SIA: Neue Na­ch­wei­sver­fah­ren er­probt

Die von der Normkommission SIA 262 gegründete Arbeitsgruppe Brand fasste die Erkenntnisse zum Verhalten von Betonbauteilen im Brandfall in einem Fachartikel zusammen. Nachfolgend eine Kurzfassung des Beitrags, der in voller Länge im Internet zu finden ist.

Data di pubblicazione
28-08-2014
Revision
05-11-2015
Mario Fontana
F-Ingenieur GmbH, Schaffhausen; ETH Zürich, Institut für Baustatik und Konstruktion

Die Erfahrung mit dem Brandverhalten von Betonkonstruktionen hat gezeigt, dass Beton aufgrund seiner tiefen Wärmeleitfähigkeit und der hohen Wärmekapazität einen guten Schutz gegen hohe Temperatureinwirkungen infolge eines Brands bietet. Das Verhalten von Betonen bei erhöhten Temperaturen ist primär von zwei Phänomenen geprägt:
- Änderung des mechanischen Materialverhaltens (Festigkeit, Elastizität, Kriechen), 
- sehr geringe Permeabilität und dadurch Gefahr eines Abplatzens der Betonoberfläche. 

Ersteres ist bereits heute gut erforscht und kann mit Modellen näherungsweise abgebildet werden. Bei Letzterem ist weder das Phänomen restlos verstanden, noch gibt es zuverlässige Modelle, um es abzubilden. 

Bereits im Zug der Teilrevision der SIA-Norm 262:2003 Betonbau stellte die Kommission einen Bedarf für Ergänzungen der Norm zum Thema Brand fest, die jedoch über den Rahmen einer Teilrevision hinausgingen. Deshalb hat die Normkommission SIA 262 anfangs 2013 eine Arbeitsgruppe Brand gegründet; ihre Hauptaufgabe ist die Erarbeitung von Ergänzungen für die Bemessungssituation Brand als Basis für die nächste Revision der SIA 262. Zudem hat die Normkommission die AG Brand beauftragt, den heutigen Wissensstand in einem Artikel zusammenzufassen und die Ziele für das weitere Vorgehen aufzuzeigen. Der vorliegende Text ist ein Abstract der Langfassung, die auf www.sia.korrigenda.ch heruntergeladen werden kann. 

Die Nachweiskonzepte

Für den Nachweis des Feuerwiderstands von Beton stellen die Normen SIA 260 bis 262 verschiedene Konzepte zur Verfügung. Die heute in der Schweiz anerkannten Nachweisverfahren gelten unabhängig von den verwendeten Festigkeitsklassen von Beton. Voraussetzung für die Anwendung der nachfolgenden Nachweiskonzepte ist die wirksame und nachgewiesene Vermeidung von Abplatzungen des Überdeckungsbetons, von Verbundversagen der Bewehrung und von Ausknicken der Druckbewehrung.

Nachweis mit Tabellen: Für verschiedene Bauteile werden die Minimalabmessungen und die minimalen Bewehrungsüberdeckungen für die einzelnen Feuerwiderstandsklassen vorgeschrieben. Die tabellierten Daten basieren auf Erfahrung und der guten Isolationsfähigkeit von Beton und gelten unter den oben erwähnten Voraussetzungen.

Nachweis mit Ingenieurmodellen: Unter Berücksichtigung der infolge erhöhter Temperaturen reduzierten mechanischen Materialeigenschaften werden die Widerstände Rd berechnet. Grundlage dafür ist die Ermittlung der Temperaturverteilung über den Querschnitt. Dabei sind lokale Abplatzungen, die die Integrität des Tragwerks nicht beeinträchtigen und in einem erwiesenen Modell berücksichtigt werden, erlaubt. Parallel dazu sind die Schnittkräfte infolge der abgeminderten Einwirkungen im Brandfall zu bestimmen. Je nach Bauteilart und Modell sind auch die auftretenden Eigenspannungen zu berücksichtigen. Der Nachweis lautet dann Ed   Rd. Zudem ist es möglich, das Verhalten ganzer Bauteile oder Strukturen über die Zeit in Funktion der Einwirkungen zu simulieren. Dies erfordert aufwendige FE-Modelle und viel Spezialwissen. 

Nachweise durch Versuche: Die Normen SIA 260, SIA 261 und SIA 262 erlauben auch den Nachweis über Versuche. Diese erfolgen in der Regel als Brandversuche unter Normbrandeinwirkung nach genauen Prüfvorschriften (EN-Prüfnormen) durch anerkannte Prüfinstitute. Ein Brandversuch gilt explizit nur für das Bauteil, so wie es geprüft wurde (Grundsatz: «Wie geprüft, so eingebaut»).

Nachweise gemäss Eurocodes: Die Nachweise dürfen in der Schweiz auch gemäss Eurocodes geführt werden. Diese bieten für den Nachweis mit Ingenieurmodellen zusätzlich vereinfachte Modelle für verschiedene Bauteile. Mit der Publikation der nationalen festzulegenden Parameter (NDP) zur SN EN 1992 und im Speziellen zur SN EN 1992-1-2 im Mai 2014 durch den SIA kann diese Norm nun auch in der Schweiz angewendet werden. Die Auswahl der darin enthaltenen vereinfachten Modelle ist in den NDP jedoch eingeschränkt. 

Zertifizierung von Bauteilen: Sind die obengenannten Brandversuche erfolgreich, so kann für das geprüfte Bauteil bei der VKF (Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen) eine VKF-Brandschutzanwendung beantragt werden. Diese bestätigt die Anwendbarkeit im Sinn der Schweizerischen Brandschutzvorschriften für den direkten Anwendungsbereich (Grundsatz: «Wie geprüft, so eingebaut»). 

Anders verhält es sich bei einer VKF-Anerkennung für den erweiterten Anwendungsbereich, der Konstruktionsänderungen und Übertragungen auf andere Parameter beinhaltet, die durch Gutachten einer anerkannten Prüfstelle gemacht werden. Dadurch sind z. B. weniger Prüfresultate erforderlich, da Zwischenwerte interpoliert werden können. Grundlage dafür sind Gesetzmässigkeiten (Modelle), die ausreichend durch Prüfresultate verifiziert worden sind.

Das weitere Vorgehen

Voraussetzung für die Anwendung der genannten Nachweiskonzepte ist die Integrität der Tragstruktur. Kommt es zu Abplatzungen, ist diese nicht oder nur noch teilweise vorhanden. Die Überprüfung des Abplatzens von Beton kann im Moment mit Gewissheit nur anhand von Versuchen vorgenommen werden. Je nach Bauteil sind Grossversuche notwendig.

Wesentliches Ziel der AG Brand ist es, das Abplatzverhalten von Betonbauteilen standardisiert und möglicherweise in kleinerem Massstab überprüfen zu können. Dazu ist ein Forschungsprogramm in Vorbereitung. Langfristig geht es darum, Verfahren zu entwickeln, die es erlauben, die Eigenschaften von Beton quantitativ zu benennen – und zwar so präzise, dass sichergestellt werden kann, dass ein Abplatzen im Brandfall nicht oder nur lokal beschränkt auftritt. 

Als Projektpartner für diese Vorhaben sollen v. a. ETHZ, EPFL, Empa, VKF, Fachhochschulen und Industriepartner gewonnen werden. Erste Gespräche fanden inzwischen statt; konkrete Projektdefinitionen werden folgen. Die im Ausland laufenden Arbeiten werden verfolgt und mit berücksichtigt.

Parallel zu den oben genannten Forschungsaktivitäten hat die AG Brand die Ergänzung und Überarbeitung der Ziffer 4.3.10, Bemessungssituation Brand der SIA 262:2013, aufgenommen. Abhängig davon, wann Resultate aus diesem Forschungsprogramm vorliegen, sollen die neuen Erkenntnisse und Nachweiskonzepte in der Form eines SIA Merkblatts publiziert werden oder direkt in die nächste Revision der SIA 262 einfliessen. 

Langfassung des Artikels: www.sia.korrigenda.ch

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