Be­schä­dig­te Na­tur

XXII. Triennale Milano

Zu Beginn ein Schock: Das mögliche Ende der Menschheit, die Apokalypse, verursacht durch eine Übernutzung der natürlichen Ressourcen unseres Planeten, steht als Menetekel am Beginn der XXII. Triennale Milano. Doch dann die Hoffnung: Die beunruhigende Vision führe zu möglichen Lösungen und zeige auf, was erforderlich wäre, um es künftig besser zu machen.

Publikationsdatum
28-03-2019

Anders als bei allen anderen Ausstellungen in der Triennale Milano stehen 2019 nicht die mehr oder weniger nützlichen, schicken Designentwürfe im Vordergrund, sondern der Mensch und die Natur. Paola Antonelli, Kuratorin für Architektur und Design am MoMA New York, hat diese Ausstellung mit dem Titel «Broken Nature» (Untertitel: Design takes on human survival / Design sichert das menschliche Überleben) inhaltlich gestaltet. Sie geht auf ein vom MoMA abgelehntes Projekt von 2013 zurück – eine Ablehnung, die sich gemäss Antonelli als gute Sache erwiesen hat, denn mittlerweile sei die Idee gereift.

Natur und Kultur im Verbund betrachten

Architekt Stefano Boeri seit 2018 neu ernannter Präsident der Triennale Milano, äusserte dazu wörtlich: «Zu reflektieren, wie die Menschheit, nachdem sie eine erschreckende Beschleunigung der Trends der globalen Erwärmung festgestellt hat, heute die ersten katastrophalen Auswirkungen erleidet, bedeutet nicht nur, endlich unser Bestes zu tun, um die menschgemachten Auswirkungen auf den Planeten zu reduzieren. Es bedeutet auch, eine vereinfachte Sichtweise aufzugeben, die Natur und Kultur trennt.»

Einsichten in Naturphänomene

Die Menschheit hat den Bruch mit der Natur längst und weitgehend vollzogen – vom Rad über die Beherrschung der Energie bis hin zu den heute überhandnehmenden elektronischen Helfern und auch Zeitfressern der Computertechnologie. Kaum etwas geht noch ohne technische Unterstützung, und auf einmal gewonnenen Komfort zu verzichten fällt nicht leicht.

Doch die XXII. Triennale Milano redet kaum von Verzicht, vielmehr von Einsichten. Weltweit 22 Teilnehmer haben dazu Beiträge geliefert. Eine riesige, raumfüllende Installation läuft unter dem Titel «The Great Animal Orchestra», geschaffen vom US-amerikanischen Musiker und Bioakustiker Bernie Krause und vom englischen Studio United Visual Artists auf Initiative der Fondation Cartier pour l’Art Contemporain (Paris). Die multimediale Videoschau zeigt keine realen Bilder, sondern visualisiert mit Lichtbändern Geräusche aus dem Regenwald und diversen Ozeanen, die Krause während 45 Jahren weltweit aufgenommen und dokumentiert hat. Die von ihm besuchten Habitate existieren mittlerweile bloss noch zur Hälfte.

Nebenan sind Räume gefüllt mit der Sonderausstellung «The Nation of Plants», gestaltet vom italienischen Botaniker Stefano Mancuso. Gezeigt wird, wie sich Pflanzen auf seltsam intelligente Weise verteidigen können und ihre Chancen auf Nahrung erhöhen, und gefragt wird, ob Pflanzen nicht auch über eine Art Intelligenz verfügen. Pflanzen existieren auf unserem Planeten weitaus länger als die Menschheit. Sie nehmen auch heute noch mehr Raum in Anspruch und sind in weitaus grösserer Zahl vertreten als Menschen. Sie passen sich besser an und dürften uns voraussichtlich überdauern, so die Aussage dieser eindrücklich gestalteten Schau.

Verändertes Denken bedingt auch angepasstes Handeln

Indirekt thematisiert die Ausstellung «Broken Nature» die Sünden, die die Menschheit insgesamt an der Natur begangen hat. Sie stellt Verluste fest, teils unwiederbringliche Verluste, sie klagt an, hinterfragt aber kaum die Gründe und Motive für kurzsichtiges Handeln. Immerhin macht sie auch vage Hoffnung, dass künftig technisches Wissen und Erfahrung vermehrt und auch endgültig in den Dienst neuer und umweltverträglicher Konzepte, Systeme und Prozesse gestellt werden. Das würde aber auch bedeuten, Konventionen über Bord zu werfen, Dinge und Prozesse neu und anders zu denken, Gewohnheiten infrage zu stellen. Wie das geschehen soll, darauf gibt auch die XXII. Triennale keine schlüssigen Antworten.

Naheliegend wäre es beispielsweise gewesen, Produkte aus den Fasern von Pflanzen und aus Holz zu zeigen, dem nachwachsenden Rohstoff, der CO2bindet, um so nebenbei eine Bresche für eine nachhaltige Waldwirtschaft statt Raubbau zu schlagen. Auch konsequentes Recycling im überall wichtigen Wirtschaftsbereich Bau, wie es beispielweise in Indien mit dem Schulprojekt «Avasara Academy» vorgemacht wird, ist in keiner Weise thematisiert. Hier wurde ein durchaus möglicher und wirksamer Lösungsansatz offensichtlich übersehen. 
 

Broken Nature
Bis zum 1. September 2019 in der Triennale Milano
Öffnungszeiten: Di–So 10.30–20.30 Uhr

Viale Alemagna 6, Mailand
Metro 1 und 2 bis Station Cadorna
http://www.triennale.org

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