«Die Si­tua­ti­on er­mög­licht uns, spon­tan neue Din­ge aus­zu­pro­bie­ren»

Wie gehen junge und kleine Architekturbüros mit der aktuellen Lage um? Micha Weber von Weber Weber Architekten schildert seine Erfahrungen aus den vergangenen Wochen.

Publikationsdatum
16-04-2020

Espazium: Herr Weber, wie erleben Sie die derzeitige Situation – wie ist die Stimmung im Büro?

Micha Weber: Die Nachricht über den Shutdown hat uns just während der Betriebsferien erreicht. Somit hatten wir vergleichsweise viel Zeit, um uns auf die veränderte Situation einzustellen. Es wäre zwar durchaus vorstellbar gewesen, als Zweimannbetrieb weiterhin in unseren Büroräumlichkeiten zu arbeiten. Wir haben uns aber wegen der Anreisen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und den Kontakten zu den übrigen Mietern im Bürohaus dagegen entschieden. Nun arbeiten wir seit gut drei Wochen im Homeoffice. Und das funktioniert erstaunlich gut. Bürointern tauschen wir uns meist per Telefon aus. Zur Besprechung von Unterlagen oder für Treffen mit Projektpartnern und Auftraggebern nutzen wir entsprechende Videokonferenztools.

Die Stimmung im Büro ist gut, wenn auch nicht direkt messbar. Lediglich der zwischenmenschliche Austausch übers Berufliche hinaus kommt meiner Meinung nach ein wenig zu kurz. Auch ist man beruflich eher auf sich allein gestellt.
 

Können Sie unverändert an Ihren Projekten weiterarbeiten?

Unsere Projekte laufen wie zuvor weiter. Wir konnten dieser Tage gar ein im Bau befindliches Projekt abschliessen und eine neue Baustelle in Angriff nehmen. Ich als planender Architekt spüre kaum Veränderungen bei meiner täglichen Arbeit. Anders ist das wohl für unmittelbar in der Ausführung tätige Kollegen.

Wir nehmen einzig wahr, dass Behördenvorgänge derzeit etwas länger dauern als üblich. Auch sind nicht alle Planungspartner im Homeoffice gleich gut eingerichtet. Manchmal ist es trotz allem unumgänglich, Unterlagen auf dem Postweg auszutauschen, was halt entsprechend mehr Zeit benötigt.
 

Welche längerfristigen Folgen könnte die Krise für Ihr Büro haben?

Das ist schwierig abzuschätzen, da wir punkto Auftragslage und Organisation unserer Firma aktuell kaum etwas spüren. Längerfristig vermute ich, dass die Bauwirtschaft allgemein von den Folgen der wirtschaftlichen Krise betroffen sein wird. Ich bin aber auch zuversichtlich, dass die Branche hierzulande einen Dämpfer verschmerzen kann.
 

Welche mutmasslich positiven Auswirkungen erwarten Sie?

Die Situation ermöglicht uns, relativ spontan neue Dinge auszuprobieren. Ich denke da vor allem an digitale Arbeitsmittel und die Optimierung von Arbeitsabläufen. Beispielsweise entwickeln wir in unserem Büro sehr oft Ideen durch das Sammeln von Bildern, Materialien, Skizzen etc. an einer Pinnwand. Da wir nun nicht mehr vor Ort arbeiten, sind wir auf eine digitale Alternative ausgewichen. Das ist grossartig: Man hat damit eine Plattform, um auch von unterwegs solcherlei Dinge hochzuladen und interaktiv mit allen Beteiligten auszutauschen. Das nutzen wir nun auch in der Zusammenarbeit mit Planungspartnern.

Ausserdem denke ich, aktuell lernt jeder von uns gezwungenermassen, sich für die Arbeit von zu Hause aus zu organisieren. Ich bevorzuge zwar die Strukturen des konventionellen Arbeitsalltags und den direkten Austausch mit den Kollegen und Auftraggebern, schätze aber mittlerweile auch die Vorzüge des mobilen Arbeitens mit der flexiblen Einteilung von privaten und beruflichen Tätigkeiten. In Abwägung der Vor- und Nachteile kann ich mir derzeit gut vorstellen, auch nach der Rückkehr in den Normalzustand ab und an einen Tag im Homeoffice zu arbeiten.

Welche Unterstützung erwarten Sie von Berufsverbänden oder der öffentlichen Hand?

Wir kommen eigentlich gut zurecht. Wir haben einen externen Berater, der uns in verschiedenen administrativen Belangen unterstützt. Da er mehrheitlich für kleinere Architekturbüros tätig ist, hat er immer wieder mit Rundschreiben über die spezifisch für uns relevanten Sachverhalte informiert. Gleichzeitig haben wir von Seiten der Berufsverbände relativ wenig wahrgenommen. Das finde ich ein wenig schade – denn gerade in solchen Zeiten stellen sich ja übergeordnete Fragen, die für eine gesamte Branche von Bedeutung sind und durch einen Berufsverband aufgearbeitet werden könnten.
 

Gelingt Ihnen die Bewältigung der Krise als junges und kleines Büro allenfalls besser als einem grossen Unternehmen?

Ich denke, als kleines Büro können wir uns relativ unkompliziert auf neue Rahmenbedingungen einstellen. Wir müssen nicht von heute auf morgen neue Arbeitsbedingungen für mehrere Duzend Mitarbeiter schaffen. So haben wir z.B. eine sehr schlanke IT-Infrastruktur, die wir eigenhändig an unsere individuellen Bedürfnisse anpassen können.

Und auch wenn wir selbst punkto Digitalfertigkeiten wohl längst nicht mehr der gewandtesten Generation angehören, finden wir uns schnell in der Anwendung neuer Hilfsmittel zurecht. Zusammenfassend würde ich sagen, wir können mit vergleichsweise hoher Flexibilität auf veränderte Umstände reagieren.

 

Zur Person:

Micha Weber ist Architekt MSc ETH und Co-Geschäftsführer der Weber Weber Architekten GmbH.

Projektauswahl Weber Weber Architekten:

  • Neubau Dreifamilienhaus in Birmensdorf
  • Um- und Neubau Wohnungen in Uitikon Waldegg
  • Umbau ehemaliges Postgebäude zu einem Kindergarten in Hunzenschwil (ARGE mit Schmid Schärer Architekten)

 

Baukultur in Zeiten von Covid-19

Die Krise, die wir derzeit erleben, trifft alle Planerinnen und Planer. Wie bewältigen sie die wirtschaftlichen und juristischen Schwierigkeiten, die die Pandemie mit sich bringt? Was sind die Auswirkungen auf die Schweizer Baukultur? Antworten von Baufachleuten, Links und Informationen versammeln wir im E-Dossier «Covid-19» – als Austauschplattform und als Hilfe in unsicheren Zeiten.

 

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