Un­ge­tü­me un­ter Ta­ge

Inbetriebnahme Pumpspeicherwerk Limmern

Geschichten von Drachen und Ungeheuern, die in tiefen Berghöhlen schlafen, gibt es zuhauf. In Linthal erwachen 2017 moderne Monster: die vier Maschinengruppen des Pumpspeicherwerks Limmern mit ihren 1000 MW.

Publikationsdatum
12-05-2017
Revision
12-05-2017

Mit der Inbetriebnahme des Pumpspeicherwerks Limmern 2017 nimmt die Axpo nach achtjähriger Bauzeit den ersten Platz bei den leistungsfähigsten Pumpspeicherkraftwerken der Schweiz ein. Zu den bereits vorhandenen An­lagen der Kraftwerke Linth-Limmern (KLL) kommen zusätzliche 1000 MW Pumpen- respektive Turbinenleistung. Die KLL können somit ab Ende 2017 mit einer gesamten Leistung von 1520 MW das Stromnetz beeinflussen.

Dieses Netz galt es jedoch für die Leistungsaufstockung erst einmal zu erreichen. Eine neue 17.5 km lange Stromleitung mit 65 Masten bis zu einer Höhe von 89 m führt vom bestehenden 380-kV-Höchstspannungsnetz bei Schwanden-Sool über das Niederental und den Bergrücken des Sedels nach Tierfehd. Durch den Zugangsstollen 1 stossen die Leitungen knapp 4 km den Berg hinauf bis in die riesige Kavernenzentrale des unterirdischen Pumpspeicherwerks vor (vgl. «Auf Bohren, Biegen und Brechen durch den Berg»).

Dort, in der Transformatorenkaverne, verrichten vier Ungetüme ihren Dienst: Die Maschinentransformatoren, die schwersten Einzelbauteile des gesamten Kraftwerkprojekts mit einem Gewicht von je 215 t, verwandeln die zugeführte Hochspannung in Mittelspannung von 18 kV, um bei Pumpenbetrieb die Motorgeneratoren antreiben zu können. Bei Turbinenbetrieb, sprich: wenn Strom erzeugt wird, geschieht dies umgekehrt, da Hochspannung verlustärmer übertragbar ist.

Kolosse in der Kaverne

In der nebenan gelegenen Maschinenkaverne verarbeiten vier weitere Monster ungeheure Energiemengen: die Motorgeneratoren. Sie sind auf einer vertikalen Antriebswelle mit den in Schächten unterhalb angeordneten Francis-Pumpturbinen verbunden und fungieren als Motor im Pumpenbetrieb respektive als Strom­erzeuger im Turbinenbetrieb. Die zwölfpoligen Motorgeneratoren sind die derzeit grössten Asynchronmaschinen der Schweiz. Allein ihre Rotoren wiegen je Generator 330 t und wurden daher in der Kaverne vor Ort montiert.

Asynchronmaschinen sind im Gegensatz zu den meist in Wasserkraftwerken verbauten Synchronmaschinen drehzahlvariabel. Dies erlaubt in gewissen Grenzen die Anpassung der Pumpenleistung an die im Netz vorhandene Überschussleistung. Ist tatsächlich weniger Leistung im Stromnetz verfügbar als die Pumpenleistung, kann trotzdem gepumpt werden. Überschussstrom, der in Zeiten geringer Nachfrage anfallen kann, da Grundlastkraftwerke nicht immer heruntergeregelt werden können, kann somit effektiv zur Füllung des oben gelegenen Muttsees verwendet werden.  

Für die Frequenzregelung des Stromnetzes sind Asynchronmaschinen ebenfalls interessant. Sie sind innerhalb weniger Minuten zuschaltbar. Auch ­zwischen ihren beiden Betriebsarten – dem Turbinieren und dem Pumpen – kann innerhalb einer Zeitspanne von etwa zwei bis fünf Minuten gewechselt werden.

Monster mischen am Markt mit

Im Dezember 2015 gelang erstmals probeweise die ­Netzsynchronisation einer ersten Maschinengruppe. Bei der Synchronisation wird die Umdrehungszahl der Maschine auf die Stromnetzfrequenz von 50 Hz abgestimmt. Die Maschine kann daraufhin ans Netz gekoppelt werden und Strom einspeisen respektive ­aufnehmen. 2017 sollen alle vier Maschinengruppen für den regulären Betrieb bereit sein und am Strommarkt eingesetzt werden. Schlafen und Feuer spucken wie Drachen in alten Zeiten dürfen sie dann nicht. ­Vielmehr müssen sie stets parat stehen, um Energie zu speichern, Spitzenstrom zu generieren und irgendwann einmal Geld zu spucken. Sonst wären die Giganten nur versauernde Saurier.

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