BIM für den Ber­gü­ner­stein­tun­nel

Im Bergünersteintunnel im Kanton Graubünden kommt BIM im Infrastrukturbau zum Einsatz. Ein Praxisbericht über para­metrische Modellierung, optimierte Vermessung und die papierlose Baustelle.

Publikationsdatum
29-10-2020

Der 1903 in Betrieb genommene, 409 m lange Bergünersteintunnel liegt auf der Linie von Chur nach St. Moritz im Streckenabschnitt zwischen Stuls und Bergün. Die meisten Tunnel der Rhätischen Bahn (RhB) wurden Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut. Anpassungen an moderne Standards machen in den kommenden Jahren eine Instandsetzung respektive ­Erneuerung von rund der Hälfte aller ­Tunnel der RhB nötig. Um diesen Prozess sicher, qualitativ hochwertig und gleich­zeitig kosteneffizient zu gestalten, wurde das Bauverfahren «Normalbauweise Tunnel» entwickelt. Kernelemente der Normalbauweise sind die Aufweitung für ein regelkonformes Lichtraumprofil und der vollständige Ersatz des Gewölbes durch Betonfertigelemente. Zudem wird eine durchgehende Bodenplatte mit einer tief ­liegenden Entwässerung verlegt, und die Sicherheitsstandards werden erhöht.

Die «Normalbauweise Tunnel» eignet sich für eine parametrische Modellierung mittels BIM, da sie über viele vor­definierte Elemente verfügt. Sie können präzise in der Software Revit aufgebaut und anschliessend mit einem eigens dafür programmierten Skript entlang der jeweils gültigen Achse platziert werden.

Keine gedruckten Pläne auf der Baustelle

Die ausführende Unternehmung Rhomberg Bahntechnik mit ihrem Planer Amberg Engineering und dem Ingenieurunternehmen Donatsch + Partner erkannte früh die Eignung dieses Tunnelprojekts für die parametrische Modellierung. Mit dem Einverständnis der Bauherrschaft wurde die Ausführungsprojektierung auf Basis eines 3-D-Modells in Angriff genommen. Die Planung der Sohle oblag voll­umfänglich der Rhomberg Bahntechnik, die damit eine Unternehmervariante umsetzte.

Als schweizweites Novum auf Tunnel­baustellen wurden die Unterlagen für die Sohlelemente nicht mehr in Papierform auf die Baustelle geliefert. Stattdessen wurde seitens Baustelle und vor allem seitens Geomatik auf das Modell zurückgegriffen. Die Erfahrungen sind durchwegs positiv. «Auf einer Tunnelbaustelle ist ­jeder gedruckte Plan ein Plan zu viel. Nässe, Dreck und schlechte Beleuchtung ­machen das Arbeiten mit Papier mühsam. Ein Rugged-Case-Tablet war hierfür ideal», sagt Fadri Jecklin, Geomatiker bei Donatsch + Partner. «Das Modell wurde laufend mit den Absteckungsdaten sowie den Protokollen über Stationierungen im Tunnel aktualisiert und mit der Cloud synchronisiert. So waren die Daten immer und überall abrufbar.» Der Verzicht auf Pläne in Papierform ist in der Praxis problemlos umsetzbar und hat den grossen Vorteil der Aktualität – bei einer Planänderung muss man nicht erst aufwendig neue Pläne erstellen, drucken und verschicken. Änderungen können direkt auf der Projektplattform angefragt werden.

Das parametrische Modell sorgt für Verständnis und erhöht die Effizienz

Stärken in der Effizienz und Schnelligkeit in Bezug auf Anpassungen spielt das pa­rametrische Modell besonders bei Veränderungen von Grundlagendaten aus. So lassen sich Anpassungen an den verwendeten Achsen, die entsprechende Veränderungen am ganzen Ausbruch, an der ­Sicherung sowie am Innenausbau nach sich ziehen, wesentlich schneller umsetzen. Die Rechenleistung der heutigen IT-Hardware trägt ihren Teil dazu bei. Die manuelle Anpassung des Projekts wäre mit einem weitaus höheren zeitlichen Aufwand verbunden gewesen.

Über ein digitales Modell zu verfügen, das unmittelbar am Bildschirm im Baubüro oder am Tablet im Tunnel abgerufen werden kann, trägt enorm zum Verständnis aller Beteiligten bei. Bauabläufe, Zusammenhänge sowie kritische Punkte wie die ­korrekte Überhöhung auf den Gleistragplatten oder die Verkippung der Innenverkleidung können räumlich und detailliert aufgezeigt werden. «Es war spannend zu sehen, wie dank dem Modell alle Beteiligten in kurzer Zeit ein einheitliches Verständnis für die jeweilige Bauphase erlangten. Das war für den Fortschritt des Projekts ein wichtiger Baustein», sagt Thomas Mäser von Rhomberg Bahntechnik.

Mit BIM die Geomatik-Aufgaben optimieren

Im Bergünersteintunnel wurde auch die Vermessung und Absteckung mithilfe des parametrischen Modells umgesetzt. Dies hat den Vorteil, nicht auf vorgängig berechnete Punkte angewiesen zu sein, sondern beliebig Kanten, Eckpunkte, Ebenen und Radien selektieren und abstecken zu können. «Direkt im Modell zu arbeiten ist flexibler und intuitiver als bis anhin punktbasiert mit 2-D-Grafik», so Geoma­tiker Jecklin.

Die Soll-/Ist-Kontrolle des Baufortschritts und die Einbaukontrolle wurden auf Basis eines terrestrischen Laserscannings realisiert und dessen Punktwolke laufend mit dem parametrischen Modell in der Cloud synchronisiert.

Der Bauherr hat den Einsatz von BIM in diesem Projekt positiv aufgenommen. Die Sohle wurde 2019 fertiggestellt. Bereits in diesem Jahr geht es im Bergünersteintunnel weiter mit der Aufweitung des Tunnels und der Auskleidung mit Tübbingen. Auch diese werden vollständig mittels Modelldaten platziert.

Dieser Beitrag ist erschienen im zweiten Sonderheft «BIM –Reality Check». Viele weitere Artikel zum Thema finden sich in unserem digitalen Dossier.

Tags

Verwandte Beiträge