Erd­be­ben im bau- kul­tu­rel­len Erbe

Erdbebenertüchtigtes Akong Rinpoche Memorial Center in Boudha (NPL)

In Nepal muss geologisch bedingt stets mit starken Erdbeben gerechnet werden. Effiziente Massnahmen, die Schäden und Einstürze von Bauten verhindern, sind lebenswichtig. Das Akong Rinpoche Memorial Center in Boudha nahe Kathmandu ist durch die Unterstützung von Gianfranco Bronzini von Conzett Bronzini Partner erdbebensicherer geworden.

Date de publication
02-07-2019

Das Erdbeben vom 25. April 2015 traf die nepalesische Hauptstadt Kathmandu hart. Das Epizentrum lag nur 80 km nordwestlich der Stadt, und durch das Beben mit einer Stärke von 7,8 Mw starben 8786 Menschen, stürzten 80000 Häuser ein und entstanden grosse Schäden an historischen und neuen Bauten. Die schweizeri- sche Hilfsorganisation Rokpa steckte damals mitten in der Planung des Akong Rinpoche Memorial Centers – ein Zentrum, das verarm- ten Müttern eine Ausbildung und eine Arbeitsstelle als Näherin anbietet und in dem junge und motivierte, aber mittellose Nepale- sen zu Hotelleriefachkräften ausgebildet werden. Die verheeren- den Schäden an den umliegenden Bauten veranlassten die Bau- herrschaft, das Tragwerk des fünfstöckigen Gebäudes überprüfen und, wo erforderlich, überarbeiten zu lassen.

Besinnung auf das Wesentliche

Bronzini initiierte bauliche Verstärkungen und konstruktive Anpas- sungen. Als Schule der höchsten Bauwerksklasse und Erdbebenka- tegorie zugeordnet, erhielt der Bau über den gesamten Grundriss eine Unterkellerung, was in Kathmandu aus Kostengründen oder wegen der ungenügenden Dichtigkeit unüblich ist. Der Ortbeton- sockel funktioniert als starre und stabile Kiste und spannt die ober- irdische Rahmenkonstruktion aus Stahlbeton ein. Das Gesamtsys- tem ist sicher in den Baugrund fundiert, was bei den erwarteten hohen Erdbebeneinwirkungen von vitaler Bedeutung ist.

Das Rahmentragwerk ist eine flexible Bauweise. Ihr Raster bie- tet Spielraum in der räumlichen Gestaltung; ihre Stützen-Riegel- konstruktion ist dort mit Backsteinmauerwerk ausgefacht, wo Fassaden- und Innenwände nötig sind. Allerdings ist sie auch nach- giebig, wodurch im Erdbebenfall relativ grosse Verformungen ent- stehen, die mit den steifen Ausfachungen zu grossen Schäden oder zum Einsturz führen können. Das Planerteam versuchte vergeblich, nachgiebige Holz- oder Fertigelemente für die Ausfachungen ein- zusetzen. Die Materialien waren zu teuer, nicht lieferbar oder es mangelte an Erfahrung im Umgang damit. So besann man sich und liess sich auf die traditionelle, günstige und flexible Bauweise mit Mauerwerk ein, passte sie im Detail aber entscheidend an.

Sichtbar ortsüblich – unsichtbar erdbebensicher

Die Ausfachung – insbesondere die Brüstung – ist nicht wie üblich satt zwischen die Pfeiler eingefügt, sondern mit vertikalen, 3 cm breiten Bewegungsfugen abgetrennt. Im Erdbebenfall entsteht kein ungünstiges Verhalten, das einen Schubbruch in den Rahmen- stützen oder ein Stützenmechanismus mit beträchtlichen Effek- ten zweiter Ordnung verursachen könnte. Eine weiche Dämm- einlage und zugeschnittene Carrymats schliessen die Fuge, und eine Verputzschicht versteckt sie. Diese Ausführung war zwar aufwendiger, sie verknüpft aber die ortsübliche Bauweise mit den gegenwärtig anerkannten Regeln der Baukunde auf Mehrwert bringende Weise.

Am Bau Beteiligte
 

Bauherrschaft
Rokpa International, Zürich

Architektur
Anil Kumar Shrestha, Kathmandu
Jolles Architekten, Zürich

Tragwerksplanung
Prakina Tuladhar, Kathmandu

Erdbebenbemessung
Gianfranco Bronzini, Conzett Bronzini Partner, Chur


Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen im dreisprachigen Buch «Schweizer Ingenieurbaukunst 2017/2018».

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