«Wer­te zu er­hal­ten, be­glei­tet mein Le­ben»

Rudolf Fässler war 19 Jahre in der Baubranche tätig. Besonders intensiv beschäftigte er sich mit der Werterhaltung und Entwicklung von Infrastrukturanlagen. Seit Oktober 2009 steht er vollamtlich als Seel­sorger im Dienst der Neuapostolischen Kirche.

Publikationsdatum
19-10-2012
Revision
01-09-2015

TEC21: Herr Fässler, Sie waren 13 Jahre Stadtingenieur in Uster. Heute sind Sie als Bischof für die Neuapostolische Kirche (NAK) Schweiz tätig. Wie kam es dazu?
Rudolf Fässler:
Ich habe schon seit meiner Jugend nebenberuflich in verschiedenen Funktionen, beispielsweise als Jugendpriester, Vorsteher und Bezirksevangelist, für die NAK gearbeitet. Im August 2009 wurde ich gefragt, ob ich die Berufung als Bischof annehmen würde. Bereits im Oktober 2009 erlebte ich in Wien die Einsetzung in dieses Amt. Wesentliche Voraussetzungen für diesen Schritt waren die Zustimmung meiner Familie und das Bewusstsein der göttlichen Berufung. 

Was sind heute Ihre Aufgaben?
R. F.
: Ich bin einer der weltweit 350 Bischöfe der Neuapostolischen Kirche. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Amtsträger Laien und haben keine theologische Ausbildung. Der weltweite Leiter der NAK ist beispielsweise promovierter Mathematiker. Zu meinen Aufgaben zählen insbesondere die Seelsorge für die Mitglieder, die Betreuung der Amtsträger sowie die Gestaltung von Gottesdiensten. Des Weiteren stehe ich verschiedenen Arbeitsgruppen vor und vertrete die Kirche in Baukommissionen. 

In welchem dieser Bereiche hilft Ihnen Ihre Erfahrung als Ingenieur?
R. F.
: Zurzeit beschäftigt mich der Aufbau eines Kompetenzzentrums für «Wissen und Lehre der NAK». Bei dieser Aufgabe sind meine Erfahrungen als Bauingenieur und aus dem MBA-Studium sehr wertvoll. Es braucht konzeptionelles Arbeiten, Projektleitungswissen und die Fähigkeit, Vorgaben zielgerichtet zu erarbeiten. In allen Arbeitsgruppen, die ich leite, treffen Menschen mit unterschiedlichem beruflichem Hintergrund zusammen, das ist vergleichbar mit den politischen Gremien, mit denen ich in Uster zusammengearbeitet habe. Den Ideen und Vorschlägen fehlt es aber oft an Nachhaltigkeit und Struktur. Ich versuche aufzuzeigen, wie wichtig Grundlagenarbeit für diesen Prozess ist. Die Arbeitsweise und die Methoden sind im Prinzip die gleichen, geändert haben sich die Inhalte.  

Umgekehrt gefragt: Haben Sie in Ihrer Ingenieurzeit die sozialen Komponenten aus der nebenberuflichen Tätigkeit bei der Kirche einfliessen lassen?
R. F.
: Mir war der Umgang mit den Mitarbeitern immer wichtig, und er basierte auf christlichen Grundwerten wie Wertschätzung, Achtung, Respekt oder Sicherheit. Sie tragen zur Leistungssteigerung bei, aber auch dazu, mit Freude zu arbeiten und diese Freude in die Familie zu tragen. Eine Kultur von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt hat geholfen, die Abteilung Bau der Stadt Uster erfolgreich zu reorganisieren.  

In Uster haben Sie sich aber auch mit technischen Fragen zur Werterhaltung von Infrastrukturanlagen beschäftigt.
R. F.
: Das Einstehen für Werte zieht sich durch mein Leben wie ein roter Faden. Als Stadt-ingenieur haben mich Sanierungs- und Umgestaltungsprojekte von Verkehrsinfrastrukturanlagen, die Weiterentwickung des urbanen Raums sowie Projekte der Siedlungsentwässerung beschäftigt. Das grösste Projekt zur Infrastrukturerhaltung war die Sanierung der Abwasserreinigungsanlage in der Stadt Uster. Zudem habe ich mich als Präsident der Stadt- und Gemeindeingenieure des Schweizerischen Verbands der Strassen- und Verkehrsfachleute (VSS) mit der Werterhaltung von Infrastrukturanlagen und ihrer Entwicklung beschäftigt.

Warum haben Sie sich ursprünglich für ein Ingenieurstudium entschieden, und warum haben Sie nun all das zurückgelassen, um Ihre neue Aufgabe wahrnehmen zu können? Würden Sie sich wieder so entscheiden?
R. F.
: Bereits in der Jugend begeisterte mich der Gedanke, eine Idee zur Realität werden zu lassen. Der Ingenieurberuf gibt uns die Möglichkeit dazu. Diese Faszination erfüllt mich heute noch, und ich hoffe, dass sich viele junge Menschen für diesen Beruf entscheiden. Ein Haus zu verlassen, in dem man sich wohlfühlt, ist eine grosse Herausforderung. Meine neue Aufgabe sehe ich als Berufung. Verschiedene sehr persönliche Erlebnisse bestätigen mich in meiner Entscheidung.  

Bleiben Sie der Baubranche dennoch in einer Form erhalten?
R. F.
: Ich bleibe weiterhin Verwaltungsratspräsident bei WIFpartner AG und diskutiere mit meinen Kollegen über die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Zudem werde ich mich darum bemühen, mein Netzwerk zu erhalten und Freundschaften aus der Zeit in der Baubranche zu pflegen.

Tags
Magazine

Verwandte Beiträge