Alte PV-Mo­dule: wo­hin da­mit?

In der Schweiz muss bislang weniger als ein Promille der PV-Anlagen ersetzt werden. Dennoch landen bis zu 300 t an Solarpanels jährlich im Recycling. Das Meiste davon geht nach Frankreich oder Deutschland. Ein Weissbuch weist auf Verbesserungsbedarf für die Solarbranche im nördlichen Nachbarland hin. Die Herausforderungen und Chancen fasst eine Mitautorin zusammen.

Date de publication
03-03-2022
Laura Gessner
Referentin Kreislaufwirtschaft, Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH)

Weltweit ist in den kommenden Jahren ein beträchtlicher Anstieg der Menge alter Photovoltaikmodule zu erwarten. Für Deutschland sind im Jahr 2030 bis zu einer Million Tonnen Altmodule prognostiziert. In der Schweiz erwartet man zwar nur einen Bruchteil davon (vgl. «Recyclingmodell Schweiz», weiter unten); doch die Herausforderungen für einen ökologischen Umgang damit sind dieselben wie im nördlichen Nachbarland. Deshalb lohnt sich ein Blick auf den dortigen Umgang mit dem Photovoltaik-Boom. Jedes Jahr wird zusätzliche Leistung installiert.

Um die Klimakrise in den Griff zu bekommen, wird für die Photovoltaik eine Vergü­tung nach dem deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantiert. Dieses Gesetz ist eben 22 Jahre alt geworden. Immer mehr Anlagen laufen aus ihrer lukrativen Förderung. Höchste Zeit, sich mit einer der Folgen des massiven Ausbaus der Solarenergie zu befassen: jede Menge gebrauchter Photovoltaikmodule. In Deutschland sind über vier Millionen Tonnen PV-Module installiert. Jetzt stellen sich Fragen: Was tun mit den Altmodulen? Verschwenden wir kostbare Wertstoffe? Oder fördern wir eine ­zweite Nutzung als Secondhand-Modul respektive Materialspeicher? Die Antworten darauf sollten sich aus den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft ergeben.

Abfallvermeidung hat Priorität

Kreislaufwirtschaft beschreibt das Wirtschaften mit Waren und Materialien in einem fortwährenden Kreislauf. Das entlastet das Klima und spart endliche Ressourcen. An erster Stelle steht die Abfallvermeidung: Ein Solarmodul mit langer Lebensdauer, das pfleglich behandelt wird, schont Geldbeutel und Umwelt. An zweiter Stelle folgt die Wiederverwendung: Alte Module, die etwa aus ökonomischen Erwägungen ausgedient haben, können an einem neuen Standort, womöglich nach einer Reparatur, weiter grünen Strom produzieren. Und erst an dritter Stelle geht es um ein Recycling: Aus irreparabel beschädigten Anlagen lassen sich wertvolle Rohstoffe wie Glas, Aluminium oder Silizium zurückgewinnen.

Um die Kreisläufe in der Solarbranche so weit wie möglich zu schliessen, sind jene Akteure mitverantwortlich, die am Lebenszyklus eines Photovoltaikmoduls aktiv mitwirken. Den grössten Hebel haben der Gesetzgeber und die Hersteller. Ersterer definiert die Rahmenbedingungen; zweitere sollten ein verantwortliches Verhalten etwa beim Produktedesign ausüben.

Ein Design für späteres Trennen?

Der optimale Lebenszyklus beginnt mit einem weitsichtigen Design der am Gebäude oder auf Freiflächen in­stallierbaren Solarmodule. Damit sie eine Lebensdauer von 30 oder sogar 40 Jahren erreichen können, werden die einzelnen Komponenten bei der Herstellung fest miteinander verbunden. Im Recyclingprozess stellt das Auftrennen dieser konstruktiven Verbindungen jedoch eine Herausforderung dar. Um spätere Umweltbelastungen zu minimieren, ist es ausserdem wichtig, dass Photovoltaikanlagen möglichst wenig Schadstoffe enthalten.

Module zu entwickeln, die langlebig, aber dennoch gut reparier- und rezyklierbar und frei von schädlichen Stoffen sind, liegt in der Verantwortung der Hersteller. Anreize für den deutschen Markt können hier insbe­sondere die anstehende Überarbeitung der Ökodesign-­Anforderungen durch die EU-Kommission und die EU-Chemikalienverordnung REACH schaffen. Die Kommission fasst unter anderem eine Ausweitung des Energielabels für Elektrogeräte auf Solarmodule ins Auge. Die Reaktionen aus der Branche auf diesen Vorstoss sind weitgehend positiv. Die Folgen werden zumindest indirekt auch für die Schweiz relevant, etwa beim Import von PV-Modulen.

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Das Etablieren eines Kreislaufs für Photovoltaikanlagen in Deutschland ist eine sehr grosse Herausforderung. Sie beginnt mit einer effektiven Sammelstruktur – unabhängig davon, ob Altmodule noch funktionstüchtig sind oder in einzelne Wertstoffe zerlegt werden. Aktuell sind die Sammelprozesse für gebrauchte und ausgediente Photovoltaikmodule noch verbesserungsbedürftig. Kritiker bezeichnen sie als intransparent, kompliziert und zu teuer. Es braucht tatsächlich klarere Regeln.

Exporte bis nach Afghanistan?

Der bestehende Rechtsrahmen unterscheidet Altmodule aus privater und gewerblicher Nutzung. Privat genutzte Module werden kostenfrei an örtlichen Wertstoffhöfen zurückgenommen. Dennoch ist das System nicht überall benutzerfreundlich organisiert: Nicht alle Sammelstellen sind auf eine Annahme von Modulen ausreichend vorbereitet. Zudem variiert die Anzahl der Stellen und der angenommenen Module regional sehr stark.

Für Rückbau und Entsorgung von gewerblich genutzten Modulen ist entweder der Besitzer oder Hersteller – abhängig vom Stichdatum 24. Oktober 2015 – verantwortlich. Für alle danach verkauften Anlagen muss der Hersteller eine Möglichkeit zur Rückgabe und Entsorgung schaffen. Ältere Anlagen fallen derweil in die Verantwortlichkeit des Besitzers.

Diese Situation verursacht immer wieder Unsicherheiten und – nach Aussagen von Brancheninsidern – auch «kreative» Entsorgungswege oder sogar einen Export alter Solarmodule ins Ausland, etwa nach Afghanistan oder Nordafrika. Mangels entsprechender Recyclingstrukturen vor Ort kann dies problematisch sein. Grundsätzlich ist dagegenzuhalten: Das aktuelle Sammelergebnis ist mit rund 13 000 t (Referenzjahr 2019) noch eher moderat.

Um für die steigenden Mengen an Rückläufern gewappnet zu sein, sollte der deutsche Gesetzgeber heute bereits jetzt für flächendeckende, nutzerfreundliche Sammelprozesse sorgen und auch Fachpersonal aus­bilden. Hierzu braucht es Mindeststandards bei der Rücknahme, Anreize zu deren Einhaltung und auch finanzielle Sicherheiten für den Betrieb der Rücknahmesysteme. Transparente, einfache und effektive Rücknahmeprozesse zu etablieren und auch die finanziellen Verantwortlichkeiten zu regeln sollte stets Richtschnur bei der Arbeit des Gesetzgebers sein – ob in Deutschland oder auch in der Schweiz.

Ein Markt für Secondhand-Module

Grundsätzlich ist das Potenzial für die Wiederverwendung von PV-Anlagen hoch. Neben einer sorgfältigen Behandlung bei Rückbau und Transport ist es wichtig, die Anlagen vor der Entsorgung einer standardisierten Prüfung zu unterziehen; dafür braucht es verbindliche Vorgaben des Gesetzgebers. Ergänzend dazu gilt es, den Zweitmarkt für gebrauchte Module zu fördern, indem beispielsweise Sammelorganisationen und Wiederverwendungsinitiativen enger zusammenarbeiten. So können günstige Secondhand-Module ein zweites Leben etwa auf öffentlichen oder gemeinnützigen Gebäuden erhalten.

Der ökologische Fussabdruck der Sekundärrohstoffe ist geringer als bei der Ausbeutung primärer Ressourcen. Deshalb sind Anreize für ein hochwertiges Recycling unabdingbar, um möglichst viele Materialien aus irreparabel beschädigten Solarmodulen zurückzugewinnen. Zum jetzigen Zeitpunkt werden vor allem Glas und Aluminium wiedergewonnen; andere Rohstoffe wie Silizium gehen aber im Prozess verloren. Bessere Recyclingtechnologien bestehen bereits oder konnten sich als Prototypen behaupten.

Um diese innovativen Techniken breiter anzuwenden, sind Anforderungen an einzelne Wertstoffe wie eine spezifische Recycling­quote gesetzlich festzulegen. Daraus ergeben sich klare Signale für den Markt: Zu erwarten sind kostendeckende Finanzierungsmodelle und eine bessere Planbarkeit zum Ausbau bestehender respektive zum Neubau zusätzlicher PV-Recyclinganlagen. Um den Materialkreislauf weiter zu optimieren, sind solche Anreize in allen Staaten Europas zu etablieren.

Der Lebenszyklus eines Solarmoduls sieht aus Sicht der Kreislaufwirtschaft so aus: Ein möglichst um­weltfreundliches Design und eine verbrauchergerechte Sammlung mit klaren Zuständigkeiten sind günstige Voraussetzungen für ein zweites Modul-Leben und ein hochwertiges Recycling. Das nutzt uns allen, weil dadurch Klima, Umwelt und Ressourcen gleichermassen geschont werden. Von der ersten bis zur letzten Sonnenstunde im Leben eines Solarmoduls.

Kreislaufwirtschaft in der Solarbranche stärken, alte Photovoltaik-Module für den Klima- und Ressourcenschutz nutzen; Weissbuch zur Stärkung der Wiederverwendung und des Recyclings von Photovoltaik-Modulen, Deutsche Umwelthilfe 2021. -> Download

Recyclingmodell Schweiz
Seit Anfang Jahr ist das Recycling von Photovoltaikmodulen hierzulande erstmals verbindlich geregelt. Was die Verordnung über die Rückgabe, die Rücknahme und die Entsorgung elektrischer und elektronischer Geräte (VREG) fordert, hält die inländische PV-Branche bereits freiwillig ein: Die Entsorgung wird über die Stiftung SENS als Elektroschrott sachgerecht organisiert und die vorgezogene Recyclinggebühr beim Kauf seit acht Jahren erhoben.

 

Gemäss der Recyclingstiftung sind die meisten Bestandteile stofflich verwertbar: Glas als Sekundärrohstoff für Schaumglasdämmungen oder zur Flachglasfabrikation; Aluminium, Kupfer, Blei und Stahl würden vollständig rezykliert. Dagegen werden Reststoffe, darunter Kunststoff und Silizumfolien, in der Kehrichtverbrennung oder durch die Zementindustrie thermisch verwertet. Gegenwärtig werden fast alle  PV-Module nach Deutschland transportiert, beantwortete der Berner Regierungsrat eine parlamentarische Anfrage letztes Jahr.

 

Aktuell werden jährlich etwa 300 t Solarmodule entsorgt. Das entspricht rund 1 % der neu installierten Module. Schätzungen des Kantons Zürich zufolge wird sich der Entsorgungsbedarf in den nächsten zehn Jahren jedoch um den Faktor 20 erhöhen. Im Übrigen stieg die mittlere Lebensdauer der installierten PV-Anlagen von früher 25 auf nun 33 Jahre, ergab die jüngste Marktstatistik von Swissolar.

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