Al­les ei­ne Fra­ge des Mass­stabs

Projektwettbewerb im selektiven ­Verfahren: Erweiterung Schulanlage Nägelimoos

Die Schulanlage Nägelimoos von 1969 in Kloten muss saniert und an die heutigen pädagogischen Anforderungen angepasst werden. Das Team von Galli Rudolf Architekten staffelt drei Neubauten geschickt in den Hang und schafft so einen massstabsgerechten Schulcampus.

Publikationsdatum
13-08-2020

Die Schulanlage Nägelimoos liegt im Norden der Stadt Kloten. Das Gelände fällt zum Nägelimoosweiher im Süden hin ab und bietet eine eindrückliche Aussicht auf das Stadtzentrum. Gegen Norden ist die Anlage durch einen Wald gefasst, ansonsten ist sie von einem weiten Landschafts- und Erholungsraum umgeben. Die Schule wurde 1969 nach den Plänen des Zürcher Architekturbüros Hertig Hertig Schoch erstellt. Sie umfasst neben der Primar- und Sekundarschule zwei Sporthallen und ein Hallenbad. Das Gefüge hat einen kleinmassstäblichen, fast dörflichen Charakter mit einer Abfolge von Plätzen, Wegen und Durchgängen.

Die Gebäude aus den 1960er-­Jahren sind sanierungsbedürftig und genügen den heutigen pädagogischen Anforderungen an ein fle­xib­les, selbstbestimmtes Lernen nicht mehr. 2010 wurde die Primarschule mit einer Erweiterung von Team 4 Architekten ergänzt. Das Gebäude schafft einen neuen Zugang von Süden und erschliesst die auf unterschiedlichen Niveaus angelegten Pausenflächen mit Rampen und Treppen.

Die Schule benötigt mehr Platz. Um diesen zusätzlichen Raumbedarf abzudecken, kann die bestehende Anlage saniert und erweitert oder durch Neubauten ersetzt werden. Die Primarschule aus dem Jahr 2010 soll aber erhalten bleiben und wie bisher den Auftakt zum Schulgelände bilden. Besonderen Wert legt die Auftraggeberin auf die Gestaltung der Umgebung. Sie soll sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für die übrige Bevölkerung zugänglich sein. Die Kinder sollen sich frei bewegen und die Jahreszeiten erleben können. Der Pausenhof muss sowohl Bewegung und Spiel zulassen als auch ein ruhiger Ort für Erholung und Gespräche sein.

Um Lösungsansätze für diese spannende Aufgabe zu erhalten, veranstaltete die Liegenschaften­abteilung der Stadt Kloten einen einstufigen Projektwettbewerb im selektiven Verfahren gemäss der Ordnung für Wettbewerbe SIA 142. Gefordert war eine Teambildung aus Architekten und Landschaftsarchitekten sowie der Nachweis von Kompetenzen in der Bauleitung. Der Auslober hat zwölf Planungsteams zum Wettbewerb eingeladen.

Die Preisträger haben alle Tabula rasa gemacht und eine neue Schule vorgeschlagen. Die Teilnehmenden, die auf die Qualitäten des Bestands vertrauten und ihn moderat erweiterten, blieben alle chancenlos. Die Jury lobte zwar «den Versuch des sorgfältigen Weiterbauens der charaktervollen Anlage aus den späten Sechzigerjahren», sah aber die pädagogischen Vorgaben der Schule nicht erfüllt.

Schulcampus

Das Preisgericht empfiehlt den mit dem ersten Preis ausgezeichneten Beitrag «Das fliegende Klassenzimmer» des Teams von Galli Rudolf Architekten und Vogt Landschaftsarchitekten einstimmig zur Weiterbearbeitung. Der Entwurf besticht durch eine austarierte Komposition von drei neuen Volumen, die zusammen mit der erhalten bleibenden Primarschule eine Folge von unterschiedlichen Aussenräumen erzeugen. Am Anfang steht die neue Primarschule, dann folgt der Mittelbau mit öf­fentlichen Nutzungen, und den Abschluss bildet die Sekundarschule. Die Gebäude sind unterschiedlich hoch und sorgfältig in das bestehende Terrain eingefügt. Das Sockel­geschoss vermittelt zwischen den höher gelegenen nördlichen Aus­senräumen und dem südlichen Zugangsbereich.

Im mittleren, quer zu den beiden Schulen gestellten Neubau befinden sich die Turnhallen, der Gemeinschaftsraum, die Singsäle, der Schulhort und die Schulküche. Er ist durch einen Portikus ausgezeichnet, der auf die öffentlichen Nutzungen verweist. Primar- und Sekundarschule sind ähnlich aufgebaut. Eine mittlere, raumhaltige Trag­struktur mit Schränken gliedert beide Gebäude. Die Klassenzimmer sind gegen Südwesten ausgerichtet, während die Gruppenräume und die Erschlies­sung im Nordosten liegen.

Die beiden Schulen flankieren das mittlere Gebäude. Die viergeschossige Primarschule liegt neben der bestehenden Primarschule, die den Zugang zur Anlage bildet. Darauf folgen der dreigeschossige Mittelbau und die sechsgeschossige Sekundarschule, die den Abschluss markiert und die Gesamtkomposi­tion überragt. Konstruktiv bestehen die Neubauten aus einem Beton­sockel und einem Tragwerk aus Holzstützen und Vollholzdecken für die Obergeschosse. Die Elemente sind weitgehend vorfabriziert.

Die Struktur garantiert eine grosse Flexibilität. Die kompakten Gebäude mit dem durchgehenden Wär­medämmperimeter und dem moderaten Fensteranteil erfüllen die Vorgaben für ein ressourcen- und klimaschonendes Bauen gut. Das Tragwerk ist einfach und effizient, was sich im günstigen Verhältnis von Energiebezugsfläche zu Geschossfläche zeigt.

«Unité d’éducation»

Den zweiten Preis erhielt der Beitrag «Freie Sicht aufs Mittelmeer!» des Teams von Kummer Schiess Architekten und Gersbach Landschaftsarchitektur. Das Projekt fasst alle Nutzungen in einem einzigen, sechsgeschossigen Gebäude zusammen. Nicht die gebaute Umgebung bildet den Massstab, sondern die Landschaft mit dem nördlich anschlies­sen Rücken des bewaldeten Hügels und der sich talwärts öffnenden Kulturlandschaft. Damit knüpfen die Verfasser an die visionären Wohnmaschinen von Le Corbusier an, die «Unités d’habitation». Der grosse Wurf begeisterte das Preisgericht «aufgrund der radikalen und alles durchwirkenden räumlichen und konstruktiven Logik, welche jedoch nie zwanghaft wird, sondern im Gegenteil Vielfalt, Differenzierung und Aneignung ermöglicht».

Kritisiert wurde zum einen, dass sich die Schulkinder wohl kaum mit dieser «Schulmaschine» identi­fizieren könnten, zum anderen die strikte Teilung des Aussenraums in ein Hinten und ein Vorn sowie die hohen Baukosten. Auch die gemeinsame Nutzung der räumlich kaum gegliederten Pausenflächen mit einem Ambiente, das auf die unterschiedlichen Schulstufen zu wenig spezifisch eingeht, konnte nicht überzeugen. Der lange und schmale Baukörper ist kompakt und vom Tragwerk bis hin zur Haustechnik klar strukturiert. Negativ ins Gewicht fällt der hohe Glasanteil, der im Sommer zu Überhitzung führen kann. Das robuste Tragwerk aus Beton besteht aus einem vorfabrizierten System aus Stützen und Platten.

Angemessen und massstäblich

Das Preisgericht hat sich den Entscheid nicht leicht gemacht und die beiden Projekte im ersten und zweiten Rang in einer Bereinigungsstufe überarbeiten lassen. Zum Schluss konnte die Vision einer grossen Schule, die den Massstab der Landschaft aufgreift, nicht überzeugen. Der Ansatz wäre wohl für eine Hochschule oder Universität eher geeignet gewesen als für die Primar- und Sekundarstufe. Das Siegerprojekt überzeugt mit einem architektonisch und wirtschaftlich soliden Projekt. Sie führen die Schulanlage Nägelimoos von der dörflichen Idylle zu einem modernen Schulcampus. Die sorgfältig proportionierten und präzis in die Topografie eingefügten Neubauten vermitteln gekonnt zwischen dem Massstab des bestehenden Gebäudes und der Weite der Landschaft.

Pläne und Jurybericht zum Wettbewerb finden sich auf competitions.espazium.ch

Auszeichnungen

1. Rang / 1. Preis: «Das fliegende Klassenzimmer»
Galli Rudolf Architekten, Zürich; Vogt Landschaftsarchitekten, Zürich; b + p baurealisation, Zürich; Makiol Wiederkehr, Beinwil am See; Polke, Ziege, von Moos, Zürich; Schwarber Staub Bauingenieure, Zürich; Josef Kolb, Romanshorn; Hefti.Hess.Martignoni, Zürich; BAKUS Bauphysik & Akustik, Zürich
2. Rang / 2. Preis: «Freie Sicht aufs Mittelmeer!»
Kummer Schiess Architekten, Zürich; Gersbach Landschaftsarchitektur, Zürich; WT Partner, Zürich; Thomas Boyle + Partner, Zürich, Brandschutz Gerber, Weinfelden; Anex Ingenieure, Zürich, Gutknecht Elektroplanung, Au; Nightnurse Images, Zürich; Knecht + Partner Modellbau, Wettingen
3. Rang / 3. Preis: «Dendrolith»
Boltshauser Architekten, Zürich; Maurus Schifferli Landschaftsarchitekt, Bern; Fanzun, Zürich; Josef Kolb, Romanshorn; Meierhans + Partner, Schwerzenbach; IBG B. Graf, Wein­felden; Gruner, Basel; Nightnurse Images, Zürich
4. Rang / 4. Preis: «Bonavista»
Guignard & Saner Architekten, Zürich; Berchtold.Lenzin Landschaftsarchitekten, Zürich; Steiner Hutmacher Bauleitung, Zürich
5. Rang / 5. Preis: «Titania»
Skop, Zürich; Kolb Landschaftsarchitektur, Zürich; GMS Partner, Kloten; WaltGalmarini, Zürich

FachJury

Bettina Neumann, Architektin, Zürich (Vorsitz); Alain Roserens, Architekt, Zürich; Raphael Schmid, Architekt, Zürich; Dominique Ghiggi, Landschaftsarchitektin, Zürich

SachJury

Mark Wisskirchen, Stadtrat, Ressortvorstand Gesundheit + Ressourcen; Kurt Hottinger, Stadtrat, Ressortvorstand Bildung; Marcus Zunzer, Leiter Liegenschaften

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