Dadadas ist neu
Beton, Holz, Kalksandstein, indigoblaue Decken – seit der Wiedereröffnung Ende April zeigt sich das Zürcher Cabaret Voltaire in neuem Gewand. In einer grundlegenden Instandsetzung hat das Architekturbüro raumfalter die alten Gemäuer wieder auf Vordermann gebracht, ohne die historischen Schichten zu überdecken.
Das Cabaret Voltaire ist eine Instanz in Zürich. Das 1916 an der Spiegelgasse im Niederdorf gegründete Kleintheater gilt als Geburtsort der Kunstform des Dada. Seit 2017 ist das Gebäude im Besitz der Stadt Zürich und wurde als Ausstellungsraum (im Gewölbekeller), als Bibliothek und Shop (im UG) und als Veranstaltungsraum mit Café- und Barbetrieb (im EG) genutzt.
Zuletzt waren die Räumlichkeiten in die Jahre gekommen. Funktionelle Schwierigkeiten bei der Nutzung und eine Gebäudetechnik, die den heutigen funktionellen und gesetzlichen Anforderungen nicht mehr entsprach, machten eine Erneuerung und Instandsetzung nötig. Die Besitzerin, die Stadt Zürich, entschied sich für eine Machbarkeitsstudie und beauftragte danach das Zürcher Architekturbüro raumfalter mit der Projektierung.
Optimierter Grundriss
Die Erneuerung von Lüftung, Heizung und Elektroinstallationen sowie die Anpassung an die geltenden Brandschutzvorgaben ermöglichen in Kombination mit einigen strukturellen Änderungen seit dem Umbau wieder eine uneingeschränkte und auch flexiblere Nutzung des Cabaret Voltaire. Besonders stark wirkt sich die Verlegung der Bar ins UG aus, zur Münstergasse hin, ebenso wie die Verschiebung der Treppe an die gegenüberliegende Wand des Gebäudes. Durch diese Eingriffe lassen sich die Räume neuerdings unabhängig voneinander nutzen, was in der vorhergehenden Aufteilung kaum möglich war. Die ursprünglich im Eingangsbereich des Untergeschosses angesiedelte Bibliothek wurde nach Feierabend zum toten Raum, durch den die Besucherinnen und Besucher der Bar hindurchgeschleust werden mussten. Die Reorganisation macht diese Zone wieder zum Eingangsbereich und stützt sich dabei auf die historische Raumaufteilung. Der Veranstaltungsraum im Erdgeschoss behält seinen Eingang über die Spiegelgasse, ein Nebengässchen, das dem Gebäude seine eigentliche Adresse gibt.
Berühren erlaubt
Gestalterisch ergänzten die Architekten die historische Bausubstanz mit vier Materialien – Beton für Bar und Sitzbänke in der Künstler*innenkneipe, Holz für Türen und Regaleinbauten, Kalksandstein für neue strukturelle Elemente und einen indigoblauen Anstrich der Decken.
In der Künstler*innenkneipe im UG sollen Besucherinnen und Besucher die Kunst hautnah erleben können. Als erste Künstlerin durfte Ilaria Vinci die Bar mit ihrer Ausstellung «Phoenix Philosophy Café» bespielen. Sie verwandelte den Eingangsbereich in eine Feuerstelle. Zurückgeworfen auf ein Urbedürfnis des Menschen, sich um die Feuerstelle zu versammeln und Geschichten und Informationen auszutauschen, referiert Ilaria Vincis Ausstellung aber auch die Mythologie des Phönix und des Prometheus: Wie der «Phönix aus der Asche» erscheint das alte Dada-Haus in neuem Gewand. Die Installation in der Künstler*innenkneipe bleibt jeweils für ein Jahr bestehen – jedes Jahr wird der Besuch der Bar neu zum Denken anregen.
Rückgriff aufs Original
Diese kontinuierliche Erneuerung spiegelt sich auch im Entwurf der Architekten wider: Kontinuitäten und Brüche der Bausubstanz sind klar zu sehen. Die historischen Decken und Wände mit ihren Lebensspuren werden durch die Eingriffe der Architekten ergänzt oder referenzieren die Geschichte des Dada. Historisch belegt ist, dass bereits Hans Arp die Decke der damaligen Bierschenke blau streichen liess. Rote Tischtücher und ein grüner Vorhang sind weitere Elemente, die die Veranstaltenden als Gestaltungsmittel aus der Gründungszeit aufgenommen haben und nun im neuen Raumgefüge einsetzen.
Instandsetzung Cabaret Voltaire
Bauherrschaft
Stadt Zürich
Architektur
raumfalter, Zürich
Tragkonstruktion
Ruggli & Partner Bauingenieure, Zürich
Elektroplanung
Gode, Zürich
HLKS-Planung
Thieme:Klima, Zürich
Veranstaltungstechnikplanung
Tokyoblue, Zürich
Gastroplanung
axet, Embrach
Beratung Materialien und Gestaltung
Max Schweizer, Zürich
Projektierung
Mai 2020–April 2021
Bauzeit
Mai 2021 – April 2022
Baukosten
2.9 Mio. Franken