Tektonik zum Tanzen
Mitten aus dem Hochschulleben: In loser Folge berichtet unser Gastautor von absurden, lehrreichen und eigenartigen Episoden des Architekturstudiums.
Neues Studienjahr, neues Semester, neue Dozierende, neues Entwurfsthema! Auf das wohnungs- und kontextorientierte Bauen folgt nun also «Architektur und Tektonik». Doch was ist Tektonik? Eigentlich sollte der Begriff den meisten Leserinnen und Lesern bekannt sein – trotzdem eine kurze Rekapitulation: Der deutsche Architekt Gottfried Semper brachte die Definition bereits 1860 als «Kunst des Zusammenfügens starrer, stabförmig gestalteter Teile zu einem in sich unverrückbaren System» auf den Punkt. So weit, so gut …
Doch in der heutigen Hochschullandschaft werden viele Fächer auf Englisch unterrichtet. Wir sprechen also untereinander – und vor allem mit den Austauschstudierenden – oft von «tectonic». Und was spuckt Google bei der Recherche nach dem Begriff für Resultate aus? Die Suchmaschine findet statt der erhofften architektonisch relevanten Ergebnisse ein in dem drei junge Männer im Stil von «tectonic» zu Electro-House und schrillen Beats tanzen. Hochgeladen wurde es vor zehn Jahren. Damals der absolute Hit auf den Tanzflächen, erreichte es in dieser Zeit über fünf Millionen Aufrufe. Wie viele davon wohl von verbissenen Architekturstudierenden stammen, die auf etwas ganz anderes aus waren?