Gewag­tes Tun

Drei Jahre lang arbeitete Florian Hauswirth als Modellbauer beim Möbelhersteller Vitra. Er baute Modelle und Prototypen für bekannte Designer wie Jasper Morrison, Alberto Meda oder die Gebrüder Bouroullec. Bis er sich dachte: «Was die können, kann ich auch.» Heute gehört Hauswirth zu den wenigen Schweizer Nachwuchsdesignern, die international beachtet und ausgezeichnet werden.

Data di pubblicazione
09-02-2012
Revision
01-09-2015

Als kleiner Junge wollte Florian Hauswirth Autodesigner werden. Ein kindlicher Traum, der zumindest zum Teil in Erfüllung ging: Nach einer Ausbildung zum Modellbauer und einem Industriedesignstudium an der Fachhochschule Nordwestschweiz arbeitet er heute tatsächlich als Designer. Doch anstatt sich mit Autos zu beschäftigen, steckt Hauswirth seine Leidenschaft lieber in die Gestaltung von Möbeln und Alltagsgegenständen. Dabei entstehen Produkte wie «Doubleface», eine zweiteilige Vase aus Keramik und Kirschholz, eine papierene Hängeleuchte, «Loppa», der «Just Wood Chair», ein umweltfreundlicher Stuhl, bei dem keinerlei künstliche Klebstoffe verwendet wurden und der zu 100 Prozent aus Holz besteht, oder «Doublefacette», ein Set aus Pfeffer- und Salzmühle.

Form Follows Process

Florian Hauswirths Portfolio enthält die unterschiedlichsten Objekte, und dennoch tragen alle seine Handschrift: Sie kommen schlicht und unaufgeregt daher, sind bis ins kleinste Detail ausgearbeitet und konsequent durchdacht. «Ausgetüftelt», so bezeichnet Hauswirth selber sein Design. Was er damit meint, wird klar, wenn man sich seine Arbeiten genauer ansieht. «Form Follows Process» könnte sein Motto lauten, denn Hauswirth liebt es, innovative Produktionsverfahren und Materialien zu erforschen. Eine zeitintensive Angelegenheit – Scheitern inklusive –, weil eine neue Technologie nur in den seltensten Fällen auf Anhieb funktioniert. «Auch wenn ich wochenlang an etwas herumgeschliffen habe, traue ich mich, in jedem Moment wieder alles zu zerstören, um nochmals von vorne anzufangen.» Ein Modell sei kein Schmuckstück, sondern diene lediglich dazu, eine Idee zu vergegenständlichen das habe er während seiner Zeit als Modellbauer bei Vitra gelernt. Eine wertvolle Erfahrung, von der er auch als Designer profitieren könne.

Innovative Techniken

Für seinen «Just Wood Chair» zum Beispiel experimentierte Hauswirth mit einer neuen Holzverbindungstechnik, dem Rotationsdübelschweissen. Dabei werden durch die beim Einsetzen der Dübel hervorgerufene Hitze die holzeigenen Bindemittel Lignin und Hemicellulose gelöst, und es entsteht in wenigen Sekunden eine stoffliche Schweissbindung. Der Vorteil: Man braucht keinen Kleber. Eine raffinierte, umweltschonende Methode, die Hauswirths Durchhaltevermögen jedoch einmal mehr auf die Probe stellte. Erst zerbrach das Holz, dann zersplitterte es, und bis er endlich herausgefunden hatte, dass sich Ahorndübel am besten eignen, wurde so mancher Entwurf über Bord geworfen. «Man muss das so lange austüfteln, bis es funktioniert und Sinn ergibt», sagt der Industriedesigner und fügt hinzu: «Wenn man etwas macht, muss es auch gewagt sein.»
So entschied er sich etwa kurz vor Beginn der diesjährigen Mailänder Möbelmesse, auch seinen frisch entwickelten Klappstuhl «Pli» aus unbehandeltem Buchenholz nicht mit künstlichem Klebstoff zu fixieren. Stattdessen probierte er es mit Kasein und Fischleim, beides historische Klebemittel, die zum Beispiel schon im frühzeitlichen Ägypten erfolgreich verwendet wurden.

Postfossiler Neo-Handwerker

Weil ihn das Thema Nachhaltigkeit so sehr beschäftigt, hat sich Hauswirth mit fünf anderen Schweizer Designerinnen und Designern zu der Plattform «Postfossil» zusammengeschlossen, über deren Onlineshop auch ihre Produkte zu beziehen sind. Im Team machen sich die ehemaligen Studienkollegen Gedanken darüber, wie man in einem Zeitalter leben wird, in dem fossile Brennstoffe der Vergangenheit angehören.
Und wie sieht unsere postfossile Zukunft gemäss Hauswirth aus? Er ist zum einen davon überzeugt, dass es künftig noch mehr auf Netzwerke und Kooperationen unterschiedlicher Disziplinen ankommen wird. Die Niederlande sind ein grosses Vorbild für ihn. Dort würden zum Beispiel auch Wettbewerbe für Architektur in Verbindung mit Design ausgeschrieben. «Das wäre in der Schweiz auch spannend», findet Hauswirth, der gerne einmal Möbel im Zusammenhang mit Architektur herstellen würde. Zum anderen glaubt der Designer, dass nachhaltige Materialien wie Naturcomposit oder Holz angesichts knapper werdender Ressourcen künftig noch wichtiger werden. Aber auch das Handwerk werde weiterhin im Trend liegen – als Antwort auf die schnelllebige Kultur der Massenproduktion. Für Hauswirth ist ein Designer heute sowieso eine «neue Art von Handwerker». Anliegen dieses Neo-Handwerkers müsse es sein, das handwerkliche Know-how auch in Zeiten der maschinellen Herstellung zu pflegen und weiterzuführen – sonst gehe es irgendwann einfach verloren. 

Florian Hauswirth
Florian Hauswirth, geboren 11.12.1976, lebt und arbeitet in Biel. Die Arbeiten des dipl. Technischen Modellbauers und dipl. Industriedesigners FH wurden u.a. mit dem ersten Preis des Nike Play Award 2005 und dem Wallpaper Design Award «best vase» 2010 ausgezeichnet. www.florianhauswirth.chwww.postfossil.ch

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