Er­leb­ni­scen­ter «Pri­meo Ener­gie Ko­smos»

In Münchenstein (BL) steht neu ein dreigeschossiges, in zirkulärer Bauweise erstelltes Erlebniscenter neben dem nun renovierten Elektrizitätsmuseum. Es dient der Wissensvermittlung für «Primeo Energie», dem Versorgungsunternehmen für Energie. Das von Rapp Architekten aus Basel geplante dreigeschossige Gebäude ist als Holzbau konstruiert.

Data di pubblicazione
03-01-2023

Wenn ein Energielieferant, der sich für Nachhaltigkeit engagiert, ein Wissensvermittlungs-Zentrum plant, dessen Zweck es ist, das Bewusstsein für Energiewende und Klimaneutralität zu schärfen, dann ist es nur konsequent, das Gebäude selbst vorwiegend zirkulär zu erbauen.

Früher war es nicht unüblich, Baumaterialien von Ruinen, von aufgegebenen Bauten oder Abbruchhäusern für Neubauten zu nutzen. Erst mit fortschreitender Technisierung, der leichteren Gewinnung von Rohstoffen und der Herstellung von (Verbund-)Materialien haben wir verlernt, mit Baustoffen sparsam und ökologisch umzugehen, indem wir sie mehrfach verwenden. Inzwischen befinden wir uns wieder in einer Umbruchphase: Angesichts des Klimawandels und des hohen CO2-Ausstosses, an dem die Bauwirtschaft wesentlich beteiligt ist, zeichnet sich ein Umdenken ab.

Einige Architekturbüros befassen sich bereits intensiv mit Recycling und mit dem Re-Use von Bauteilen und haben auf ihrem Weg zück in die Zukunft erste Erfahrungen gesammelt, so auch Rapp. Doch die Spolien (Teile von älteren Bauten) von heute sind keine Marmorblöcke oder Säulenschäfte, sondern – wie in diesem Fall – ausgediente Hochspannungsmasten, ehemalige Bootshausdielen, oder ausrangierte Waschbecken.

Klimaschutz, Energie und Nachhaltigkeit erlebbar machen

«Primeo Energie Kosmos» ist ein Science- und Erlebniscenter für Bildung und Wissensvermittlung, in dem Interessierte und insbesondere Schülerinnen und Schüler aller Altersklassen die Themen Klima und Energie interaktiv erleben können. Anlässlich des 125-jährigen-Jubiläums der Genossenschaft Elektra Birseck Münchenstein EBM wurde das bereits bestehende Elektrizitätsmuseum saniert, mit dem Neubau ergänzt und der gesamte Komplex Primeo Energie Kosmos im Oktober 2022 eröffnet.

Das Museum dokumentiert die Vergangenheit. Das Erlebniscenter wagt den Blick in die Zukunft. Sowohl im sanierten und modernisierten Altbau als auch im Neubau ist erlebbar, was der Klimawandel bedeutet und wie die Energiewende geschafft werden kann. Neben einer rund 45-minütigen Erlebnisshow im ehemaligen Elektrizitätsmuseum stehen im Neubau auf zwei Stockwerken ausgewählte Experimentierstationen rund um Phänomene zu Klima- und Energiethemen zur Verfügung.

Holz als Kernstück für Widerverwendung

Auch das Gebäude selbst macht die Themen: Mehr als zwei Drittel seiner Bauteile sind recycelt, wiederverwendet, oder aus nachwachsenden Rohstoffen und stammen, wann immer möglich, aus der Region, um graue Energie durch weite Transporte zu vermeiden. Wenn Re-Use aus statischen, juristischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht möglich war, so sollte das neue Material selbst wiederverwertbar sein, damit es in der Zukunft dem Kreislauf zugeführt werden kann – also hochwertig und von dauerhafter Qualität, sortenrein und unbehandelt. Ein rezykliertes Gebäude, das selbst wieder rezyklierbar sein wird, war das erklärte Ziel.

Das dreigeschossige Hauptvolumen ist ein Holz-Skelettbau mit grossen Spannweiten von rund sieben Metern. Die Konstruktion des roh belassenen und unverkleideten Massivholzes aus der Region ist im Innern sichtbar. Im zweigeschossigen Luftraum führt eine Spindeltreppe aus Stahl nach oben, für den Treppenbelag kam das Holz zum Einsatz, das von der eigenen provisorischen Bautreppe übrig war.

Die Holzdielen in den Obergeschossen stammen zur Hälfte aus einem Bootshaus von 1911 in Kaiseraugst. Andere gebrauchte Bauteile im Innenausbau stammen aus der Bauteilbörse in Klybeck (Basel), darunter eine komplette Küche. Die Nasszellen sind fast ausschliesslich mit ausrangierten Elementen wie Waschbecken, Trennwänden oder Armaturen eingerichtet, und die gefliesten Oberflächen sind Restposten oder stammen aus aussortierten Produktionen. Das gesamte Beleuchtungskonzept basiert auf Leuchten aus Abrissobjekten. Dafür wurden die Leuchten teilweise repariert und mit LED-Leuchtmitteln bestückt.

Auch bei der Fassadenverkleidung des Holzbaus konnte auf Restmaterial einer anderen Baustelle, einer Wohnsiedlung im Raum Luzern, zurückgegriffen werden. Der günstige Verschnitt aus Kompaktlaminat besteht aus unterschiedlich dimensionierten Teilen, was einen Mehraufwand bei der Planung und Montage sowie ästhetische Kompromisse erforderte.

Faraday-Käfig als formgebende Baucharakteristik

Eine zentrale Rolle spielen die 60 Jahre alten Hochspannungs-Gittermasten, die als Schrottmaterial dem Netzbetreiber Swissgrid abgekauft wurden. Anstatt eingeschmolzen zu werden, ummanteln sie jetzt die Laubengänge, die eine ebenfalls stählerne Gitterstruktur rund um den hölzernen Kubus bilden. Ursprünglich sollten die gebrauchten Masten tragend eingesetzt werden, doch da die aussen liegenden Gänge auch als Fluchtweg dienen, liessen die Baubestimmungen dies nicht zu.

So bilden die ehemaligen Strommasten jetzt ein Gerüst für Kletterpflanzen, was wiederum der Verschattung und damit dem (Raum-)Klima dient. Zudem sind die Laubengänge eine nicht zu beheizende Erschliessungszone, sodass sich das beheizte Innenvolumen reduzieren lässt. Innen kehrt das Masten-Motiv an den Brüstungen wieder. Die Gitterstruktur gleicht einem faradayschen Käfig und verlieh dem damaligen Wettbewerbsprojekt den Namen «Faraday».

Planen und bauen als Prozess

Um all die vielen unterschiedlichen Bauteile und Materialien koordinieren zu können und bei Bedarf zu variieren, arbeiteten auch die Architekten der Partnerbaustellen mit detailliert ausgearbeiteten digitalen Modellen, sodass die Mengen und Geometrien des Restmaterials wie etwa der Fassadenplatten frühzeitig planbar waren. Denn der Planungsprozess wird bei dieser Bauweise gewissermassen umgekehrt: Er muss sich an den vorhandenen Bauteilen orientieren und sich entsprechend anpassen.

Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, dass das Planen und Bauen der Zukunft als Prozess verstanden werden muss, denn von allen Akteuren erfordert es viel Flexibilität, Bereitschaft zum Umdenken und zu Kompromissen. Die Mehrkosten für die Planung und die notwendige qualifizierte handwerkliche Arbeit werden durch die geringeren Materialkosten wieder ausgeglichen.

Es findet also, obwohl die Baukosten unter dem Strich mit einem konventionellen Neubau vergleichbar sind, eine Verlagerung der Wertschöpfung statt: Hin zum Handwerk und zu einer neuen Rolle des Architekten – und zur Digitalisierung. Denn das eigentlich traditionelle zirkuläre Bauen kann durch digitale Prozesse einfacher und effizienter werden – damit möglichst viele Teile im Kreislauf bleiben.

Das Bauprojekt ist Teil einer Studie des Schweizer Bundesamts für Energie (BFE). Dieses analysiert, wie gross die wirtschaftlichen und nachhaltigen Auswirkungen einer Kreislaufwirtschaft auf den gesamten Lebenszyklus von Bauprojekten tatsächlich sind.

Primeo Energie Kosmos, Science und Erlebniscenter, Münchenstein, BL

 

Bauherrschaft
EBM (Genossenschaft Elektra Birseck Münchenstein), Münchenstein, BL

 

Architektur, Generalplanung, Tragwerksplanung, Brandschutz, Akustik
Rapp, Münchenstein, BL

 

Wettbewerb
2019 (Einstufiger Wettbewerb)

 

Baugenehmigung
Mai 2021

 

Bauzeit
August 2021bis März 2022

 

Eröffnung
Oktober 2022

 

Forschungspartner
EPFL Structural Xploration Lab, Lausanne

 

HL-Planung / Bauphysik
Waldhauser + Hermann, Münchenstein, BL

 

Elektroplanung
Pro Engineering, Basel

 

Sanitärplanung
Anima Engineering, Basel

 

Solarplanung
aventron, Zürich

 

Ausstellungsplanung
Bellprat Partner, Zürich

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