Fi­nan­zie­rung

Publikationsdatum
22-04-2022

Die aktuelle Diskussion um die Mieten in Zürich ist vom Anlagedruck der Pensionskassen und von institutionellen Anlegern geprägt, die für ihre Versi­cher­ten möglichst hohe Erträge erwirt­schaften müssen. Dieser sichtbare Woh­nungs­markt führt zu preislichen Verwerfungen, bei denen Wohnungsmieten auf dem freien Markt für Familien und weniger gut Verdienende kaum noch tragbar sind. Dies lässt aber vergessen, dass ein Grossteil der Wohnliegenschaften in Privatbesitz ist, und teils deutlich unter den marktüblichen Preisen vermietet wird. Neben der Durchsetzung der Gesetzgebung, die die maximal zulässige Bruttorendite mit 1.5–2 % über dem gültigen Referenzzinssatz festlegt, gilt es, das Potenzial des unsichtbaren Wohnungsmarktes mit fairen Mietzinsen zu stärken.

Die mietrechtlichen Rahmenbedingungen für die Vermietung und Finanzierung des Mehrgenerationenhauses W52 an der Wehntalerstrasse wurden auf der Grundlage der Vertragsvorlagen des Verbandes «Casafair» (ehemals Hausverein) entwickelt, der sich für klimafreundliches Bauen, gesundes Wohnen, haushälterische Bodennutzung und faire Miet- und Nachbarschafts­verhältnisse einsetzt. Ergänzend zu den Mietverträgen wurden eine Hausordnung und eine Nutzungsvereinbarung erstellt. Letztere regelt unter anderem die Be­legung und bietet mögliche Handlungsoptionen bei Änderungen sowie die ­Autoverzichtserklärung und die Mietzinsgestaltung.

Grundlage für die Mietzinse ist das Modell der Zürcher Kostenmiete. Nach dieser berechnen sich die maximal zulässigem Mieten nicht anhand der Renditevorgaben der Investoren, sondern sie verallgemeinert die Berechnung von der effektiven Kostenseite her. Sie besteht aus den zum aktuell gültigen Referenzzinssatz verzinsten Anlagekosten plus einem Betriebskostenbeitrag von 3.25 % des Gebäudeversicherungswertes. Die zum Zeitpunkt des Mietvertrages angenommenen Anlagekosten, die den Landwert einschliessen, sowie der ­Gebäudeversicherungswert sind im Mietvertrag aufgeführt. Die Mietzinse werden bei einer Anpassung des Referenzzinssatzes automatisch auch ohne Begehren der Mieterschaft angepasst. Zurzeit beträgt so die Miete einer 4-Zimmer-Wohnung mit 87 m² inkl. Mitbenutzung Co-Living-Space 2200 Fr. pro Monat. Das aktuell günstige Zinsumfeld erlaubt mit dieser Berechnungsmethode trotz der zurzeit hohen Bewertung von Liegenschaften auch für Neubauten Mietzinse, die rund ein Viertel unter den marktüblichen liegen, ohne dass die Eigentümer auf eine moderate Eigenkapitalverzinsung verzichten müssen. Ob das Grundstück im Besitz eines Bauherrn ist oder neu gekauft wird, beeinflusst die Mietzinse nicht, denn der Betrag ist ein Teil der Anlagekosten.

Im Fall des W52 ist aber von dem an­genommenen und bei der Bank einge­gebenen Wert nur rund ein Viertel fremdfinanziert. Ein grosser Vorteil war, dass das Grundstück mit dem Haus in der Vergangenheit günstig gekauft worden waren und daher kein zusätzliches Eigenkapital nötig war. Bei einer Genossenschaft würde eine Bank je nach Fall rund 80 % der Anlagekosten finanzieren. Die Ge­nossenschaft müsste dann rund ein Fünftel als Genossenschaftskapital einschiessen – bei kleineren Genossenschaften sind das oft bis zu fünfstellige Beträge pro Person. Diese hohen Anteile waren ein Grund, weshalb das Projekt W52 privat umgesetzt wurde. So konnte das ­Ge­nerationenhaus realisiert werden und auch Leute ohne grosses Vermögen einziehen.

Dieser Artikel ist erschienen in TEC21 12/2022 «Zusammenleben im Holzbau».