Hän­gewer­ke aus Holz

Spreuerbrücke Luzern. Instandsetzung: Ingenieure Schubiger AG, Luzern; Beat Lauber, Ingenieur­büro für Holzbau, Luzern

Die Spreuerbrücke, eines der Wahrzeichen der Stadt Luzern, besteht weitgehend aus originalen Konstruktionsteilen aus dem 16., 18. und 19. Jh. Das Holzbauwerk ist zwar bemerkenswert gut erhalten, seit 2005 sind aber gravierende Schäden zutage getreten, die eine umfassende Instandsetzung nötig machten. Diese erfolgte 2010/11 durch die Luzerner Ingenieure Schubiger AG und Beat Lauber in enger Zusammen­arbeit mit der kantonalen Denkmalpflege. Die Tragsicherheit, die Gebrauchstauglichkeit und die Dauerhaftigkeit wurden ohne Veränderung des ursprünglichen Erscheinungsbildes wiederhergestellt.

Data di pubblicazione
08-01-2012
Revision
01-09-2015

Bereits um 1300 bestand in Luzern ein Steg vom Ufer des heutigen Mühlenplatzes am rechten, nördlichen Reussufer zu den Stadtmühlen, die in Flussrichtung hintereinander auf festen Inseln in der Reuss standen. In einem späteren zweiten Schritt entstand die längere Verbindung zum linken Ufer, wo sich heute das Historische und das Naturhistorische Museum befinden. Die heute als Spreuerbrücke1 bekannte durchgehende Verbindung der beiden Ufer wurde nach der Kapellbrücke, also nach den 1360er-Jahren, aber mutmasslich noch vor 1400 errichtet. 1493 / 94 sprach man noch von zwei Brücken, der südliche Brückenarm wurde als Spreuerbrücke und der nördliche Teil als Mühlensteg bezeichnet.2 Gegeben durch die Entstehungsgeschichte als zwei verschiedene Bauwerke weist der Verlauf der Fahrbahn über der Mittelinsel einen charakteristischen Knick auf. Als Fussgängerverbindung hat die Brücke bei Einheimischen im Alltag einen hohen Stellenwert und wird im Stadtbild, trotz ihrer historischen Heterogenität, als Ganzes wahrgenommen. Sie bildet den Abschluss der ehemaligen Stadtbefestigung über das Wasser hinweg und ist ein wesentlicher und prägender Bestandteil des national bedeutenden Stadtbildes von Luzern.

Die Reuss im Umfeld der Brücken

Heute gibt es noch eine mit einigen Bäumen bestandene, längliche Insel in der Reuss. Ihre mit Ufermauern gesicherte unterwasserseitige Spitze bildet die Mittelinsel der Spreuerbrücke. Eine von der flussaufwärts gelegenen Spitze der Insel ausgehende Mauer teilt das Flussbett auf ca. 100 m in Längsrichtung. Der breitere, südliche Flussarm wird oberwasserseitig durch das 1860 erstellte hölzerne Nadelwehr reguliert und fliesst anschliessend frei unter dem Südarm der Spreuerbrücke durch. Seit 1889 nutzte das historische Kraftwerk Mühleplatz, anstelle diverser älterer Mühlen, den nördlichen Flussarm für die Produktion zuerst mechanischer, ab 1926 dann elektrischer Energie. Das Maschinenhaus dieses Werks wurde unmittelbar am nördlichen Brückenende der Holzbrücke vor dem Mühlenplatz erstellt. Das nicht im Kraftwerk genutzte Wasser floss frei unter dem Nordarm der Spreuerbrücke durch. Diese Disposition der Anlage wurde (im Prinzip) auch für das neue Kraftwerk Mühleplatz beibehalten, das 1998 die über 100-jährige Anlage der Pionierzeit ersetzte. Da das neue Maschinenhaus etwas südlicher positioniert ist, musste der Unterwasserkanal mit einer einfeldrigen Betonplattenbrücke überquert werden, die unmittelbar an das Nordende der historischen Holzbrücke anschliesst.

Die heutigen Brücken

Im Sommer 1566 verursachte ein Hochwasser erhebliche Schäden am südlichen Brückenarm. In der Folge wurde das Bauwerk in der heute bestehenden Form mit drei Brückenfeldern neu errichtet. Die zwei südlichen Felder wurden mit doppelten Hängewerken als Haupttragwerk erbaut, das kürzere, nördliche Feld war als einfaches Hängewerk konzipiert. Die heute vorhandenen äusseren Felder des südlichen Brückenarms sind 1568 / 69 erstellt worden. Das Mittelfeld hingegen wurde 1785 / 86 wegen zu starken Durchhangs erneuert. Die ältesten erhaltenen Holzbauteile, die im nördlichen Bereich des Südarmes liegen, konnten in die Zeit zwischen 1450 und 1455 datiert werden. Der nördliche Steinpfeiler des südlichen Brückenarms stammt aus den Jahren 1710 / 11 und der südliche Steinpfeiler von 1718 / 19.
Der nördliche Brückenarm, der sogenannte Mühlensteg, wurde 1591 ersetzt und 1785 wieder als offener, befahrbarer Brückensteg erneuert. Schliesslich erbaute Holzwerkmeister Joseph Ritter 1805 diesen Brückenarm als Bogenträgerkonstruktion neu, ein Jahr später erhielt das (nördliche) Brückenende beim Marktplatz ein Portal. Die aus drei verschiedenen Jahrhunderten stammenden Tragwerke machen die Spreuerbrücke zu einem technikgeschichtlich eindrücklichen Denkmal.

Sakrale Kunst am Bauwerk

Die in ihrer heutigen Form auf das Jahr 1566 zurückgehende Spreuerbrücke ist eine der bedeutendsten und ältesten gedeckten Holzbrücken der Schweiz. Die Ausschmückung der Dreiecksgiebel mit einem Bilderzyklus und eine kleine Brückenkapelle machen sie zu einem Kulturgut von nationaler Bedeutung und auch zu einem einmaligen Freilichtmuseum. Der Bilderzyklus, ein zwischen 1626 und 1635 von Kaspar Meglinger geschaffener Totentanz, ist ein wichtiges Denkmal luzernischer Malerei des siebzehnten Jahrhunderts. Er gilt als grösster Totentanzzyklus in Europa.
Bereits 1568 / 69 bestand auf der Oberwasserseite des südlichen Pfeilers ein erkerartiger Holzanbau mit Spitzgiebel. Die Nutzung als Kapelle lässt sich jedoch frühestens im siebzehnten Jahrhundert nachweisen. 1890 erhielt die Kapelle die heutige Holzfront zur Brücke, eine von Seraphin Weingartner geschaffene Schaufassade.
1806 erhielt das nördliche Ende der Brücke ein Portal gegen den Marktplatz. Im Giebelfeld dieses Portals ist eine halbe Urne angebracht, zwei rote Hähne bilden ihre Henkel, und in der Mitte der Urne zeigt sich ein ovales Medaillon: Chronos, der Gott der Zeit, ist geflügelt und hält in der einen Hand eine Sense, in der anderen ein Stundenglas.

Alarmzeichen und Überprüfungen

Die Brücke zeigte einige Abnützungserscheinungen und grosse Durchbiegungen. Bereits 2005 sind – als Sofortmassnahmen nach einer Hauptinspektion mit alarmierenden Ergebnissen – Kolkschutzmassnahmen an den Pfeilern und Widerlagern ausgeführt worden. Zudem wurde eine unterstützende Stahlkonstruktion im ersten Hängewerkfeld auf Seite Kasernenplatz, wo der unterwasserseitige Zuggurt gebrochen war, eingebaut; dazu Knicksicherungen der Hängewerkstreben. Eine umfassende Überprüfung und Instandsetzung des Tragwerks war 2005 um fünf Jahre zurückgestellt worden, um die Arbeiten mit der anstehenden Erneue­rung der Reusswehranlage zu koordinieren.
Das Brückentragwerk wurde im Juni 2009 mittels fotogrammetrischer 3-D-Laserscannings verformungsgerecht aufgenommen. Mit Bohrwiderstandsmessungen, Holzfeuchtemessungen und visueller Klassierung wurde die Holzfestigkeit der Haupttragelemente ermittelt, und die Schäden an Hölzern und Verbindungen wurden kartiert. Die Modellierung des Bauwerks als dreidimensionales Fachwerk diente als Grundlage für die detaillierte Tragwerksanalyse.
Die Zustandsuntersuchung zeigt im Wesentlichen, dass das Holzwerk des Haupttragwerks zwar abgewittert und abgenützt, aber – mit Ausnahme der unterwasserseitigen Zuggurte der Hängewerke (an der Wetterseite) – für sein ehrwürdiges Alter mit genügender Festigkeit und in gutem Zustand erhalten ist. Das Konstruktionsholz konnte insgesamt der Klasse C24 zugewiesen werden. Tief greifende Fäulnisschäden kamen einzig an den wetterseitigen Zuggurten der Hängewerke zum Vorschein. Pilzbefall lag glücklicherweise nirgends vor. Viele Verbindungen waren jedoch überlastet, Stahlteile sehr stark korrodiert, die meisten Querunterzüge beschädigt, ausgerissen und behelfsmässig repariert.

Überbeanspruchte Konstruktion

Die statische Überprüfung legte einige grundsätzliche Schwachstellen offen: Bei den Hängewerkbrücken erlitten wegen der fehlenden Bugstreben die Zuggurte und die Streben unzulässig grosse Biegemomente. Die Horizontalstabilität der Brücken war wegen fehlender bzw. schwacher Verbände und schwacher Rahmeneckenverbindungen bei weitem nicht gewährleistet. Die meisten Versätze und Verbindungen waren nach heutiger Norm sehr stark überbeansprucht.
Bei der Bogenbrücke waren die Bogenquerschnitte aus Einzelbalken ohne Verbindung untereinander zusammengefügt. Die Knicksteifigkeit der einzelnen Balken in der Tragwerksebene war relativ gering. Zudem wich die Achse des kontinuierlich gekrümmten Bogens beträchtlich von der Drucklinie ab; es war eine (für den einzelnen Balken wesentliche) Exzentrizität vorhanden. Die obersten Balken wurden deshalb weggedrückt und weitgehend der Belastung des Bogentragwerks entzogen.
Beim Bogenwiderlager auf der Mittelinsel erwies sich die Gesamtstabilität als ungenügend, beim Widerlager auf Seite Mühlenplatz war ein Auflager zu schwach; diese Schwachstellen wurden bereits 2009 behoben.

Historisch respektvolle Instandsetzung

Aufgrund der Befunde der Überprüfungen hat die Stadt Luzern eine umfassende Instand-setzung der Brücke beschlossen. Wegen der Bedeutung des Bauwerks erfolgte die Instandsetzung in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege. Ein wichtiges Prinzip war beispielsweise, dass schadhafte Elemente wenn immer möglich repariert und nicht einfach ersetzt werden, um so möglichst viel originale Substanz zu erhalten. Unumgängliche Reparaturen, Ergänzungen und statische Verstärkungen wurden mit grosser Sorgfalt und handwerklichem Können und (wo immer möglich) als reversible Eingriffe ausgeführt, um in der Qualität der Ausführung den historischen Teilen ebenbürtig zu sein. Das Tragwerk sollte eine den heutigen SIA-Normen (Swisscode 2003) entsprechende Tragsicherheit aufweisen; bei den Schwingungen und Durchbiegungen waren vernünftige Kompromisse möglich.

Instandsetzungsprojekt

Die Instandsetzung beschränkte sich im Wesentlichen auf die Behebung von örtlichen Schäden, die Ergänzung fehlender Teile, die Verstärkung von Verbindungen und den Einbau von Stabilitätsverbänden. Von den Balken des Haupttragwerkes mussten lediglich Teile der unterwasserseitigen Zuggurte ausgewechselt werden.
Die auffälligste Massnahme nebst dem Teilersatz der Zuggurte war der (Wieder-)Einbau von Bugstreben in allen drei Feldern der Hängewerkbrücke. Diese Bugstreben eliminieren die grosse Biegebeanspruchung der Zuggurte und reduzieren deren Spannungen auf ein tragbares Mass. Im ersten und dritten Brückenfeld waren früher solche Bugstreben vorhanden; die letzten, beim südlichen Widerlager, wurden 1972 entfernt. Beim jüngeren Brückenfeld waren anstelle der früheren Bugstreben überlange Sattelhölzer verwendet worden, deren Unwirksamkeit an ihren Verformungen deutlich ablesbar war. Die Auflager der Bugstreben liegen oberhalb des Höchstwasserspiegels von 434.03 m ü. M. und beeinträchtigen den Abfluss nicht.
In allen drei Feldern der Hängewerkbrücke wurden die Strebenanschlüsse an Zuggurten und Hängesäulen verstärkt. Dies geschah mit nicht rostenden Schlitzblechen und Stabdübeln. Die hölzernen Bolzen der Hängesäulen und die Querunterzüge unter den Zuggurten im 1. und 3. Feld wurden ebenfalls ersetzt. Im 2. Brückenfeld, das mit eisernen Aufhängungen an den Hängesäulen konstruiert ist, wurden diese Aufhängungen durch gleiche Bauteile aus nicht rostendem Stahl ersetzt. Im 1. und 3. Feld wurden in der Bodenebene hölzerne Windverbände eingesetzt; im 2. Feld wurde der bestehende Verband verstärkt. An der ganzen Hängewerkbrücke wurden die unterwasserseitigen, auf der Windangriffsseite liegenden Rahmenecken mit nicht rostenden Vollgewindeschrauben verstärkt.
An der Bogenbrücke wurden als hauptsächliche Verbesserungsmassnahme die sechs Balken, die den Bogen bilden, mit nicht rostenden Zugstangen zusammengespannt, um das Ausknicken der obersten Stäbe zu verhindern. Die stark korrodierten eisernen Aufhängungen des Brückenbodens an der zweiteiligen Hängesäule sind bereits 2009 durch gleiche Bauteile aus nicht rostendem Stahl ersetzt und mit zusätzlichen Stahlbolzen verstärkt worden.
Die seitlichen Schalungen der Brücken waren insbesondere unterwasserseitig, also auf der Wetterseite, stark verwittert und mit Flechten bewachsen. Die Schalungen wurden soweit möglich instand gesetzt und wo nötig ersetzt. Weitere Massnahmen umfassten den vollständigen Ersatz der stark abgenützten Gehbeläge, die Instandsetzung der schadhaften Ziegeldächer und die Erneuerung der Brückentechnik (Beleuchtung, Videoüberwachung, Brandmelde- und Sprinkleranlage).

Überwachung und Unterhalt

Die künftige Überwachung des wertvollen Bauwerks ist in einem umfassenden, detaillierten Kontroll- und Unterhaltsplan festgelegt. Die Hauptelemente dieses Plans sind systematische visuelle Kontrollen, ein detailliertes Nivellement, das die Feststellung und Lokalisierung jedwelcher Veränderungen gestattet, sowie ein sorgfältiger betrieblicher und baulicher Unterhalt. Die gesamten Kosten der Instandsetzung inklusive Vorarbeiten betragen rund 2.3 Mio. Fr., daran leistet die Denkmalpflege von Bund und Kanton 560 000 Fr. Darin enthalten sind ca. 0.9 Mio. Fr. für die Sofortmassnahmen von 2005 und Provisorien.
Die Hauptarbeiten der Instandsetzung sind im Dezember 2010 in Angriff genommen worden. Seit dem 1. April 2011 ist die vollständig instand gesetzte Brücke für die Fussgänger wieder geöffnet. 

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