Der neue al­te Bill

Möbel von Max Bill (1908–1994) wurden nur kurze Zeit hergestellt. Eine prominente Ausnahme ist der Ulmer Hocker: 1954 für die Ulmer Hochschule für Gestaltung entworfen, ist er heute eine Designikone. Der Quadratrundtisch hingegen dürfte nur Bill-Fans ein Begriff sein. Der Möbelhersteller und -händler Wohnbedarf produzierte anlässlich seines 80-Jahr-Jubliläums eine Re-Edition von Max-Bill-Möbeln.

Data di pubblicazione
07-02-2012
Revision
01-09-2015

Not macht bekanntlich erfinderisch. Das gilt auch für Jakob Bill, den Sohn des Schweizer Gestalters und Künstlers Max Bill. Dass ausgerechnet der Ulmer Hocker, das bekannteste Möbelstück seines Vaters, nicht mehr produziert werden sollte, kam für Jakob Bill nicht infrage. Als das Vitra Design Museum vor gut zwei Jahren entschied, das minimalistische Kultobjekt nicht weiter herzustellen, wandte sich Bill an jene Schweizer Firma, die mit dem Namen Max Bill verbunden ist wie keine andere: Wohnbedarf. Anfang der 1930er-Jahre entwarf Max Bill nicht nur deren markantes Firmenlogo, auch einige seiner Möbel entwickelte er exklusiv für das Unternehmen. Noch zu Lebzeiten erteilte Max Bill den Zürchern die Lizenz, den Hocker aus drei Holzbrettern und einer Rundholzstange anzufertigen – was die Firma von 1990 bis 2001 auch tat.
Jakob Bills Anfrage stiess bei Wohnbedarf auf Interesse. Da er auch die Lizenzen für alle übrigen Möbelentwürfe seines Vaters geerbt hatte, ging er noch einen Schritt weiter: «Wer den Hocker haben will, muss auch den Rest der Möbel herstellen.» Gemeint waren der Dreirundtisch, der Quadratrundtisch, der Clubtisch, der Dreibein- und der Kreuzzargen-stuhl sowie ein Barhocker. Eine anspruchsvolle Bedingung, auf die sich das Zürcher Möbelgeschäft jedoch einliess. Für das Unternehmen sind Bills Entwürfe ak­tueller denn je.
Der Schweizer Gestalter propagierte schon damals Werte für das Design, die auch heute relevant sind: Langlebigkeit und Umweltschutz. Natürlich mag neben der Ethik auch die Ästhetik eine Rolle gespielt haben: Reduziertes Design mit Retroaura steht auch bei der jüngeren Generation hoch im Kurs. Zur siebenteiligen Re-Edition gehören Möbelstücke, die Bill Ende der 1940er-Jahre für wohnbedarf entworfen hat, so der Dreibeinstuhl von 1949 und der Quadratrundtisch, der in Zusammenarbeit mit wohnbedarf entstand und nur zwölf Jahre produziert wurde. Das Besondere: Die linoleumbeschichtete Tischplatte lässt sich durch Drehen von einer runden in eine quadratische Form verwandeln. Ein Entwurf, mit dem Max Bill seine Vorstellung von konkreter Kunst ins Design übertrug.
Beim Vergleich von Original und Neuauflage fällt eines sofort ins Auge: Die Linoleumplatte der neuen Variante glänzt nicht mehr, ist matt. Der Unterschied rührt daher, dass für die aktuelle Produktion ein neuartiges Lino­leum verwendet wurde – laut Jakob Bill ist es widerstandsfähiger. Und hier stellt sich wieder die Frage aller Fragen, wenn es um Re-Editionen von Designklassikern geht: Wie kann ein Produkt originalgetreu im Sinne des Designers sein, wenn es aus anderen Materialien besteht als das Original? «Mein Vater wäre zufrieden, weil auch er immer das Neues­te haben wollte», antwortet Jakob Bill. Dass modernisierte Bill-Möbel nichts für Sammler sind, ist klar. Aber für alle anderen Designinteressierten, die ein Stückchen Bill haben möchten, das einwandfrei funktioniert, ist die neue Max-Bill-Kollektion eine echte Alternative.

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