In­ches Ge­le­ta: «Wett­be­wer­be sind das Werk­zeug zum Ex­pe­ri­men­tie­ren par exel­lence»

Wie sieht die Wettbewerbssituation in der Schweiz aus? Kommen junge Architekturbüros genügend zum Zuge? espazium.ch hat junge Büros befragt. Matteo Inches und Nastasja Inches-Geleta, Inhaber des Studios Inches Geleta Architetti, berichten von ihren Erfahrungen.

Publikationsdatum
26-08-2021

espazium.ch: Wie würden Sie im Zusammenhang mit Architekturwettbewerben die Situation im Tessin beschreiben?

Matteo Inches und Nastasja Inches-Geleta: Wir empfinden sie auf jeden Fall als positiv. Das Bewusstsein für die Bedeutung dieses Instruments ist bei Fachleuten tief verankert, und im öffentlichen Sektor wächst die Sensibilisierung dafür. Eine besondere Erwähnung verdient das grosse Engagement der Conferenza delle Associazioni Tecniche del Cantone Ticino (CAT) und der Tessiner Wettbewerbskommission, die zur Verbesserung der Qualität von Verfahren das «programma base» entwickelt haben.

Geben die Wettbewerbe Ihrer Meinung nach jungen Architekturschaffenden genügend Raum?

Zunächst einmal möchten wir festhalten, dass junge Architektinnen und Architekten im Tessin und allgemein in der Schweiz schon immer die Möglichkeit hatten, an attraktiven offenen Wettbewerben teilzunehmen. Zudem haben wir in den letzten Jahren eine Zunahme an Wettbewerben und Studienaufträgen im selektiven Verfahren beobachtet, an denen auch junge Berufsleute, in der Regel unter 40 Jahren, teilnehmen können. Natürlich ist die Verteilung ober- und unterhalb dieser Altersgrenze nicht ausgeglichen, aber für die Kategorie «junge Architekten» stellt diese Art Verfahren auf jeden Fall einen Anreiz dar. Wir haben bereits das Privileg genossen, zu den Ausgewählten zu gehören – das hat unserem Büro einen positiven Impuls gegeben und uns die Gelegenheit geboten, unser technisches Wissen zu vergrössern, mehr Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln und uns bei der Präsentation unserer Projektideen mit öffentlichen Auftraggebern auseinanderzusetzen.

Wenn man die Frage stellt, ob der Kategorie «junge Architekten» genug Raum gegeben wird – was unserer Meinung nach der Fall ist –, sollte man umgekehrt auch fragen, ob alle jungen Berufsleute auf die Zusammenarbeit mit einem öffentlichen Auftraggeber vorbereitet sind. Die Auseinandersetzung mit einer Ausschreibung bedingt auch, dass der Architekt, die Architektin sich überlegt, ob die geforderten Kompetenzen wirklich dem eigenen Know-how entsprechen – gerade das Bauen im öffentlichen Sektor ist auch eine Frage der Verantwortung und Reflektiertheit. Es handelt sich nicht einfach um ein Ticket, das zu individueller Anerkennung verhilft, sondern vielmehr um einen Dienst an seiner Region.

Wie treffen Sie die Entscheidung, an welchen Wettbewerben Sie teilnehmen? Haben Sie auch schon an ausserkantonalen oder internationalen Wettbewerben teilgenommen?

In den ersten Jahren unserer Tätigkeit reizte uns praktisch jede Art von Wettbewerb als Möglichkeit, «den Sprung zu wagen», und im Bewusstsein, dass auch wir dazu beitragen konnten, konstruktive Antworten auf die in den Ausschreibungen definierten Zielsetzungen zu geben. Im Lauf der Zeit, insbesondere in den letzten zwei Jahren, sind wir sehr viel selektiver geworden und packen neue Wettbewerbe nur dann an, wenn unsere zeitlichen Ressourcen es zulassen – ausschlaggebend ist also eher die momentane Auslastung als das Thema eines Wettbewerbs, das ohnehin immer attraktiv ist. Unser Ziel wäre es, über unsere lokalen Tätigkeit hinaus auch Herausforderungen auf der Alpennordseite anzunehmen, konkret haben wir diesbezüglich aber noch nichts unternommen. Auch weil es sich dabei, wie uns scheint, um einen Prozess in Etappen handelt und wir es im Moment durchaus sinnvoll und kohärent finden, uns als junges Architekturbüro mit den hiesigen Siedlungsgebieten auseinanderzusetzen, deren Geschichte und Entwicklung wir kennen.

Regen Wettbewerbe Ihrer Meinung nach zum Experimentieren an?

Wettbewerbe sind das Werkzeug zum Experimentieren par exellence, insbesondere in Bezug auf den Ausdruck und die Materialien. Uns ist aber wichtig, realistisch zu bleiben, gerade was die Anforderungen und Erwartungen betrifft, die in einer Ausschreibung formuliert sind. Experimentieren darf kein Selbstzweck sein. Wir verfolgen bei Wettbewerben den Ansatz, dass wir eine spezifische architektonische Lösung für die Bauherrschaft und insbesondere für den betreffenden Ort finden wollen, und verlassen zu diesem Zweck auch unsere gewohnten Bahnen. Ein typisches Beispiel dafür ist etwa die Schulkantine von Viganello mit einer Tragkonstruktion aus Metall, wie wir sie zuvor noch nie vorgeschlagen oder umgesetzt hatten.

Sollten die Wettbewerbsverfahren Ihrer Meinung nach verändert oder angepasst werden? Wenn ja, wie?

Es gibt, wie bereits erwähnt, Arbeitsgruppen und Kommissionen, die die zunehmend besser werdenden Verfahren überwachen. Angesichts des grossen Arbeitsaufwands, der mit der Teilnahme an einem Wettbewerb verbunden ist, stellt sich jedoch die Frage, ob die von der ausschreibenden Behörde gestellten Ansprüche (Flächenberechnungen, Details usw.) in jedem Fall in einem angemessenen Verhältnis zur Phase der Projektvertiefung stehen und ob sich die Fristen der Verfahren nicht stärker am realen Zeitaufwand für die Planungsarbeit orientieren sollten, im Interesse einer «geduldigen Recherche», einem Synonym für architektonische Qualität.

Das Architekturbüro Inches Geleta Architetti, gegründet 2017 von Matteo Inches (1984) und Nastasja Inches-Geleta (1984), hat seinen Sitz in Locarno.

Bisher hat das Architekturbüro an zwölf Wettbewerben teilgenommen und wurde in fünf davon mit einem Preis ausgezeichnet:

Dieser Beitrag ist im Original auf espazium.ch/it erschienen. Übersetzung aus dem Italienischen: Barbara Sauser. 

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