27 SN­BS-Zer­ti­fi­ka­te ver­lie­hen

Die Pilotphase zum Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz SNBS ist erfolgreich zu Ende gegangen. Über zwei Dutzend Wohnbauten, Bürogebäude und Schulhäuser haben ein Zertifikat erhalten, weil sie herausragende umwelt- und sozialverträgliche Qualitäten besitzen und auch ökonomisch überzeugen können.

Publikationsdatum
12-08-2014
Revision
01-09-2015

In rund einem Jahrzehnt hat die Immobilien- und Baubranche gelernt, wie selbstverständlich ein energieeffizientes Gebäude erstellt werden kann. Das Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz NNBS will die umfassenderen Erkenntnisse zum nachhaltigen Bauen in kürzerer Zeit vermitteln. So ist der erste Meilenstein nach nur einem Jahr erreicht: Im Sommer 2013 startete die Pilotphase zum «Standard Nachhaltiges Bauen Schweiz» mit 28 Wohnhäusern, Bürobauten und Schulgebäuden aus der ganzen Schweiz; vor wenigen Wochen, Mitte Juni, nahmen die Beteiligten der 27 analysierten Projekte die Zertifikate in der Umweltarena von Spreitenbach in Empfang (siehe Kasten). «Die anfänglich gesteckten Ziele wurden erreicht; die neuartige Nachhaltigkeitsbeurteilung stösst auf positives Echo», lobt Nicole Zimmermann, Leiterin Sektion Öffentliche Hand und Gebäude beim Bundesamt für Energie, den Effort der anwesenden Projektvertreter, darunter namhafte Bauherrschaften, Architekten und Fachplaner.

Ansprüche an Planer und Nutzer

Analog zum neuen Gebäudestandard findet die Debatte über das nachhaltige Bauen eine Fortsetzung. Dass dazu noch einiges zu vertiefen ist, wussten die Referentinnen und Referenten anhand erhellender, teilweise überraschender Statements und einprägsamer Bilder zu erklären. Mehrfach wurde sowohl auf die steigenden Ansprüche im Planungsprozess als auch auf den grossen Nutzereinfluss hingewiesen. Matthias Probst, Umweltnaturwissenschafter ETH, präsentierte eine Öko-Analyse zur neuen Genossenschaftssiedlung «mehr als wohnen» (Baugenossenschaft Im Gut, Zürich), wonach eine hochwertige Baupraxis viel zur bestmöglichen Nachhaltigkeitsbilanz beitragen kann. «Bei der Mobilität und der Ernährung sind jedoch gleichwertige Lösungsansätze zu suchen, um den jeweils hohen Energieverbrauch zu senken», so Probst. Ein vegetarischer Einkaufsmarkt könne in neuen Siedlungen daher ebenso Positives bewirken wie dick gedämmte Hauswände.

Stephanie Weiss, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut Sozialplanung und Stadtentwicklung der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), veranschaulichte demgegenüber, wie soziales Design im nachhaltigen Gebäude definiert werden kann: «Nutzer müssen sich im und um das Gebäude herum wohlfühlen, Zugang ohne Barrieren erhalten und ein vielfältiges Umfeld geniessen können.» Die Partizipation in allen Planungsphasen helfe zudem, die Akzeptanz neuer Vorhaben zu erhöhen, so Weiss. Anhand des SNBS-Panelprojekts Aquatikon im Glattpark bestätigte Frank Schweitzer, Projektmanager der Hochtief Development Schweiz AG, wie sich ein Bürogebäude technisch dem Nutzer anzupassen hat – «und nicht umgekehrt».

Nachbesserungen in verschiedenen Bereichen

Nachbesserungspotenzial ortet Severin Lenel, Geschäftsführer der Intep GmbH, aber auch im klassischen, ökologischen Gebäudebereich, denn «der Anteil von wieder verwendbaren Materialien ist verschwindend klein». Um den Primärenergiebedarf weiter zu reduzieren, sei der Recyclinganteil zu erhöhen. Dazu gehören laut Lenel auch alternative Konstruktionskonzepte: «Bauteile sind so einzusetzen, dass ihre Wiederverwendung möglich ist.» Peter Stolz, Nachhaltigkeitsbeauftragter der Steiner AG, ergänzte, dass das «Cradle-to-Cradle»-Prinzip in der modernen Bauwirtschaft «zumindest teilweise» angekommen ist. Seine Präsentation des SNBS-Panelprojekts Bürogebäude Skykey in Zürich Oerlikon zeigte insbesondere, dass nachhaltiges Bauen eben nicht nur auf hoher Energieeffizienz beruht.

Standort zur Aufwertung

Der Gebäudestandort ist für die Vermarktung aber auch für die Nachhaltigkeit ein wichtiger Beurteilungsfaktor. Gemäss Christine Steiner Bächi und Andrea Wittel, Ernst Basler + Partner AG, ist er sogar noch bedeutender als bisher angenommen: In der Nachhaltigkeitsdimension «Wirtschaft» sind im Weiteren die Wertstabilität sowie das regionalökonomische Potenzial in Betracht zu ziehen. «Damit wird die Analogie zur nachhaltigen Forstwirtschaft geschaffen: Nur so viele Bäume fällen, wie überhaupt nachwachsen können.» Als Beispiel dafür, wie die Wechselwirkung zwischen einem Gebäude und der Umgebung stattfinden soll, wurde das Dorfzentrum – Aletsch Campus von Tanja Ens, SMC Management Contractors AG, präsentiert. Das SNBS-Panelprojekt wird das Informations- und Besucherzentrum des Unesco-Weltkulturerbes Jungfrau Aletsch, Schweizer Alpen; ebenso gehört eine Zentrumsüberbauung mit Wohnungen, Läden, Büros und öffentlichen Einrichtungen dazu, welche einen neuen, noch nicht vorhandenen Ortskern der Oberwalliser Gemeinde Naters bilden.

Dass Architekten beim nachhaltigen Bauen ihre Rolle überdenken müssen, hat Manfred Huber, Inhaber des Büros aardeplan, bei der Realisierung des SNBS-Panelprojekts MFH Kirchrain, Kriens, erfahren. «Früher war die generalistische Ausrichtung gefragt; inzwischen droht unserem Berufsstand die Gefahr, zu Spezialisten für die Raumgestaltung degradiert zu werden.» Wichtig sei jedoch, das grosse Ganze im Auge zu behalten und sich fachliche Kenntnisse im nachhaltigen Bauen zu verschaffen. Zwar gelte es, komplexe konstruktive und technische Abhängigkeiten bei der Planung in den Griff zu bekommen. Doch im Grunde genommen sei die Umsetzung einfach: «Liebe Architekten, nehmen wir das Heft beim Bauen wieder selbst in die Hand», lautet Hubers Appell, der nicht nur an die Teilnehmer der SNBS-Zertifikatsübergabe gerichtet ist.

Verwandte Beiträge