Bau­kos­ten in wirt­schaft­lich un­si­che­ren Zei­ten

Corona verändert nicht nur unser Verhalten, sondern auch die wirt­schaft­liche Lage. Über die Ausmasse der Auswirkung debattieren ­Ökonomen weltweit. Klar ist nur: Die einzige Konstante ist die Veränderung. Die SIA-Teuerungsnormen regeln eben diese Preisänderungsfragen.

Publikationsdatum
09-06-2021
Loris Bonaglia
dipl. Baumeister, Leiter Technik und Betriebswirtschaft Schweizer Baumeisterverband, Mitglied Teuerungskommission
Laurindo Lietha
BSc FHO Civil Engineering/Bauökonom DAS, Fachspezialist Ordnungen/Beschaffung SIA

Im Jahr 2016 widmete sich das Schweizer Radio und Fern­­sehen SRF dem Gotthard-­Projekt und stellte dabei die Frage: Wieso wurde der Tunnel teurer? Exemplarisch bei Grossprojekten mit langen Bearbeitungszeiten ist, dass der Löwenanteil der Mehr­kosten auf die Teuerung zurückzu­führen ist. Ganze 21 % machte sie im Fall Gotthard an den Gesamtkosten aus. Die Kostenprognose von 1998 belief sich auf 6.3 Milliarden Franken. 18 Jahre später betrug der Teuerungsanteil gut 2.5 Milliarden Franken.

Teuerung versus Preisänderung

Vom Zeitpunkt des Investitionsentscheids für ein Bauprojekt bis zum Ende der Realisierung vergehen nicht nur bei Generationenprojekten wie dem Gotthardtunnel oft viele Jahre. Planer- und Werkverträge haben somit vielfach Laufzeiten, bei denen weder die Bauherrschaft noch die planenden und die realisierenden Partner voraussagen können, wie sich die Kosten entwickeln werden.

Vom Zeitpunkt der Eingabe der Angebote bis zum Ende der jeweiligen Vertragslaufzeit verändern sich die Gestehungskosten für den Anbietenden. Man spricht gern von Teuerung, auch wenn der Begriff Preisänderung treffender ist – denn es geht um eine Mehr- oder Mindervergütung. Gerade in den letzten Jahren gab es häufig negative Preisänderungen, die sich zugunsten der Bauherrschaften auswirkten.

Doch unabhängig davon, in welche Richtung der Graph der Preisänderung zeigt: Jegliche Spekulation oder einseitige Zuordnung von finanziellen Risiken aus der Preisbildung ist nicht fair und keine sinnvolle Herangehensweise. Deswegen stellt der SIA einfach anzuwendende Regeln in Form der Vertragsnormen SIA 122 bis SIA 126 zur Verfügung.

Drei Varianten zur Ermittlung der Teuerung

Bei der Mehr- oder Mindervergütung infolge von Preisänderungen wird keine Vertragspartei benachteiligt. Es handelt sich um eine Regelung mit fairer Risikoverteilung, denn sie ist eine Abbildung der realwirtschaftlichen Situation. Im ­Mittelpunkt der Berechnung von Preisänderungen steht die Kos­tenwahrheit über die Dauer der Erbringung der vertraglichen Leistung. Drei Vari­anten – Gleitpreisformel, Produktionskostenindex und Mengennach­weisverfahren – stehen dabei zur Verfügung.

Die Gleitpreisformel

Für den Ausbau und teilweise im Bereich der Zulieferung zum Bauhauptgewerbe (z. B. umfangreiche Vorfabrikationen) kommt die Gleitpreisformel (GPF) nach SIA 122 zur Anwendung. Im Gegensatz zum Produktionskostenindex (PKI) wird ein objektspezifischer Warenkorb er­stellt, der auf anerkannte Indizes abstützt. Dazu stellen die Koordi­nationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen ­Bauherren (KBOB) und der Schweizerische Baumeisterverband (SBV) ein Excel-Tool zur Verfügung, das die Anwendung erleichtert.

Preisänderungen bei Global- oder Einheitsverträgen bei General- oder Totalunternehmerleistungen werden in der Vertragsnorm SIA 125 abgebildet. Dazu wird der Vertragspreis in die Kostenelemente «Löhne» und «spartenspezifische Materia­lien» aufgeschlüsselt. Für alle definierten Kostenelemente wird die Veränderung der Kosten entsprechend ihrem prozentualen Anteil über den betrachteten Zeitraum berechnet. Die Summe dieser Veränderungen abzüglich deren Ausgangsbasis ergibt die gesamte Preisänderung.

Bei Planerleistungen kommt die Vertragsnorm SIA 126 zum Einsatz. Diese Norm beschreibt das Verfahren zur Ermittlung der Änderung der Vergütung infolge veränderter Kosten des Planenden vom Zeitpunkt der Angebotseingabe bis zur Beendigung des Mandats.

Der Vertragspreis wird in die Bestandteile «Löhne» und «restliche Kosten» zerlegt, und die prozentuale Änderung der einzelnen Kostenelemente wird anschliessend mit deren Anteil multipliziert. Die Summe dieser Änderungen abzüglich deren Ausgangsbasis ergibt die gesamte Preisänderung. Diese prozentualen Veränderungen werden jedes Jahr von der KBOB berechnet und publiziert.

Der Produktionskosten­index nach SIA 123

Gerade für das Bauhauptgewerbe, insbesondere für Baumeisterarbeiten, wird mehrheitlich die Methode des Produktionskostenindex (PKI) angewendet. Der PKI führt für verschiedene Arbeitsgattungen von Hoch-, Tief- und Untertagebau Indizes auf, die nach dem Normpositionenkatalog (NPK) strukturiert sind.

Herausgegeben werden diese quartalsweise vom SBV, nachdem eine Prüfung durch die KBOB stattgefunden hat. Die Publikation erfolgt in Form eines Excel-Tools, mit dem Ab­rechnungen rasch und einfach erfolgen können.

Mengennachweis- verfahren nach SIA 124

Das Mengennachweisverfahren (MNV) ist aufwendig und bewährt sich in der Praxis nur für einzelne, bedeutende Positionen. Im Hochbau werden gern Festpreise vereinbart. Jedoch werden Ausnahmen für Preisänderungen von Bewehrungsstahl oder von sonstigen, einzelnen preissensiblen Bauprodukten gemacht, indem dafür das MNV vereinbart wird. Das MNV war in der früheren Ausgabe der Norm SIA 118:1977/91 enthalten. Mit der Revision der SIA 118:2013 wurden die entsprechenden Artikel entfernt und in ­einer separaten Norm (SIA 124) beschrieben und gleichzeitig ver­einfacht.

Holzprodukte innert eines Quartals 60 % teurer

Ein Beispiel für die Volatilität der Preise liefert aktuell der Holzmarkt. Es wird bereits von einer «Holzkrise» gesprochen. Börsenpreise für Holz haben sich teilweise vervierfacht, und gewisse Standardprodukte auf Schweizer Baustellen wurden bis zu 60 % teurer, laut einem Bericht von SRF Ende April 2021. Die Gründe dafür sind einerseits eine gestei­gerte Nachfrage, andererseits Produktionsengpässe, die direkt oder indirekt mit der gegenwärtigen Pandemie zu erklären sind.

Es ist keine mutige Prognose, wenn man davon ausgeht, dass aktuelle und künftige Auswirkungen der Coronakrise auch andere Märkte stark verändern und verändern werden. Gerade aus diesem Blickwinkel ist es sinnvoll, die Teuerung vertraglich zu berücksichtigen und sich an die paritätisch erarbeiteten Grundlagen des SIA zu halten.

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