Mehr als ver­mie­ten

Wo in Zürich Unterstrass ein Schindelhaus für eine Familie stand, befindet sich seit Kurzem ein Mehrgenerationenhaus in Holzhybridbauweise mit acht Wohnungen. Auf begrenztem Raum – dafür mit bezahlbaren Mieten – fanden die private Bauherrschaft und die Bewohner eine Alternative zu konventionellen Finanzierungs-, Bau- und Wohnmodellen.

Date de publication
21-04-2022

Das Haus W52 liegt etwas zurückversetzt an der Wehntalerstrasse 52, rechts befindet sich eine neue Siedlung aus Klinker, links das letzte der ehemals drei Schindelhäuser, die hier in idyllisch wildem Grün eine Art Enklave im gutbürgerlichen Kreis 6 bildeten.

Auf der Rückseite, gegen den Schürbungert, erstellte die Genossenschaft Frohheim die Ersatzneubausiedlung Brüderhofweg. Die alte, lockere Zeilenbebauung aus den 1950er-Jahren wurde in Etappen dicht an dicht in maximaler Ausnutzung durch Häuser mit günstigen Mietwohnungen, einer Kita und einem Restaurant mit Gemeinschaftssaal ersetzt.

Nach dem Vorbild der genossenschaftlichen Nachbarn wünschten sich die Eigentümer Trix Rasper  und Caspar Wellmann, der auch der Architekt des Baus ist, Wohnen zu fairen Bedingungen für sich und andere. Es sollte darüber hinaus auch generationenübergreifend und gemeinschaftlich sein. Dieser Entschluss stand am Anfang der Veränderung, die vom pittoresken Einfamilienhaus mit bäuerlichem Garten zum modernen Mehrfamilienhaus mit acht Wohnungen führte.

Statt auf ihrem Grundstück nach gängigen Prinzipien ein neues Ein- oder ein Mehrfamilienhaus zu bauen und die Wohnungen zu marktüblichen Preisen zu verkaufen oder zu vermieten (vgl. «Finanzierung»), wird heute im W52 wie in vielen Genossenschaften die ­Zürcher Kostenmiete angewandt. Natürlich entstand das in einem kleineren Massstab als zum Beispiel in der Siedlung Frohheim vis-à-vis – und vor allem verbunden mit den persönlichen Vorstellungen und dem Engagement der Eigentümer.

Die Hausgemeinschaft sollte sich aus jungen und älteren Menschen zusammensetzen, die sich in unterschiedlichsten Lebens­situationen befinden. Eine nachhaltige Alltagsgestaltung war darüber hinaus als gemeinsamer Grundsatz gewünscht, in gegenseitigem Vertrauen zwischen Eigentümern und Mietern, um auch allfällige Konflikte offen besprechen zu können. Auf ein privates Auto wird mit der Unterzeichnung des Mietvertrags verzichtet – dafür stehen ein Lasten-E-­Bike sowie zwei Veloanhänger zur Verfügung.

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Entsprechend sorgfältig wurden die zukünftigen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner in Gesprächen ausgewählt. Da transparente Bedingungen mit Nutzungsvereinbarung in den Verträgen die Grundlage dafür bilden, war es von beiden Seiten her relativ schnell klar, ob man sich vorstellen konnte, gemeinsam unter einem Dach zu leben. Die zukünftigen ­Mitbewohner – neben den zwei erwachsenen Kindern der Eigentümer, die ebenfalls eine Wohnung und ein Studio mieten – waren bald gefunden.

Flexible Systeme, Wolle und Lehm

Die materielle Grundlage für dieses Lebensmodell ist die Architektur. Sie ist im umfassenden Sinn ein Gefäss für die übergeordnete Haltung. Die flächenmässig re­du­zierten Grundrisse mit einer Energiebezugsfläche von 957 m2 mit den Gemeinschaftsräumen für 15 Erwachsene und 5 Kinder, der Einbezug von natürlichen Ressourcen – zum Beispiel der Lehmputz und die mit Schweizer Schafwolle unterfütterten Wände –, aber auch die Umgebungs- und Freiraumgestaltung charakterisieren sie.

Schweizer Holz wurde wegen der kurzen Bauzeit und der guten Qualität durch die Vorfabri­kation gewählt, und auch die energieoptimierte Bauweise ist Teil des Prinzips. Konkret wurde das TS3, die Timber-­Structures-Technologie 3.0, verwendet, das ähnlich wie eine Betonflachdecke funktioniert. Es war in zwei Wochen montiert.

Die angelieferten Brettsperrholz­platten des TS3 wurden auf der Baustelle zu Geschoss­flächen verklebt – prinzipiell ist jede beliebige Grösse möglich. Die Konstruktion ermöglicht zudem auch in Zukunft Flexibilität bei den Grundrissen, da die flachen Decken­elemente ohne Unterzüge auskommen. Die nicht tragenden Wohnungstrenn- und auch Zimmerwände sind so frei im Grundriss positionierbar und lassen sich bei Bedarf versetzen oder entfernen. Das Gebäude verfügt damit über eine GEAK-­Zertifizierung mit einem A-Label für die Ge­samt­energieeffizienz, was dem Mi­ner­gie-­­P-Standard und einem Gesamtenergiebedarf von 56 kWh m2 entspricht.

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 12/2022 «Zusammenleben im Holzbau».

W52, Zürich
Bauherrschaft
privat

 

Architektur
Wellmann Architekten, Zürich

 

Tragkonstruktion
Ruggli & Partner Bauingenieure, Zürich

 

Statik Holzbau (TS3)
Timbatec Holzbau­ingenieure (Schweiz), Zürich

 

Elektroplanung
Stutz & Partner Elektroplanung, Zürich

 

HL-Planung
rt haustechnik, Zürich

 

Bauphysik
Timbatec Holzbauingenieure (Schweiz), Zürich

 

Sanitärplanung
MS-Plan & Partner, Zürich

 

Brandschutz
Timbatec Holzbau­ingenieure (Schweiz), Zürich

 

Geologie
Jäckli Geologie, Zürich

 

Geschossfläche (GF)
1117 m2

 

Bauvolumen (GV)
3212 m3

 

BKP 2
3.2 Mio. Fr.

 

Holz
Herkunft Schweiz

 

PV-Anlage
36 Paneelen mit Nennleistung 380 Wp; erwarteter Ertrag 14 000 kWh/a

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