Ein Holz­pa­vil­lon für die «Gu­mere-Matte»

Projektwettbewerb Neubau Volksschule Goumoëns, Bern

Der Projektwettbewerb zum Neubau der Volksschule Goumoëns in Bern bringt einen zeitgenössischen Schulbau hervor, der die Freiflächen des bestehenden Quartierparks würdigt. Die Verfasser des Siegerprojekts sind trotz detaillierter Kritik der Jury vom Tragkonzept des Holzbaus überzeugt.

Date de publication
21-04-2022

Der Stadtteil Mattenhof-Weis­senbühl der Stadt Bern verzeichnete in den vergangenen Jahren einen starken Einwohnerzuwachs. Mit rund 31 000 Einwohnern ist es nach Bümpliz-Oberbottigen mit rund 35 000 Einwohnern das zweitgrösste Teilgebiet der Bundesstadt.

Gemäss Ausschreibung des Wettbewerbs zur neuen Volksschule Goumoëns ergibt sich daraus eine Notwendigkeit für zusätzlichen Schulraum mit 23 Klassenzimmern samt Spezial- und Nebenräumen und auch einer Doppelturnhalle. Der im Juni 2021 ausgeschriebene Wettbewerb wurde zugunsten eines pavillonartigen Holzbaus nach dem Entwurf von GWJ Architektur aus Bern entschieden.

Partizipation der Anwohner

Für dieses Schulbauprojekt bewilligte der Stadtrat einen Projektierungskredit von 6.8 Mio. Franken und be­schloss zudem, dass zur Planung der Aussenflächen ein Partizipationsverfahren durchzuführen sei. Denn das Areal Goumoëns, in Bern «Gumere-Matte» genannt, ist als Teil des Verwaltungsvermögens der Stadt Bern der Freifläche A, einer Zone für die öffentliche Nutzung, zugeordnet. Dort befinden sich eine Beachvolleyballanlage, der Doppelkindergarten Steinhölzli, ein Quartierspielplatz und eine Skateranlage.

Die Beachvolleyballanlage wird voraussichtlich in das Areal Weyermannshaus verlegt, die aufgrund einer Jugendmotion erstellte Skateranlage soll künftig mit einer öffentlichen Rollsportanlage kombiniert werden, und zwei autonom genutzte Jugendräume werden in das Neubauprojekt integriert.

Die Partizipation mit einer zwölfköpfigen Begleitgruppe aus Anwohnerinnen und Anwohnern sowie Mitgliedern der Schulkommission brachte Anregungen, Fragen und Befürchtungen aus der Quartierbevölkerung ein. Die Diskussionen um die Zukunft der «Gumere-Matte» wurden und werden mit grossem Engagement und vielen Emotionen geführt. Es geht um die schulische Zukunft von Kindern und Jugendlichen im Stadtteil Mattenhof-Weissenbühl, aber auch um ­Sorgen und Ängste bezüglich eines möglichen Verlusts von Grünraum, der das ganze Quartier betrifft.

Der aus dieser Partizipation entstan­dene Bericht wurde den Wettbewerbsteilnehmenden als Grundlage abgegeben, und nach dem Abschluss des Verfahrens ist die Begleitgruppe nun eingeladen, Empfehlungen zum Siegerprojekt abzugeben.

Öffentlicher Freiraum bleibt erhalten

Der Schulneubau soll so geplant ­werden, dass ein möglichst grosser Teil des bestehenden öffentlichen Grünraums erhalten bleibt. Zusätzlich wird der Aussenraum der Schule sowohl als Pausenplatz für die Schülerinnen und Schüler als auch als Quartierplatz für die Bevölkerung dienen.

Der Neubau soll auf dem nördlichen Bereich des Areals entlang der Bahngleise realisiert werden. So bleibt der grössere südliche Teil des Areals als Freiraum unbebaut und wird vor Lärm geschützt. Der angrenzende «Knüslihubel» sowie der öffentlich zugängliche Stein­hölzliwald sind nicht Teil des Projekts und sollen nach dem Willen der Stadtplanung in ihrer heutigen Form bestehen bleiben.

Einstufiger anonymer Projektwettbewerb

Insgesamt wurden 23 Projekte eingereicht. Es handelte sich dabei um sehr unterschiedliche Lösungsvorschläge, und die Jury hat festgestellt, dass sich der Projektwettbewerb im offenen Verfahren gelohnt und zu einer breiten Auswahl und einer sehr guten Gesamtlösung geführt hat. Nach zwei Wertungsdurchgängen der Jury verblieben noch sieben Projekte in der engeren Auswahl. Sie wurden nochmals ausführlich diskutiert. Es waren insbesondere die unterschiedlichen städtebaulichen, architektonischen, pädagogischen und betrieblichen Qualitäten und deren Umgang mit dem öffentlichen Freiraum abzuwägen.

Einstimmig wurde dem Projekt Trevol der erste Rang erteilt. Der Vorschlag werde den gestellten Anforderungen insgesamt am besten gerecht, befand die Jury, und sie bezeichnete das Projekt als wertvollen Beitrag zum zeitgenössischen Schulbau. Das erstrangierte Projekt positioniert die neue Schulanlage als dreiflügeligen Baukörper mit drei Geschossen praktisch mittig im Wettbewerbsperimeter, lässt so die Ränder des neuen Quartierparks frei und zoniert die Aussenräume der Schule klar. Der Allwetterplatz, die Rollsportanlage und die Jugendräume sind entlang der Bahnlinie angeordnet. Ein Mehrzweckraum kann zudem der Quartiernutzung dienen.

Bei diesem Projekt bleibe die «Gumere-Matte» erhalten, und der baumbestandene Pausenplatz bilde ein angemessenes Gegenüber zum Quartier, schreibt die Jury. Das neue Schulhaus integriert sich gut in den Freiraum, und aufgrund seiner angemessenen Massstäblichkeit bestens in den Kontext. Durch das präzise Setzen der Gebäude entstehen mehrfach und wertig nutzbare Aussenräume, die auch einen Mehrwert für das Quartier darstellen.

Der Hauptzugang ist parkseitig angelegt, eine zweigeschos­sige Eingangshalle verbindet die drei Flügel und auch die Aussen­räume. In den drei Gebäudeteilen sind je vier bis sechs Einheiten an­ge­ordnet, die gut organisierte Lerncluster bilden. Eine flexible ­Zwischenzone – im Jurybericht Lernlandschaft genannt – verbindet die drei Gebäudeteile und führt mit direkt zugänglichen Fachräumen zu betrieblichen Synergien. Mit den drei unabhängigen Erschliessungen lassen sich die Nutzungen flexibel aufteilen. Die einfache Gebäude­struktur lässt Raum für mögliche Veränderungen. Die unterirdischen Turnhallen weisen nordöstlich ein schmales Oblichtband auf und sind auch vom gleisseitigen Aussenraum her erschlossen.

Holzbau aus kritischer Sicht

Das Gebäude wirkt wie ein Pavillon aus Holz im Park. Ausladende Vordächer schützen die Fassade und verleihen den Bauvolumen Leichtigkeit. Auch die stimmungsvolle Wirkung der vertikalen Fassadenelemente und rückversetzten Brüstungen wird durch die Jury hervorgehoben. Doch der auf den ersten Blick klare Raster sei nicht zu Ende gedacht, die Tragrichtung der Deckensysteme sei wechselnd, und es seien Wärmebrücken zu verzeichnen.

Die Treppenhäuser lies­sen demgemäss eine aussteifende Wirkung vermissen; die horizontale Lastabtragung könne nur durch die Rahmen des Haupttragwerks erfolgen, im Erdgeschoss führe eine unnötige Elimination von Stützen zu grossen Spannweiten der Riegel – so die recht detaillierte Kritik der Jury am architektonischen Entwurf.

Ob der reduzierte Detaillierungsgrad der Wettbewerbspläne so viel Detailkritik an der geplanten Holzkonstruktion rechtfertigt, sei dahingestellt.

Holzbau erdbebensicher konstruiert

Das Holzbauingenieurbüro betont jedenfalls auf Anfrage das in allen Stockwerken einfach aufgebaute Tragsystem mit Balkendecken und Unterzügen und Bauteilen, die mehr als eine Funktion erfüllen. Um die grossen Spannweiten effizient zu überbrücken, baut das Tragwerk auf Balkendecken und Unterzügen auf, was trotz grosszügigen Spannweiten wenig Masse bedeutet.

So ist die Brüstung beispielsweise nicht nur raumbildend, sondern dient als Auflagerbalken für die Decke und ist ebenfalls Teil des Rahmensystems für die hori­zontale Lastabtragung. Dabei werden Brett­sperrholzplatten biegesteif mit den Stützen verbunden. Dafür eignen sich z. B. duktile Stabdübelverbindungen zwischen Brüstungsplatten und Stützen. Trotz schlanken Stützen leistet die Tragebene der Aussenwand einen erheblichen Anteil an die Horizontalstabilität. Diese wird gleich von mehreren «Stützenringen» über eine Rahmenwirkung sichergestellt. Dabei kämen die Vorzüge der Holz­bauweise voll zum Tragen, wird vonseiten des Ingenieurbüros argumentiert.

Durch die Nachgiebigkeit der Rahmensysteme liegen die abzutragenden Horizontalkräfte verglichen zu einem Massivbau mit steifen Betonkernen noch bei rund 20 %. Das Rahmensystem spielt im Gegensatz dazu die Treppenhäuser und Liftkerne von der stabilisierenden Funktion frei. Diese gestalterische Freiheit hat GWJ Architektur beim Entwurf von Trevol zusammen mit Synaxis und Holzbaubüro Reusser perfekt ausgenutzt.

Vorprojekt und Ausführung werden Klarheit bringen

Letztlich handelt es sich um ein Wettbewerbs­projekt mit Blick auf eine architektonisch vertretbare Lösung. Der nächste Schritt wird ein Vorprojekt sein, das gilt auch für die Holzkonstruktion selbst. Auf dem Weg zur Ausführung harren sicher noch mehrere Probleme ihrer Lösung. So oder so wirkt dieses Holzbauprojekt überzeugend, denn es zeigt eine einfache und gleichzeitig räumlich spannungsvolle Struktur, die offen für funktionale Wandelbarkeit und künftige Entwicklungen bleibt.

Weitere Pläne und Bilder auf competitions.espazium.ch

Rangierung
1. Rang, 1. Preis: «Trevol»
GWJ Architektur, Bern; Chaves Biedermann Landschaftsarchitekten, Basel; Synaxis, Zürich; Holzbaubüro Reusser, Winterthur; Eicher + Pauli, Bern

 

2. Rang, 2. Preis: «Par Terre»
Stadler Zlokapa, Basel; Zygmunt Borawski; Marta Tomasiak Pracownia Architektury Krajobrazu, Warschau (PL); Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel; Amstein Walthert, Zürich; Krattinger Engineering, Happerswil

 

3. Rang, 3. Preis: «nepomuk»
Büro B Architekten, Bern; Duo Architectes paysagistes, Lausanne; WaltGalmarini, Zürich; Eicher + Pauli, Bern; HKG Engineering, Liebefeld; Hautle Anderegg + Partner, Bern

 

4. Rang, 4. Preis: «Douglas»
ARGE Michaela Stolcova – Clair Ensange / Un-Icon Studio Lda / Apropos Architects, Zürich;
Sima | Breer Landschaftsarchitektur, Winterthur; Ryffel Engineering, Herrliberg; Lippuner Energie- und Metallbautechnik, Grabs; Jäger­Partner, Zürich

 

5. Rang, 5. Preis: «tapis volant»
ARGE Wolfgang Rossbauer Architekt + Kathrin Simmen Architekten, Zürich; Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur und Städtebau, Zürich; Timbatec Holzbauingenieure Schweiz, Zürich; Aicher, De Martin, Zweng Energie- & Gebäudetechnikingenieure, Luzern

 

6. Rang, 6. Preis: «Alpensegler»
Itten + Brechbühl, Bern; ASP Landschaftsarchitekten, Zürich; Indermühle Bauingenieure, Thun; Kissling + Zbinden, Thun; Epro Group, Muri b. Bern; Grolimund + Partner, Bern

 

7. Rang, 7. Preis: «Matrioska»
Studio Nosu, Zürich; Claudia Wolfensberger Landschaftsarchitektur, Winterthur; Ulaga Weiss, Basel; Bogenschütz, Basel; Kuster + Partner, Münchenstein; Abicht, Zug

 

Fachjury
Thomas Pfluger, Stadtbaumeister Stadt Bern (Vorsitz); Clemens Basler, Landschaftsarchitekt, Bern; Hanspeter Bürgi, Architekt, Bern; Bettina Neumann, Architektin, Zürich; Corinna Menn, Architektin, Chur; Adrian Streich, Architekt, Zürich

 

Sachjury
Kristina Bussmann, Leiterin Immobilien Stadt Bern; Jörg Moor, stv. Leiter Schulamt Stadt Bern; Giuliano Picciati, Schulleiter, Schulstandort Goumoëns; Thilo Jennewein, Bereichsleiter Planung, Stadtplanungsamt; Tobias Würsch, Leiter Entwicklung + Realisierung, Stadtgrün Bern

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