Case Design – eine Schule in Indien entsteht
Im Auftrag einer NGO plant und baut das indische Architekturatelier Case Design aus Mumbai ein College, in dem ausschliesslich Frauen studieren. Dabei ist das örtliche Handwerk in Ausbau, Möblierung und Umgebungsgestaltung partnerschaftlich einbezogen. Eine Ausstellung bei Archizoom an der EPF Lausanne zeigt bis 6. April das Projekt «Avasara Academy».
Der 4,3 ha grosse Campus ist Teil der wachsenden sogenannten «Knowledge City» und als Bildungsinstitut für Frauen in Indien einzigartig positioniert. Er besteht aus sechs viergeschossigen, rechteckigen Betonbauten, deren einfache Strukturen aus Geschossplatten eine freie Nutzung zulassen. Diese Bauten sind durch eine Baufirma erstellt.
Wesentlich für einen begrünten, mit Bäumen bepflanzten und so beschatteten Aussenraum war ein Bewässerungssystem. Nach dem Vorbild lokaler landwirtschaftlicher Nutzung wird rezykliertes und gefiltertes Grauwasser über schmale Betonkanäle ins Gelände geführt und mit einfachen, von Hand geregelten Stauvorrichtungen in die Gartenanlagen gespült.
Ein im Fundament der Bauten eingelassenes Röhrensystem, verbunden mit innenliegenden vertikalen Lüftungskaminen und über die Dachfläche geführten, verglasten Abluftkollektoren, bewirken durch Sonneneinstrahlung eine effiziente Luftumwälzung im Gebäude. Der Kühlungseffekt beschert den Unterrichtsräumen eine bis zu 10 °C kühlere Temperatur. Weit vorspringende Veranden mit ussen angebrachten Gittern aus Bambusstäben sind ein wichtiges architektonisches Element für Beschattung und natürliche Belichtung.
Entwurf der Architektur in situ
Die Architekten von Case Design treten in den Entwürfen für den Ausbau sozusagen zurück und suchen über eine Balance zwischen Formwillen und Handwerk, das Projekt zu orchestrieren. Die direkte Zusammenarbeit mit den Handwerkern – etwa Zimmerleuten, Schreinern und Steinmetzen – spielt bei der Entwicklung der Gebäude eine zentrale Rolle. Sie sind am Entwurf aktiv beteiligt, ihr Wissen über örtliche Materialien und deren Verarbeitung ist für die Qualität dieser Architektur massgeblich.
Die Architekturpraxis von Case Design zeigt sich damit völlig anders als im Westen gewohnt. Kaum Zeichnungen, denn vieles wird vor Ort und in Absprache mit den Handwerkern entwickelt. Für wesentliche Details wird jeweils ein Mock-up gebaut. Dieses praktische Vorgehen bedingt eine erhebliche zeitliche Präsenz der Architekten auf der Baustelle. Die theoretischen und gestalterischen Fachkenntnisse verbinden sich so mit dem Können der örtlichen Handwerker. Case Design arbeitet oft mit rezyklierten Materialien, so etwa Fenster und Türen aus Holz, aus abgebrochenen Gebäuden oder Steinen aus Resten von Steinbrüchen.
Ausbau mit örtlichem Handwerk und westlicher Kunst
Gemeinsam mit dem Bauunternehmer entwickelte Case Design einen farbigen Steinmosaikboden aus kleinen und unverkäuflichen Reststücken aus einem Steinbruch. Die dänische Künstlerin Malene Bach hat für jedes Gebäude eine eigene Farbpalette aus natürlichen Pigmenten entwickelt – Farben, die die Räume unverwechselbar prägen.
Für den Aussenraum haben zwei Kunsthandwerker astronomische Instrumente gebaut, die wissenschaftliche Geräte, aber zugleich auch Kunstwerke sind. Ein Friedenstisch aus einem grossen Stück Teakholz, gespendet von Mira Nakashima, der Tochter von George Nakashima, führte zum Bau eines Pavillons im Garten des Campus – ein intimer Ort der Ruhe und Selbsteinkehr. Bänke, Vitrinen und andere Holzelemente des Ausbaus wurden gemeinsam mit den Zimmerleuten von Rajasthan entwickelt. Die Sitzflächen der Bänke sind aus abgelegten farbigen Saris, den traditionellen Kleidern, geflochten, die Muster durch die Handwerker selbst bestimmt.
Auf diese Weise ist mit der «Avasara Academy» in Lavale ein einmaliges College im Entstehen, das in Konzeption und Details ein Refugium für das Lernen schafft. Wesentliche Themen des Projekts sind Permakultur, Recycling, Wasserhaushalt, Handwerk und Baumpflanzungen für Beschattung und Sonnenschutz. Die durch Cyril Veillon (Archizoom) und Sam Barclay gestaltete Ausstellung beruht auf dem Beitrag zur Architekturbiennale Venedig 2018. Sie lebt von Modellen, Materialmustern und den grossformatigen Fotografien von Ariel Huber, die die verschiedenen Bauphasen, die Landschaft und die Arbeitsweise dokumentieren.
Mo–Fr 9.30–17.30 Uhr, Sa 14–18 Uhr
Weitere Informationen: https://archizoom.epfl.ch