Der Teu­fel steckt im De­tail

Aus der Baupraxis

Welche Schwachstellen können aus der günstigen Konstruktion einen teuren ­Schadensfall machen? Ein Fachmann für VAWD teilt seine Erfahrungen.

Publikationsdatum
29-12-2014
Revision
18-10-2015

Gemeint ist immer dasselbe, doch gibt  es eine Reihe von Begriffen: In der Schweiz gebräuchlich sind verputzte Aussenwärmedämmung (VAWD) und Kompaktfassade; in Österreich spricht man vom Vollwärmeschutz. Wärmedämmverbundsystem (WDVS) ist die übliche Bezeichnung seitens Industrie und in Deutschland verbreitet. Woraus besteht, was so viele Namen trägt 

Die verputzte Aussenwärmedämmung ist ein System aus mehreren aufeinander abgestimmten Komponenten, die in den Zulassungen und Richt­linien der Hersteller definiert und somit nicht frei kombinierbar sind. Häufig verwendete Dämmmaterialien sind expandierter Polystyrolhartschaum (EPS), Polyurethanhartschaum (PUR) bzw. Poly­isocyanurathartschaum (PIR) sowie Steinwolle. In grossformatigen Platten werden sie auf die Aussenwand geklebt und, wenn nötig, zusätzlich mit Thermodübeln befestigt. Taugt der Untergrund nicht zum Kleben, kommt ein Schienensystem zum Einsatz. Häufigste Oberfläche ist der Putz; Alternativen sind zum Beispiel keramische Beläge, Feinsteinzeug und Glasmosaik.

Was spricht dafür 

Jährlich werden in der Schweiz etwa 4.5 Mio. m2 verbaut, was etwa 500 m2 pro Stunde entspricht. Das entscheidende Argument zum massenhaften Einsatz der VAWD ist ihr niedriger Preis. Im Neubau liegt er zum Beispiel für ein Standardsystem mit 180 mm EPS, inklusive Laibungen und Stürze, bei etwa 200 Franken pro m2. Nichtsdestotrotz gilt: An der Qualität der Gebäudehülle sollte nicht gespart werden. Denn eine Studie1 hat ergeben, dass mit etwa 26% der mit Abstand grösste Teil der Bauschäden insgesamt an der Aussenwand auftritt – einem komplexen, von vielen Arbeitsgattungen gemeinsam erstellten Gebäudeteil.

Die Konstruktionsstärke der VAWD ist relativ niedrig: Mit einem Wandaufbau von 375 mm kann ein guter U-Wert von etwa 0.14 W/m2K erzielt werden. Ein zweischaliges Mauerwerk braucht 470 mm für einen vergleichbaren Wert. Fachgerecht verarbeitete Systeme haben eine gute Haltbarkeit von etwa 25 Jahren, bis Anstrich oder Putzaufbau erneuert werden müssen. Sie können gegebenenfalls überdämmt werden. Dafür wird die Putzschicht entfernt, die Verklebung der Dämmplatten geprüft; anschliessend können zusätzliche Platten aufgebracht werden. Auf diese Weise lassen sich Entsorgungskosten und Materialaufwand sparen.

Die VAWD hat sich besonders in den vergangenen zehn Jahren stark weiterentwickelt: Dank besserer Dämmfähigkeiten haben sich die Materialstärken etwas verringert. Halbfabrikate ermöglichen eine präzisere Ausführung von Details wie Fensterstürzen und Sockel­elementen, als es auf der Baustelle möglich wäre. Spezielle Montagesysteme verhindern Wärmebrücken bei Absturzsicherungen und Geländern oder werden als Elektroträger verwendet. Als Grundlagen und Empfehlungen für die VAWD gelten derzeit die SIA-Normen 243 und 118/243 von 2008. Nur die Ausführungsvorschriften der Hersteller enthalten die seitdem neu gewonnenen Erkenntnisse – und sind deshalb vorrangig gültig.

Heikle Details

Die Verarbeitung der Systeme ist sehr komplex geworden und erfordert Fachwissen. Die VAWD haben qualitativ hochwertige Komponenten und bleiben nach fach­gerechter Verarbeitung in der Regel schadenfrei. Schätzungsweise 98% der Bauschäden gehen auf Planungs- und Ausführungsfehler zurück, nicht auf mangelhafte Produkte. Bereits kleine Fehler können erhebliche ­Schäden verursachen: Versäumt man zum Beispiel den schlagregendichten Anschluss einer Fensterbank, können die resultierenden Feuchteschäden den Rückbau der kompletten Fassade erzwingen.

Besonders an den Schnittstellen der Gewerke passieren oft Fehler, etwa an den Anschlüssen der ­Fassade zum Dach und Terrain oder wenn andere Ober­flächen als Putz verwendet werden. Hier ist eine gute Zusammenarbeit der Gewerke wichtig.

Sehr oft zu Problemen führen Metallzargen anstelle verputzter Laibungen. Diese Konstruktion ist heikel und verlangt einen beachtlichen Instandhaltungsaufwand. Werden die Kittfugen an den Zargen nicht ausreichend gewartet, dringt Wasser direkt ins System. Durchnässt ist die Dämmung kaum noch gebrauchstauglich. Feuchteschäden zeigen sich an der Oberfläche durch Abplatzungen und Blasenbildung im Putzsystem. Ebenfalls sehr häufig sind Schäden in den Sockelzonen, obwohl sie mit einfachen Massnahmen zu verhindern sind: Sockel­bleche aus Chromstahl oder ­Glasfaserbetonsockel trennen das Putzsystem von der ­wasserführenden Ebene beim Terrain- oder Terrassen­anschluss. Auf den Putz darf keine lang anhaltende Staunässe einwirken. Die Feuchtebelastung durch Regen oder Tauwasser ist jedoch unproblematisch.

Eine Herausforderung für die Verarbeiter auf der Baustelle ist die zunehmende Materialstärke der Dämmplatten: Heute werden bis zu 400 mm einlagig verbaut. Bei Stärken über 200 mm wird es schwierig, die Platten sauber zu stossen. Zusätzlich ist das material- und beanspruchungsbedingte Verformungsverhalten des Dämmstoffs zu berücksichtigen. Um Fugen zu vermeiden, kann man die Platten entweder zweilagig montieren, oder man verwendet Produkte mit speziell dafür entwickelter Kantengeometrie, zum Beispiel ­Progress-, Autolock- oder Thermolock-Platten. Bauherrschaften beanstanden häufig die Ausführung der Putz­oberflächen und vergessen dabei, dass es sich um ein Handwerk, nicht um maschinelle Fertigung handelt. Um nachträglichen Konflikten vorzubeugen, sollte die ausführende Firma Musterflächen erstellen.

Instandhaltung ist unerlässlich

Gemäss SIA-Norm 118/243 ist die Bauherrschaft verpflichtet, ihre Fassade instandzuhalten. Dafür muss sie vom ausführenden Unternehmer eine objektspezifische Instandhaltungsanleitung bekommen – was in der Praxis leider kaum geschieht. Um Folgeschäden durch Ausführungsfehler zu verhindern, kann man die Fassade von einer Fachperson ­regelmässig überprüfen lassen. Die «Instandhaltungsanleitung: Beschichtungen und Verputze auf Fassaden und Aussenwärmedämmungen»2 informiert über sinnvolle Kontrollintervalle.

Das grösste Verbesserungspotenzial liegt in der Ausführungsqualität – sie muss sich bessern, soll auch das Image der VAWD Aufwind bekommen. Denn die Systeme können nur so gut sein, wie sie verarbeitet werden. Dabei helfen klare Richtlinien zu Standard­details und Ausführungsqualität; für die Verarbeiter muss es ein umfassendes Ausbildungsangebot geben. 

Anmerkungen

  1. Oliver Kriebus: Baumängel im Schweizer Wohnungsbau – Eine Ursachenanalyse auf Ebene der Entscheidungsträger, Dissertation, ETH Zürich, 2013.
  2. Verfasst vom Schweizerischen Maler- und Gipsermeisterverband, 2008, erhältlich beim Fachverlag SMGV, fachverlag [at] smgv.ch (fachverlag[at]smgv[dot]ch)

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