BIM: Zwi­schen Pro­gram­mie­ren und Kon­stru­ie­ren

Ein BIM-Pilot für die Betriebs- und Sicherheitsausrüstung begleitet die ­konventionelle Planung des neuen Tunnels Bypass Luzern. Technisch ist die Baubranche auf gutem Weg. Bis sich BIM im ­Planungsprozess etabliert hat, dauert es wahrscheinlich noch.

Publikationsdatum
06-06-2019

Es hat sich viel getan in den letzten zehn Jahren. BSA- und Baufachleute haben sich angenähert. «Das Verständnis für die jeweils andere Disziplin, für deren Anforderungen und Bedürfnisse ist in der Projektarbeit deutlich gestiegen», sagt Christian Eugster, Leiter Versorgungstechnik bei Basler & Hofmann. BIM als Motivation für eine bessere Kommunikation war also nicht der primäre Grund, ein Pilotprojekt für die Verkehrstechnik zu lancieren.

Für Teile des neuen Tunnels Bypass Luzern erarbeitete Basler & Hofmann im Rahmen eines internen Pilotprojekts parallel zur konventionellen Planung ein ­BIM-Modell.1 Christian Eugster glaubt an die BIM-Methode. «Wir müssen uns vorbereiten», sagt er. «BIM ist nicht billiger und nicht schneller, aber die Qualität steigt. Wir arbeiten mit stabilen Daten. Die Koordination zwischen den Gewerken wird einfacher, und Fehler werden insgesamt weniger.»

Luzern vom Verkehr befreien

Wie vielerorts im Schweizer Nationalstrassennetz hat auch die A2 bei Luzern ihre Kapazitätsgrenze erreicht. Um die heutige Achse vom Transitverkehr zu entlasten, wird zwischen den Anschlüssen Buchrain und Hergiswil ausgebaut.2 So soll es möglich werden, den Individualverkehr in der Stadt zu verflüssigen und den öffentlichen Verkehr zu priorisieren.

Derzeit wird das Ausführungsprojekt bearbeitet; die Projektauflage ist für Frühjahr 2020 geplant. Sobald der Genehmigungsprozess mit allen Konsequenzen abgeschlossen ist, soll rund zwölf Jahre lang gebaut werden. Beginn wäre nach heutigem Stand frühestens 2024. Aufgeteilt ist das Projekt «Gesamtsystem Bypass Luzern» in vier Baulose sowie ein Teilprojekt Umwelt und ein Teilprojekt Betriebs- und Sicherheitsausrüstung, die beide jeweils den ganzen Perimeter umfassen.

Innerhalb des Gesamtprojekts gilt der Tunnel Bypass Luzern als Kernstück. Der Neubau seiner drei Technikzentralen und Teile der Tunnelröhre werden parallel zur konventionellen Planung mit BIM modelliert. Dazu übernimmt Basler & Hofmann die Grundlagen aus der 2-D- beziehungsweise 3-D-Planung der «IG ByTuLu».

Konventionell und parametrisch

Die drei neuen Zentralen werden als statisches Modell abgebildet, d. h., die Konstruktion setzt sich aus einzelnen, informierten Elementen zusammen. Muss eine Raumaufteilung verändert werden, werden die Elemente im Modell manuell verschoben.

Bei den Tunnelabschnitten handelt es sich hingegen um ein parametrisches Modell, das sich an der Tunnelachse orientiert. Die Querschnittselemente werden mathematisch beschrieben. Die normgerechte Posi­tionierung der BSA-Elemente entlang der Achse wird pro gleichartigem Abschnitt in einer Datenbank generiert. Das heisst, alle Ausrüstungsgegenstände haben einen relativen Bezug zur Tunnelachse. Ändern sich der Tunnelquerschnitt oder die Ausrüstungselemente, wird die gesamte Anordnung neu generiert.

Gegenüber der konventionellen Planung findet die Projektierung also in einer Datenbank und nicht in einem Planungsmodell mit grafischer Oberfläche statt – es wird hauptsächlich programmiert, nicht konstruiert. Die Ausgabe eines Plans (2-D oder 3-D) wird als grafische Auswertung des Datenbankmodells verstanden. Bewerkstelligt wird die BIM-Planung mit einem Revit-Modell, die Automatisierung von sich wiederholenden Arbeitsschritten (z. B. die Anordnung der Querschnittselemente) erfolgt mittels Dynamo-Script. So entsteht eine sechsdimensionale BIM-Planung; derzeit auf Fertigstellungsgrad LoD 200/3003.

Infrastrukturprojekte haben in der Regel eine lange Projektierungszeit. Es ist auch noch nicht klar, ob und wann der Tunnel Bypass Luzern tatsächlich gebaut wird. Können die Beteiligten trotzdem schon etwas aus dem BIM-Pilotprojekt mitnehmen? «Wir konnten Erfahrungen sammeln und die Ergebnisse nun als konzep­tionelle Grundlage für andere Projekte nutzen», sagt Christian Eugster. Am Anfang sei die Planung mit BIM sehr aufwendig und zeitintensiv gewesen. Eine Umstellung für alle Beteiligten sei auch, dass Ent­scheidungen deutlich früher als im konventionellen Planungsprozess getroffen werden müssen. Sind diese Entscheidungen allerdings gut überlegt und fliessen sie rechtzeitig ins Modell ein, entsteht gegen Ende des ­Projekts weniger Aufwand als bisher.

Für Christian Eugster wird dennoch auch die Bauphase interessant sein. Dabei gehe es nicht nur darum, die Modelle zum Beispiel als Montageunterstützung einzusetzen, sondern auch um den umgekehrten Weg: die Informationen von der Baustelle zu erhalten und diese weiter zu nutzen. So sollte es laufend möglich sein, den aktuellen Arbeitsstand, Materialverbrauch etc. abzufragen und Fehler in der abschliessenden Doku­mentation zu vermeiden. Diese Vorteile gelten natürlich auch für die Bauherrschaften, die zum Beispiel ständig über den aktuellen Kostenstand und die Termin­einhaltung informiert sind.

Digitale Daten maximal nutzen

Auf die verschiedenen Bau- und Verkehrsphasen und oft vielen BSA-Provisorien bei grossen Infrastrukturprojekten angesprochen, erläutert Christian Eugster: «Wir fokussieren im Moment auf ein Objekt, um Schritt für Schritt herauszufinden, welche Daten wir brauchen und welches Vorgehen sinnvoll ist.» Zunächst ist es von Vorteil, wie im Fall Tunnel Bypass mit einem Neubau zu beginnen, da sonst bereits an erster Stelle die Frage steht, ob die bestehenden Elemente aufgenommen ­werden bzw. in welcher Tiefe sie im Modell abgebildet werden müssen. Ähnlich verhält es sich mit den wechselnden Bau- und Verkehrsphasen und den damit verbundenen Provisorien oder redundanten Systemen.

Weitere Punkte, die noch zu klären sind, sind die Einbindung der Modelle auf Objektebene in die übergeordneten Transitleitungen und die Übertragung der parametrisierten Projektdaten in die Erhaltungssysteme der Infrastruktureigentümer. Letztere sind hier gefordert.4 Sie müssen herausfinden, welche Daten sie in welcher Phase benötigen. «Die Bauherrschaften sind noch nicht so weit, dass es klare Vorgaben an die Planer gibt, das heisst, es sind weder verbindliche Programme vorgeschrieben noch die Tiefe der Datenangaben definiert», sagt Christian Eugster. Die technische Umsetzung der Zielvorgaben aus der digitalen Strategie scheint für ihn machbar zu sein, wobei generell auf die Planungsbüros grössere Herausforderungen zukommen werden, da parallel zum heutigen Mitarbeiterbestand Kompetenz im Bereich der Informatik aufgebaut werden muss. Bis sich aber ein «neuer» Planungsprozess etabliert hat, dauert es wahrscheinlich noch einige Jahre.

Anmerkungen
1 Ein offizielles BIM-Pilotprojekt wurde vom Astra erstmals beim Gotthard-Strassentunnel ausgeschrieben. Neben der konventionell erfolgenden Gesamtplanung werden eine Zentrale sowie ein 1 km langer Muster­abschnitt des Tunnels als BIM-­Objekte geplant.
2 www.bypasslu.ch
3 Fertigstellungsgrade: LoD 100 konzeptionelle Darstellung, LoD 200 Dimension und Grösse massgeblicher Bauelemente, LoD 300 ausschreibungsreife Angaben mit Spezifikationen, LoD 400 fabrikationsreife Ausführungsplanung, LoD 500 Dokumentation des ausgeführten Elements.
4 Das «BIM-Labor» des Astra führt gegenwärtig Planungstests mit verschiedenen Plattformen und Programmen durch. Der Fokus liegt dabei auf einer 3-D-BIM-Planung mit informierten Objekten. Ziel ist, Erfahrungswerte zu sammeln und parametrisierte Projektdaten für eine spätere Übernahme in die eigenen Erhaltungssysteme zu strukturieren.

Bauherrschaft
Bundesamt für Strassen, Infrastrukturfiliale, Zofingen

Bauplanung
IG ByTuLu: Lombardi, Luzern; Amberg Engineering, Regensdorf;
Emch + Berger WSB, ­Emmenbrücke

BSA-Planung
INGE 3B

Planung BSA-Gewerke
BG Ingenieure und Berater, Bern

Planung BSA-Gewerke und BIM-Koordination
Basler & Hofmann, Esslingen

Subplaner, Planung Lüftung
HBI Haerter, Zürich

Verwandte Beiträge