Sa­kral­bau für die Po­p­mu­sik

Projektwettbewerb im Einladungs­­verfahren: Konzertclub Neue Kuppel, Basel

Der Konzertclub «Kuppel» zwischen Zoo Basel und Heuwaage, einst als Provisorium errichtet, soll ein definitives Zuhause erhalten. Vécsey Schmidt Architekten nehmen die Bezeichnung des Clubs wörtlich und entwerfen einen Kuppelbau mit Anleihen von der Renaissance bis in die Gegenwart.

Data di pubblicazione
05-12-2019

In Basel entstand in den letzten Jahren zwischen Zoo und Heuwaage ein neuer Stadtpark nach den Plänen des Landschaftsarchitekturbüros David & von Arx. Das sogenannte Nachtigallenwäl­deli wurde dadurch grösser, heller und sicherer. Es kamen Grünflächen hinzu, ein Gebäude wurde zugunsten des Parks abgebrochen und der bisher eingedolte Fluss Birsig bei der Heu­waage freigelegt. Die netz­artige Wegführung sieht aus der Vogelperspektive aus wie das Fellmuster einer Giraffe und bezieht sich auf das Wegnetz des Zoologischen Gartens.

Seit 1988 stand der Konzertclub «Kuppel» im Nachtigallen­wäldeli und erwarb sich mit der Zeit bei Bands und Publikum einen hervorragenden Ruf. Das Angebot entsprach einem grossen Bedürfnis der regionalen Popszene, in der gegen 900 Bands aktiv sind. Doch das Zelt mit allerlei improvisierten Anbauten war ein zonenfremdes Provisorium und musste deshalb 2016 abge­brochen werden. Das Siegerprojekt des 2002 entschiedenen Wettbewerbs für einen Neubau von Lost Architekten, Basel, wurde wegen fehlender Finanzen und ungeklärter rechtlicher Fragen nie ausgeführt.

Im zweiten Anlauf verspricht Tobit Schäfer, Präsident der Stiftung Kuppel, Besserung: «Alle rechtlichen, finanziellen und politischen Rahmenbedingungen sind gegeben. Wir können loslegen.» Für den Neubau stehen rund 7 Millionen Franken zur Verfügung. 1.7 Millionen steuert der Kanton Basel-­Stadt für die Proberäume bei, den Rest übernehmen private Spende­rinnen und Spender. Wichtigster Bestandteil des Raumprogramms ist der Konzertsaal für bis zu 600 Personen. Dazu kommen Bar, Foyer, Garderoben, Lagerräume, ­Toiletten, Technikräume und acht Proberäume für Bands. Um Lösungsansätze für diese Aufgabe zu erhalten, hat die Stiftung Kuppel acht junge Architekturbüros zu einen Projektwettbewerb eingeladen. Das Verfahren «orientiert» sich an der Ordnung für Architektur- und Ingenieurwettbewerbe SIA 142. Diese schwammige Formulierung ist irreführend und unverbindlich, weil unklar bleibt, welche Bestimmungen der Ordnung angewendet werden sollen und welche nicht.

Die eingegangenen Beiträge zeigen eine Vielfalt von unterschiedlichen Konzepten. Entscheidend ist die Lage des Konzertsaals. Je nachdem, ob er ebenerdig, im Unter- oder im Obergeschoss angelegt ist, ergibt sich die Anordnung der übrigen Räume. Eine gute Raumakustik und der Schallschutz gegen aussen waren wichtige Anforderungen an den Neubau.

«Kuppel» bleibt Kuppel

Der zur Weiterbearbeitung vorgeschlagene Entwurf von Vécsey Schmidt Architekten nimmt Bezug auf verschiedene Kuppelbauten – von den Zentralbauten der Renaissance bis zu verschiedenen jüngeren Beispielen in Basel, wie das Viktoria­haus des Botanischen Gartens, die Markthalle oder die Unibibliothek. Den Grundriss in Form eines gestreckten Oktogons überspannen acht zentralsymmetrischen Kuppeln. Das katalanische Gewölbe besteht aus drei Lagen Flachziegeln und soll frei tragend erstellt werden, ohne aufwendige Lehrgerüste und Schalungen. Die rein druckbe­an­spruchte Form wird mit einem umlaufenden Zugring aus Ortbeton zusammengehalten. Der oktogonale Bau eckt nirgends an, hat keine expliziten Vor- und Rückseiten und fügt sich geschickt in die Gestaltung des Nachtigallenwäldelis ein.

Das Projekt «Volume 2» posi­tioniert als einziger Beitrag den Konzertsaal im Obergeschoss. Dies ist ungewöhnlich und stellt für den Be­trieb eine «gewisse Herausforderung» dar, wie es im Jurybericht heisst. Unter den Kuppeln im Dachgeschoss sind die Galerie und die Musikergarderoben ringförmig um den Luftraum des Konzertsaals angeordnet. Tagsüber können die ­Musikergarderoben mit den runden Fenstern auch als Coworking-Spaces vermietet werden. Durch das An­heben des Konzertsaals wird das Erdgeschoss geräumig und kann zur Umgebung geöffnet werden. Neben dem grosszügigen Foyer befinden sich dort auch eine Bar und Gäste­toiletten. Die fünfeckigen Probe­räume für die Bands im Untergrund sind separat erschlossen. Das Erdgeschoss bildet eine klare Zäsur ­zwischen Konzert­saal und Probe­räumen.

Die Fassaden bestehen aus einem Stahlgerüst aus H-Profilen, das mit Sichtmauerwerk ausgefacht ist. Sie evozieren einen industriellen Charakter. Im Innern sind der Sockel und der Backstagebereich in Sichtbeton gehalten, während im öf­fentlichen Teil Sichtbackstein vorgesehen ist. Die Galerie ist als Holzkonstruktion eingefügt und übernimmt auch akustische Auf­gaben. Die konvexen Brüstungen dienen zur Diffusion des Schalls, während Deckenuntersicht und Wände der Galerie schallabsorbierend sind. Das kompakte Volumen weist ein gutes Kosten-Nutzen-­Verhältnis auf.

Black Box

Eine ganz andere Haltung vertritt der zweitplatzierte Beitrag «Black­star» von Architecture Club. Er formuliert den Konzertclub konsequent als Black Box. Über dem Haupteingang Richtung Heuwaage ist ein grosses digitales Plakat angebracht. Die konvexe Medienfassade weist auf die im Innern stattfindenden Veranstaltungen hin. Die übrigen drei Fassaden haben nur kleine Öffnungen und sind mit einem groben, schwarzen Kellenwurfputz verkleidet. Auch die Innenräume sind alle schwarz gestrichen und bilden zusammen eine grosse Bühne.

Der Konzertsaal liegt eben­erdig und durchdringt das Flachdach mit einer Kuppel als Reminiszenz an das ehemalige Provisorium. Dort schwebt eine runde Kugel, die sowohl als zeitgenössische Discokugel wie auch als Kanzel für Auftritte von Musikern dient. Im Obergeschoss befindet sich die Galerie mit Garderobe und Gästetoiletten, während im Dachgeschoss mit Sicht auf die Stadt die Musikergarderoben, Büros und Sitzungsräume untergebracht sind. Die Proberäume für die Bands liegen separat erschlossen im Untergeschoss.

Die Konstruktion ist robust. In der äusseren, wärmegedämmten Betonhülle steht eine tragende Stahlkonstruktion. Ein Stahlnetz überspannt die Kuppel und hält die das Dach durchdringende Kuppel des Konzertsaals in Schach. Interessant an der einfachen Box sind die Deformationen: die konkave Eingangsfassade und die Durchdringung des Flachdachs mit der Kuppel des Konzertsaals. Das Preisgericht lobt die Konsequenz dieses Projekts, kritisiert aber die Ab­straktion und Wucht des Volumens, das als Fremdkörper im Park wirkt, die Grösse der Medienfassade und die «leichte Retro-Orientierung» des Clubs.

Architektur erfinden

Vécsey Schmidt Architekten gelingt mit ihrem Projekt «Volume 2» Erstaunliches. Ausgehend vom Namen des Clubs «Kuppel» nehmen sie Anleihen aus der Architekturgeschichte des Kuppelbaus auf und formen daraus ein Gebäude, das sich weit vom provisorischen Zelt von einst entfernt. Sie führen eine differenzierte Materialisierung mit Beton, Stahl, Sichtmauerwerk, Backstein und Holz ein. Das Gebäude selbst erinnert mit dem mit Sichtmauerwerk ausgefachten Stahlfachwerk an Industriebauten, die Form aber überhöht die profane Nutzung als Konzertclub zu einem Sakralbau der Popmusik. Furchtlos kombinieren Vécsey Schmidt Elemente aus der gesamten Architekturgeschichte. Sie nutzen Verfahren aus der zeit­genössischen Musik wie Samp­ling oder Remix. Damit schaffen sie einen originären Ausdruck und er­finden eine Architektur, die wie aus der Zeit gefallen wirkt.

Weitere Pläne und Visualisierungen zum Wettbewerb finden sich auf competitions.espazium.ch

Auszeichnungen

1. Rang / 1. Preis: «Volume 2»
Vécsey Schmidt Architekten, Basel; ZPF Ingenieure, Basel, Quantum Brandschutz, Basel; Waldhauser + Hermann, Münchenstein; Boris Rebetez, Basel
2. Rang / 2. Preis: «Blackstar»
Architecture Club, Basel; Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel; Transsolar Energietechnik, Stuttgart; Reto Schaub, Thomas Plattner, Basel

Weitere Teilnehmende

«Casablanca»
Kunz und Mösch Architekten, Basel; Jonas Gruntz alias James Gruntz, Basel; Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel; applied acoustics, Gelterkinden; eicher + pauli, Liestal
«Circum»
Lukas Raeber, Basel; WSDG, Basel; Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel; HeiVi, Basel; Emmer Pfenninger Partner, Münchenstein; Rapp Infra, Basel; Cyrill Kaderli, Lukas Raeber (Modellbau)
«Hexy»
Rahbaran Hürzeler Architekten, Basel; WSDG, Basel; Waldhauser + Hermann, Münchenstein; ZPF Ingenieure, Basel
«Puls»
Caesar Zumthor Architekten, Basel; wh-p Ingenieure, Basel; A + F Brandschutz, Pratteln
«Rossignol»
Studio Landell de Moura, Basel; ZPF Ingenieure, Basel; applied acoustics, Gelterkinden; Waldhauser + Hermann, Münchenstein; iart, Münchenstein; Play-time, Basel
«The Show Must Go On»
Baumann Lukas Architektur, Basel

FachJury

Beat Aeberhard (Vorsitz), Kantonsbaumeister Basel-Stadt; Christine Binswanger, Architektin, Basel; Emanuel Christ, Architekt, Zürich; Anna Jessen, Architektin, Zürich; Alban Rüdisühli, Architekt, Basel

SachJury

Tobit Schäfer, Präsident Stiftung Kuppel; Sebastian Kölliker, Simon Lutz und Stephan Werthmüller, alle Stiftungsrat Stiftung Kuppel

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