Meer aus Plas­tik

Die grösste Müllhalde der Welt treibt im Nordpazifischen Ozean: Der Plastikmüllstrudel (Great Pacific Garbage Patch) ist eine Ansammlung von Plastikschwemmgut. Die sehenswerte Ausstellung «Endstation Meer? Das Plastikmüll-Projekt» im Museum für Gestaltung in Zürich widmet sich dieser Konsequenz der Wegwerfmentalität sowie dem Thema Plastik im Alltag.

Publikationsdatum
27-08-2012
Revision
12-06-2016

Ein Artikel im «NZZ Folio»1 über die Vermüllung der Weltmeere bewegte Christian Brändle, Direktor des Museums für Gestaltung, dem Thema eine Ausstellung zu widmen. Seit Jahrzehnten bilden sich im Meer riesige Plastikmüllstrudel. Über die genaue Grösse sind sich Fachleute uneinig: Während die einen von einer Fläche in der Grösse des US-Bundesstaats Texas (695.000km2) ausgehen, sprechen andere, darunter Forscher der Oregon State University, von etwa einem Prozent dieser Fläche. Dies entspricht etwa viermal der Grösse des Kantons Zürich. Rund drei Millionen Tonnen Kunststoff schwimmen laut Schätzungen in den beiden Teilen des «Great Pacific Garbage Patch», von dem der eine östlich, der andere westlich von Hawaii treibt. Die Strömungen im Nordpazifik verlaufen so, dass ein Grossteil der schwimmenden Objekte, die von den Küsten Russlands, Chinas, Japans, der USA oder Kanadas abtreiben, in Hawaii stranden. Das International Pacific Research Center IPRC in Honolulu hat ein Verfahren entwickelt, mit dem sich die Bewegung von Plastikmüll in den Meeren berechnen und den Weg des Schwemmguts voraussagen lässt, das der Tsunami von 2011 in Japan mitgerissen hat. Gemäss den Berechnungen wird ein Grossteil bis 2014 an die Westküste Nordamerikas gelangen und ein Teil davon in den nordpazifischen Plastikmüllstrudel. Dieser ist der grösste von insgesamt fünf Müllstrudeln: Ein weiterer befindet sich im Südpazifik, je einer im Nord- und im Südatlantik und einer im Indischen Ozean. Der grösste Teil des Mülls stammt vom Festland und wird von den Flüssen ins Meer gespült. Auch Schweizer Abfälle, die in den Wasserkreislauf gelangen, können theoretisch in einem Plastikmüllstrudel landen. Unter den häufigsten Schwemmgut-Objekten sind Plastikflaschen (11%), Tüten (10%), Lebensmittelverpackungen (9%) Becher, Teller und Besteck (5%).

Ökosysteme bedroht

Das im Wasser treibende Schwemmgut folgt komplexen Strömungswirbeln und wird, je nach Wetterlage, von der Wasseroberfläche in Tiefen von bis zu 30m gespült. Die Einwirkung von Sonne, Gezeiten, Wind und Wellen zerreisst das Plastik in Partikel, die mit der Zeit pulverisiert und von Fischen und Vögeln gefressen werden. Die Tiere können das Plastik aber nicht verdauen und verhungern bei vollem Magen oder ersticken an den Teilchen. 
Der Geochemiker Hideshige Takada von der Tokyo University of Agriculture and Technology untersuchte hunderte von Laternenfischen aus der Nähe des «Great Pacific Garbage Patch»: Mehr als ein Drittel der Fische hatten Plastikteilchen im Magen, darunter auch winzige Kügelchen von Hautpeelings. Dieses Plastikpulver ist so fein, dass es die Filter der Abwasserreinigung passiert. Laternenfische sind das Grundnahrungsmittel von Thunfischen, Schwertfischen und Goldmakrelen. Akkumulieren sich die Schadstoffe in der Nahrungskette, landen sie schliesslich auf unserem Teller. Noch aus einem anderen Grund sind schwimmende Plastikteile eine Bedrohung für ganze Ökosysteme: Manche Insekten legen darauf ihre Eier. Weil sich diese nicht wie natürliche Stoffe zersetzen, gelangen sie mit den Eiern über weite Distanzen in neue Lebensräume, wo die schlüpfenden Tiere das lokale ökologische Gleichgewicht stören.

Eindrücklich inszeniert 

Ein riesiger Haufen Plastikschwemmgut – Säcke, kaputte Flaschen, Teile von Eimern oder Kanistern – bildet einen eindrücklichen Auftakt zur Ausstellung. Der Unrat wurde bei Strandsäuberungen auf Kaho’olawe, einer unbewohnten Insel Hawaiis, auf Sylt in der Nordsee und auf Fehmarn in der Ostsee gesammelt. 
Der zweite Teil der Exposition befasst sich mit dem Umgang mit Plastik im Alltag. Sie stellt Materialkreisläufe, Kunststoffe, Verpackungen und ihre Recyclingmöglichkeiten vor und weist auf mögliche Alternativen zu Kunststoffen hin: Ein Ersatz für Duschpeeling sind Bürsten mit Schweinsborsten, statt Plastiksäcken kann ein Einkaufskorb, statt Plastikgeschirr solches aus biologisch abbaubaren Stoffen wie Palmblättern verwendet werden. 

Anmerkungen

  1. Peter Haffner, Eine Ahnung von Apokalypse, NZZ Folio 07/09
  2. In der Schweiz liegt der Verbauch von Kunststoff bei 120kg pro Kopf und Jahr (Westeuropa 92kg / weltweit 35kg). 
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