«Mehr En­ga­ge­ment bei In­fra­struk­tur­bau­ten»

Umsicht – Regards – Sguardi 2017

Das Team um den Architekten Christian Penzel wurde für die Erneuerung des Kraftwerks Hagneck mit einer Umsicht-Auszeichnung gewürdigt. Ein Gespräch über Geschwemmsel, komplexe Projektzusammenarbeit und Gestaltungsaufgaben.

Data di pubblicazione
07-04-2017
Revision
07-04-2017

SIA: Herr Penzel, erst mal herz­liche Gratulation! Was freut Sie am meisten an der Auszeichnung?

Christian Penzel: Dass wir als Team eines komplexen Infrastrukturprojekts ausgezeichnet wurden. Denn die dialogische Zusammenarbeit in diesem vielschich­ti­gen Projekt (vgl. TEC21 16-17/2010 und TEC21 11/2016), das sich immer weiter entwickelt hat, war sehr wichtig. Was mich sehr freut, ist, dass alle Beteiligten die neuen Entwicklungen zugelassen haben und diese auch als Chancen sahen und nutzten. 

SIA: Im Wettbewerb, den die Betreiberin nach der Ablehnung ihres Projekts ausgeschrieben hatte, ging es um die Gestaltung der Gebäudehülle. Heute sehen wir aber ein komplexes Projekt, bei dem die landschaftliche Einbettung und die Kraftwerkstechnik mitgedacht wurden. Wäre das Projekt in der nun umgesetzten Vielseitigkeit ausgeschrieben gewesen, hätten Sie den Wettbewerb auch gewinnen können?

Christian Penzel: Wahrscheinlich hätte das Projekt in seiner jetzigen Form aufgrund der vielen Abhängigkeiten nie wirklich ausgeschrieben werden können. Ich denke, die Erarbeitung Stück für Stück und das Miteinander waren unsere Chance. Wir haben den Dialog mit allen Beteiligten aufgenommen, ihnen zu­gehört und ihre Anliegen ernst genommen. Während der Bearbeitung haben wir unsere gestalterische Haltung weiterentwickelt und sie in den Prozess einfliessen lassen, dies aber im Diskurs nicht in den Vordergrund gestellt.

SIA: Können Sie mir ein konkretes Beispiel dafür nennen?

Christian Penzel: Das Geschwemmsel, also das Schwemmgut, das beim Wehr hängen bleibt, wird mit einer grossen Rechenanlage herausgefischt und für gewöhnlich direkt daneben in eine Mulde mit Con­tainern entsorgt. Diese mit Abfall gefüllten Container waren für uns aber gestalterisch in der Zugangssituation zum Kraftwerk nicht akzeptabel. So suchten wir nach einer Variante, die sowohl für die Situation als auch für den Betrieb besser ist. Wir haben eine Lösung gefunden, bei der das Geschwemm­sel mittels einer Rinne zum unterwasserseitigen Betriebsplatz gespült und dort verarbeitet werden kann. Die Betreiber sind trotz anfänglicher Skepsis nun von diesem Ergebnis begeistert und wollen das zukünftig auch in anderen Wasserkraftwerken so umsetzen. Wir haben bei der Lösungssuche weniger gestalterisch, sondern vor allem betrieblich argumentiert. 

SIA: Haben Sie erwartet, dass ein Infrastrukturbau wie ein Kraftwerk zu einer Touristenattrak­tion werden kann wie eben das Kraftwerk Hagneck?

Christian Penzel: Zu Beginn war das vermutlich niemandem bewusst. Die Landschaft, in der das Kraftwerk liegt, ist einmalig. Für uns war und ist es ein Privileg, dass wir diesen Ort mitgestalten durften. Erst im Lauf des Projekts bildete sich dann auch das Bewusstsein für das Interesse der Öffentlichkeit heraus, die im Naherholungsraum des Seeufers das Kraftwerk täglich traversiert. Dem haben wir mit der Inszenierung der Wegräume und den Einblicken in die Zentrale Rechnung getragen. Zudem gibt es heute ein Besucherzentrum sowie gut besuchte Führungen durch das Kraftwerk.

SIA: Die Neugestaltung eines Infrastrukturbaus klingt nicht nach einer grossen gestalterischen Herausforderung, sondern eher nach Zweckbau … 

Christian Penzel: Leider wurden in den vergangen Jahren oft zu wenig ent­wickelte Zweckbauten realisiert, anstatt Funktionalität mit gestalterischen Vorstellungen zu paaren. Warum dem so ist, ist mir unklar. Denn in den Dreissiger- bis Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts wurden gestalterisch herausragende Infrastrukturbauten erstellt. Ob es daran liegt, dass damalige Eigentümer und Politiker mehr Verantwortung übernahmen? Jedenfalls wünsche ich mir deutlich mehr Engagement für zeitgemäss gestaltete Infrastruktur, dass mit den grossen Investitionen und Projekten zugleich auch Orte und Landschaften mit Mehrwert geschaffen werden.

Weitere Gewinner und Anerkennungen der Umsicht-Auszeichnung 2017 finden Sie hier.
 

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