Die Ju­ry in der Ver­ant­wor­tung

Die Jury übernimmt eine zentrale Rolle in einem Vergabeverfahren und hat Einfluss auf dessen Qualität und Ausgang. Eine neue Empfehlung der Planerverbände SIA, BSA und BSLA zeigt, worauf Jurymitglieder achten müssen.  

Publikationsdatum
13-12-2023
Valentine Pillet
MSc Arch. ETH/SIA, Mitglied Kommission SIA 142/143, Mitglied der Arbeitsgruppe «Empfehlungen für Jurymitglieder in Vergabeverfahren»

Qualität und Nachhaltigkeit eines Bauwerks werden in der Planung definiert. Deshalb ist die Beschaffung von hochwertigen Planungsleistungen das zentrale Instrument für die gesellschaftliche Forderung nach einem nachhaltig gestalteten Lebensraum.

In einer Jury – je nach Beschaffungsform spricht die Branche von Preisgericht, Beurteilungs- oder Bewertungsgremium – finden Fachleute verschiedener Planungsdisziplinen zusammen. Ihnen kommt dabei nicht nur die Verantwortung zur Bewertung der Beiträge zu, sondern sie sind auch zentrale Ansprechpartner für die Bauherrschaft. Sie übernehmen Mitverantwortung für die Aufgabenstellung, die Bedingungen aus dem Programm und die Durchführung des Verfahrens.

Daraus resultiert eine Verpflichtung am Wohl der Bauherrschaft, Nutzenden, Gesellschaft und auch gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen, die an den Verfahren teilnehmen. Um die Jurymitglieder zu unterstützen, haben die Planerverbände SIA, BSA und BSLA folgende Empfehlungen für diese verantwortungsvolle Funktion formuliert:


1. Vorbereitung

Nach der Initialisierung des Vorhabens durch die Bauherrschaft ist es wichtig, dass die Bedürfnisse klar und verständlich formuliert sind. Unter Einbezug der relevanten Anspruchsgruppen ist ein gemeinsames Verständnis zu schaffen. Die notwendigen Abklärungen, beispielsweise in Form einer Machbarkeitsstudie, müssen vorliegen und in der Jury diskutiert werden. Die Jury soll sich mit der Aufgabe vertieft auseinandersetzen. Dazu gehört neben dem Studium der relevanten Unterlagen auch ein Besuch des Bauplatzes.


2. Programm

In erster Linie muss die der Aufgabe angemessene Beschaffungsform bestimmt werden. Dabei hilft das Tool wegweiser-planungsbeschaffung.ch. Die Vergabeordnungen des SIA (SIA 142 bis 144) definieren Rahmenbedingungen und Inhalte der Verfahren. Diese sollen im Programm als verbindlich erklärt sein. Der Umfang der verlangten Unterlagen soll auf das für die Beurteilung notwendige Minimum reduziert und je nach gewähltem Verfahren durch eine entsprechende Preissumme oder Entschädigung vergütet werden.

Programme für Wettbewerbe und Studienaufträge können bei der Geschäftsstelle des SIA zur Prüfung eingereicht werden. Dieser kostenlose Service hilft, etwaige zuvor unerkannte Mängel zu beheben.


3. Jurierung

Nachdem durch die im Wettbewerbsprogramm bestimmten Spezialisten die technische Vorprüfung der Eingaben erfolgt ist und der Jury der Bericht daraus vorliegt, beginnt der eigentliche Jurierungsprozess. Es ist darauf zu achten, dass genügend Zeit für eine angemessene Beurteilung der Eingaben eingeplant ist und dass die gesamte Jury inklusive der Ersatzmitglieder anwesend ist.

Es lohnt sich, einen Reservetag einzuplanen. Während der Jurierung vermitteln und übersetzen die Fachjuroren die Inhalte für die Sachjuroren. Dieser Prozess ist zentral für die Akzeptanz des Resultats und ist mit entsprechender Sorgfalt zu gestalten. Ziel einer jeden Jurierung ist es, ein einstimmiges Resultat zu erzielen und Empfehlungen für das weitere Vorgehen vor dem Öffnen der Verfassercouverts festzuhalten.


4. Abschluss

Der Jurybericht wird von den Jurorinnen und Juroren verfasst und im Entwurf vor der Anonymitätsaufhebung genehmigt. Darin werden die Eingaben in angemessener Tiefe gewürdigt. An der darauffolgenden Vernissage der Ausstellung sind die Jurymitglieder anwesend und erklären den Teilnehmenden wie auch der interessierten Öffentlichkeit die Gründe für den Entscheid.

Gemeinsam für eine hohe Baukultur

Die Empfehlungen wurden gemeinsam erarbeitet. «Gemeinsam sind wir nicht nur wirkungsvoller, wir decken auch mehr Perspektiven ab und können voneinander lernen», sagt Laurindo Lietha, SIA-Verantwortlicher Vergabewesen, der das Projekt für den SIA initiierte. Die Planerverbände setzen sich zusammen für eine qualitätsvolle Beschaffung von Planerleistungen ein und haben bereits Anfang Jahr das Online-Instrument wegweiser-planungsbeschaffung.ch entwickelt.

Der «Wegweiser Planungsbeschaffung» orientiert über die wichtigsten Schritte bei der Vergabe von Architektur- und Ingenieuraufträgen. Jurymitglieder und Bauherrschaften finden auf der Webseite weiterführende Informationen zur nachhaltigen Beschaffung.

Die «Empfehlungen für Jurymitglieder in Vergabeverfahren» stehen auf der SIA-Webseite auf Deutsch, Französisch und Italienisch zum Download bereit.

rundumsia

 

Anfang Jahr startet der SIA das neue Veranstaltungsformat «rundumsia», bei dem aktuelle Themen in geselliger Atmosphäre diskutiert werden. Zum Auftakt der Reihe am 9. Januar 2024 diskutieren die Gäste die Verantwortung und Rolle der Jury in der Ambossrampe in Zürich.

 

Am Podium nehmen teil:

 

  • Adrian Berger, Architekt ETH SIA BSA, Geschäftsleitung, Partner huggenbergfries Architekten AG
  • Christoph Dettling, Architekt ETH SIA BSA, Kantonsbaumeister, Amtsvorsteher Hochbauamt Kanton Schwyz
  • Rhea Lesniak, Architektin ETH SIA, Leiterin Fachstelle Wettbewerbe Hochbauamt Kanton Zürich
  • Dr. Sara Luzón, Architektin SIA, Leiterin Development & Construction Management, Geschäftsleitung Pensimo Management AG
     

Moderation: Stefania Koller

 

Ort: Ambossrampe, Zürich

Türöffnung: 18 Uhr, Beginn: 18:30 Uhr

 

Eintritt frei

 

Weitere Infos: rundumsia.events.sia.ch

 

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