Stu­die­ren wie auf Rei­ster­ras­sen

Der Campus der Universität Wageningen (NL) erhält ein neues Gebäude. Mit einem offenen und «grünen» Neubau möchte das Architekturbüro LIAG eine gesunde Umgebung für die Studierenden und Mitarbeitenden schaffen.

Data di pubblicazione
18-11-2020

Im niederländischen Wageningen wird auf dem Campus der WUR (Wageningen University and Research), einer auf human- und umweltwissenschaftliche Forschung spezialisierten Universität, ein neues Unterrichtsgebäude errichtet. Augenfällig ist die Transparenz des Gebäudes und die Verbindung von Innen- und Aussenraum. «Wir möchten Forschung und Lehre sichtbar machen und durch eine offene Gestaltung zeigen, was sich im Gebäude abspielt», sagt Thomas Bögl vom Architekturbüro LIAG, das 2017 den selektiven Wettbewerb mit dem Projekt «Aurora» gewinnen konnte.

Im Mittelpunkt steht ein gebäudehohes Atrium, das von zurückspringenden und begrünten Terrassen gebildet wird. Thomas Bögl: «Diese Stapelung erinnert ein wenig an Reisterrassen. So erreichen wir, dass extraviel Tageslicht in alle Räume des Gebäudes gelangt.»

Das Erdgeschoss ist ein gros­­ser offener Raum, der das Gebäude mit dem Aussenraum verbindet. Die Baumstruktur aussen wird von den Bäumen im Innern auf­genommen. In diesem grossen Vo­lumen sind verschiedene Pop-up-­Res­taurants und andere öffentliche Räume vorgesehen.

Im ersten Obergeschoss betritt man die zwei grossen Hörsäle.1 Je weiter man die folgenden vier Stockwerke nach oben steigt, desto privater wird die Nutzung: durch Seminarräume, Labore mit Nebenräumen oder Büros der Verwaltung. Die Anordnung der Räume trägt zu einem kontrollierten Studentenstrom durch das Gebäude bei. 

Eine zentrale Treppe führt durch das Gebäude. «Wir möchten generell, dass unsere Gebäude die Menschen motivieren, sich im Alltag mehr zu bewegen», sagt Thomas Bögl. Das ist auch in Wageningen das Ziel und der Grund, warum die Lifte die ersten beiden Stockwerke nur nach Eingabe eines Codes bedienen, der ausschliesslich Personen mit eingeschränkter Mobilität zur Verfügung steht. Entlang der Treppe und der Terrassen sowie auf zwei breiten Brücken im Atrium bilden sich Lern-, Arbeits-, und Aufenthalts­bereiche aus, die für die Studierenden gestaltet werden. Im Untergeschoss befindet sich ein grosser Fahrradparkplatz, die Gebäudetechnik ist auf dem Dach untergebracht.

Modular und flexibel

Die Fassade wird geprägt von grosszügigen Glasflächen. Gegliedert wird sie zudem durch weisse Betonbänder, die von innen nach aussen durchlaufen und die Gebäudestruktur nachzeichnen. Diese Bänder sind schräg angeordnet, um an den Südflächen für die nötige Verschattung zu sorgen und im Atrium das Licht bis tief ins Gebäude zu reflektieren. Ausserdem berechneten die Planer, dass diese Schrägstellung auch zu einer besseren Akustik beiträgt.

Neben den Betonbändern wird das Interieur des Gebäudes von Holzvertäfelungen, Glas und anthra­zitfarbenen Stahlelementen geprägt. Die Inneneinrichtung orientiert sich bei der Farbstellung und den Mustern an verschiedenen Naturthemen. Die Unterrichts- und Forschungsräume bilden zusammen mit den Erschliessungskernen und Nassräumen eine kompakte Grundstruktur. Da je nach Unterrichtsform und Gruppengrösse schnell andere Räume gebraucht werden, ist das Gebäude modular aufgebaut: Auditorien oder Labore lassen sich zu grösseren Einheiten verbinden.

Die Bauherrschaft verlangte bereits im Wettbewerb, im Entwurf neue Lernformen mitzudenken. Thomas Bögl erinnert sich: «Die Architektenteams waren aufgefordert darüber nachzudenken, wie sich die Art des Unterrichtens künftig entwickeln könnte – und was die Konsequenzen für die Gestaltung von Laboren oder Unterrichtsräumen wären.»

Eine weitere Wettbewerbs­bedingung war eine Umsetzung in drei Phasen. Schlussendlich werden nun die angedachten Phasen 1 und 2 zeitgleich umgesetzt. Der L-förmige Bau am westlichen Rand des Campus der WUR soll im September 2021 bezogen werden. Wann der nächste Bauabschnitt folgt, ist zeitlich noch nicht fixiert. Entstehen wird dann ein zweites L-förmiges Gebäude – punktgespiegelt, sodass sich abschliessend eine S-Form ergibt.

Und die Architekten haben vorgesorgt: Die Materialien aller Elemente, die an ein weiteres Gebäude grenzen würden, lassen sich problemlos entfernen und wiederverwenden.

 

Anmerkung

1 Die Hörsäle haben eine anstei­gende Stuhlanordnung. Das heisst, der Dozent steht im Erdgeschoss, und die Studenten sitzen auf den Tribünen, die vom 1. OG erschlossen werden.

 

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