«Zum Äus­se­ren Stand», Bern: Die Af­fen sind los

Der Wintergarten eines geschichtsträchtigen Restaurants in der Berner Altstadt entzieht sich der Ernsthaftigkeit, die dem Weltkulturerbe so oft verordnet wird. Mit seiner beschwingten Art setzt der Umbau von Bellorini Architekten, Bern, einen farbigen Akzent inmitten der Sandsteinbauten. 

Publikationsdatum
20-09-2019

Der gute Ruf der schweizerischen Architektur beruht auf dem gekonnten Umgang mit Reduktion, Abstraktion und Qualität im Stillen. Ganz in diesem Sinn ist das Restaurant im früheren Rathaus «Zum Äusseren Stand» ­(Albrecht Stürler, 1730) nahe des Stadttheaters Bern gestaltet. Nach der Auflösung des hier ansässigen altbernischen Jugendparlaments 1798 wurde der grosse Festsaal im Obergeschoss weiterhin für Versammlungen genutzt, so 1848 für den Beschluss der ersten Schweizer Bundesverfassung und 1999 für die Präsentation der revisierten Version.

Während der Saal heute leicht morbide im Empirestil vor sich hin schlummert, wurde das Res­taurant im Erdgeschoss vor einigen Jahren sanft renoviert. Bellorini ­Architekten (damals noch als aefa-­Architekten firmierend) haben durch das Hinzufügen von Säulen und die Verdichtung der Struktur die bestehende Raumordnung gestärkt. Bereits hier trieben sie ein subtiles Spiel mit Schein und Sein, mit Wirklichkeit und Spiegelung ganz nach barocker Art, das sich in der jüngsten Renovierungsetappe fortsetzt, der Sanierung des Wintergartens.

Oase zwischen Steinen

Das bauliche Ensemble ist Teil der für die Berner Altstadt typischen «Hofstättenstruktur», also der schmalen, länglichen Parzellen, die senkrecht zu den Hauptgassen orientiert sind. Seit den 1980er-Jahren wird der Zwischenraum zum nächs­ten Haus, in der Tiefe des Grundstücks, wie ein Wintergarten als Hofcafé genutzt. Mit dessen gerade fertiggestellter Renovierung haben Bellorini Architekten einen überra­schend lichten und farbigen Raum geschaffen. Die Illusion eines «hortus conclusus» mit Blick in den offenen Himmel – von dem man im ersten Moment nicht weiss, ob er gemalt oder echt ist – stellt sich ein. Angesichts der feinen innenarchitektonischen Dimensionen hätte man sich die Glasdachkonstruktion freilich etwas filigraner gewünscht.

Immerhin stärkt die neue gewalmte Form die Eigenständigkeit des Raums und ist eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Pultdach, das die Nischenlage spürbarer gemacht hatte. Die Idee einer sauber konstruierten Stahlkonstruktion aus sichtbar verschraubten Stahlwinkeln als Hommage an die Wintergärten Ende des 19. Jahrhunderts wird von den Dimensionen geschwächt, die den heutigen Bau­normen geschuldet sind. Das Glasdach überspannt das Café und entschädigt für die sonst fehlenden Aussenbezüge – der Raum ist dreiseitig von Gebäuden umgeben und öffnet sich nur zu einer wenig attraktiven Fussgängerpasserelle.

Die hofseitige Fassade des Restaurants wird zu einer innenräumlichen Wand. Der Kalksteinsockel setzt sich ringsum als offene Holzbrüstung fort, hinter der sich die Zuluftkanäle der Lüftung verbergen. Die sich darüber anschlies­senden Bogenfenster zum Restaurant werden durch eine vorgela­gerte Schicht in ihrer Tiefe betont.

Zweischichtige Attrappe

Wie ein Zitat aus einem Barockgarten umschliessen die grünen Holzspaliere den Innenraum, entlarven sich aber selbst als unbenutzbar, da sie ohne Abstand über den Wand­flächen angebracht sind.

Der besondere Clou ist eine eigens entworfene Stoffbespannung, die hinter den Gittern durchläuft und eine heitere Landschaft zeigt. Von Bergen und Wiesen über leicht psychedelische Obstgärten bis hin zu einer dunklen Waldansicht verändert sich das Bild von links nach rechts und modelliert den offenen Raum. In Bezug auf die Höhenlinie des Balkons und des Obergeschosses schliessen sich senkrecht kannellierte Gipspaneele an. Ihre helle Oberfläche vermittelt zwischen dem Gartenbild und der Stahlglaskon­struktion des Dachs. Beide Wandoberflächen wirken wohltuend auf die Raumakustik.

Das oberste Gesims schliesst seitlich nahtlos an das echte Steinsims des Restaurants an – ist in diesem Fall aber eine hohle Holzkonstruktion, in der die Regenrinne und die Abluftfassung geführt werden. Da manche Anschlüsse nicht ganz in die vorgegebene Shilouette passten, machten die Architekten aus der Not eine Tugend: Dickbäuchige Bananenbündel lagern auf der Horizontalen und kaschieren dem Umbau geschuldete bauliche Engpässe. Ein paar Äffchen, die den Vorsprung entlangzuklettern scheinen, ergänzen die Szenerie. Sie nehmen Bezug auf das Wappentier des Äusseren Standes, das auf dem bestehenden Bild hinter einem (echten) Wandbrunnen zu sehen ist.

Der lustvolle Umgang mit der Illusion, der Spass am indivi­duellen Entwurf bei aller Berücksichtigung des Bestands und einer klugen Organistation der Technik machen den Ort zu einem Statement für mehr Mut und Übermut in Gestaltungsfragen.

Am Bau Beteiligte

Architektur
Bellorini Architekten, Bern

Bauingenieur
Emch & Berger, Bern

Baumeisterarbeiten
Wirz, Bern

Metallbauplanung
Speiser, Thun

Schreiner
A. Reist, Bern

Polsterer
Steffen Raumkonzepte, Herzogenbuchsee

Grafik, Stoffentwurf
Lorenzo Conti, Bern

Stoffe und Druck
Création Baumann, Langenthal

Glasdach
Charles Sauter, Lyss

Denkmalpflege
Stadt Bern, Jean-Daniel Gross

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