransport (Erwärmen von Heizungswasser durch die warme Lauge) statt. Um eine hohe Effizienz zu erreichen, wird eine möglichst dünne, aber trotzdem gut deckende Laugenschicht auf dem Wärmetauscher angestrebt. 

Die Sorptionswärmespeicherung hat das Potenzial für eine deutlich verbesserte Langzeitwärmespeicherung. In der aufgebauten Testanlage wird dieses Potenzial nun quantifiziert. Dabei werden die erreichbare Energiedichte, die Temperatur und die Energiebereitstellung der Absorptionsanlage getestet. Nächstes Ziel ist es, das optimale Zusammenspiel im Hybridsystem zu finden. 

 

Anmerkungen

1 Edem N’Tsoukpoe K. et al.: A review on long-term sorption solar energy storage, Renewable and Sustainable Energy Reviews. 13 (2009) 2385–2396.
2 Hadorn J. C. et al.: Thermal energy storage for solar and low energy buildings – State of the art. IEA SHC Task 32 ISBN: 84-8409-877-X, 200
3 Weber R., Dorer V.: Long-term heat storage with NaOH. Vacuum 82 (2007), 708-716.
4 Fumey B., Weber R., Gantenbein P., Daguenet-Frick X., Hughes I., Dorer V.: Limitations imposed on energy density of sorption materials in seasonal thermal storage system. SHC 2014. 
5 Liquid Caustic Soda – Solubility. PCH-1110-0007-W-EN, Solvay Chemicals International, Issue 1 October 2005. 
6 Seventh Framework Programme for Research, Programm der EU zur Förderung von Forschung und Entwicklung, Laufzeit 2007–2013


Weitere am Text beteiligte Autoren:
Robert Weber, Empa, Urban Energy Systems Lab, Wissenschaftlicher Mit­arbeiter; Sascha Stoller, Empa, NEST, Technischer Mitarbeiter; Reto Fricker, Empa, NEST, Technischer Mitarbeiter; Paul Gantenbein, Hochschule Rapperswil, Wissenschaftlicher Mitarbeiter; Xavier Daguenet-Frick, Hochschule Rapperswil, Wissenschaftlicher Mitarbeiter


Glossar

 
Thermochemische Speicher: speichern Wärme durch endotherme Reaktionen und geben sie durch exotherme Reak­tionen wieder ab. Es wird keine sensible (spürbare) Wärme gespeichert.
Absorptionswärmespeicher: Unterklasse der thermochemischen Speicher, basiert auf dem Absorptionsverfahren.
Sorption: ist eine Sammelbezeichnung für Prozesse, die zu einer Anreicherung eines Stoffs innerhalb einer Phase (Absorption = Einlagerung) oder auf einer Grenzfläche zwischen zwei Phasen (Adsorption = Anlagerung) führen. 
Absorption: Prozess der Anreicherung innerhalb einer Phase. Im beschriebenen Fall wird Wasser von Natronlauge absorbiert. Dabei sinkt die Laugenkonzentration zu einer wässrigen alias armen Lösung.
Desorption: Umkehrprozess der Absorption oder Adsorption. Im beschriebenen Fall wird Wasserdampf thermisch aus der Natronlauge ausgetrieben. Dabei steigt die Laugenkonzentration zu einer reichen Lösung.
Absorbent: absorbierendes Medium, nimmt Absorbat auf. Im beschriebenen Fall konzentrierte Natronlauge.
Absorbat: absorbiertes Medium, wird in den Absorbent eingelagert. Im beschriebenen Fall Wasser.
Absorptionsmedium: Absorbent und Absorbat gemischt. Im beschriebenen Fall wässrige Natronlauge. 
Natronlauge: bezeichnet Lösungen von Natriumhydroxid (NaOH) in Wasser. Natronlauge ist stark alkalisch.
Wasserdampfatmosphäre: abgeschlossenes System, in dem sich ausschliesslich gasförmiger Wasserdampf befindet. 
Absorber: Anlageneinheit, in der das Absorbat in den Absorbent eingelagert wird, wobei Wärme freigegeben wird.
Desorber: Anlageneinheit, in der das Absorbat aus dem Absorbent mittels zugeführter Wärme ausgetrieben (desorbiert) wird.
Kondensator: Anlageneinheit, in der Wasserdampf mittels Abgabe der Verdampfungswärme verflüssigt wird.
Verdampfer: Anlageneinheit, in der flüssiges Wasser mittels Aufnahme der Verdampfungswärme verdampft wird.

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