Tag der Far­be: «Das ak­tua­li­sier­te Denk­mal»

Am 23. September fand im Haus der Farbe in Zürich Oerlikon der diesjährige Tag der Farbe statt. Im Zentrum stand der Umgang mit Denkmälern und die Erkenntnis: «s wird nümme, wies nie gsi isch.»

Publikationsdatum
24-09-2014
Revision
01-09-2015

In seiner Einleitung nahm Lino Sibillano, Co-Leiter Haus der Farbe, Bezug auf das Tagungsthema: In den letzten beiden Jahren habe die Farbgestaltung bei Denkmälern und die Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege markant zugenommen.

Dabei treffen die Farbgestalter auf folgende Themen: Zum einen ist der Aufwand für eine vollständige Rekonstruktion der historischen Farbigkeit von Gebäuden sehr hoch, oft lässt der Zustand des Bestands auch gar keine Aussagen zur Originalfarbigkeit zu. Zum anderen sind die betroffenen Gebäude in der Regel genutzt, der städtebauliche Kontext ein anderer als zu Erbauungszeiten. Dies verlangt eine zeitgenössische Interpretation der originalen Farbigkeit.

Über das korrekte Vorgehen bei diesen Projekten herrscht offenbar weitgehend Einigkeit, zumindest kam dazu bei der Veranstaltung keine Diskussion auf. Zunächst hat eine möglichst tiefgehende Analyse der Originalfarbigkeit zu erfolgen, anhand des Befunds vor Ort, aber auch anhand vorhandener Archivalien. Dabei können sich Diskrepanzen ergeben, was ebenso Änderungen bei der Ausführung geschuldet sein kann wie späteren Instandsetzungsarbeiten.

Bei der Wahl der «neuen» Farbkomposition sind letztlich aber die Erfahrung und das Gespür der Fachleute ausschlaggebend, gepaart mit dem Können der ausführenden Handwerker (einen entsprechenden Kostenrahmen sowie Interesse und Kompetenz der Bauherrschaft vorausgesetzt).

Rückführung an das Original

Dies zeigten die vier präsentierten Projekte: Beim Zeughaus Teufen (Ruedi Elser, Kantonaler Denkmalpfleger Thurgau/Felix Wettstein, Architekt Lugano) und dem Pestalozzischulhaus Aarau (Beat Soller, Farbgestalter Zürich/ Reto Nussbaumer, Kantonaler Denkmalpfleger Aarau) ging es darum, einen möglichst originalgetreuen Farbzustand im Inneren und an der Fassade wieder herzustellen sowie neue Elemente farbig einzubinden

Beide Gebäude entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Planlage war dünn, Zeichnungen und Fotografien aus den Anfangsjahren nur in schwarz-weiss vorhanden. Beiden Objekten näherten sich die Beteiligten über den Farbbefund am Bestand und die Recherche der Originalquellen. Diese ergab z.B. beim Zeughaus Teufen dass ein rötlicher Kalkputz vorgesehen, aber ein gelblicher ausgeführt wurde. Das Projektteam entschied sich bei der Instandsetzung für den ursprünglich geplanten – die Fassade des Solitärbaus wirkt dadurch frischer, das Volumen insgesamt stärker.

«Müde Fassaden» waren auch ein Thema bei der Pestalozzischule, ein flächiger Farbauftrag in hellbeige über alle architektonischen Gliederungselemente hinweg liess die Fassade flach und undifferenziert erscheinen. Auch hier half ein sanftes Modellieren – letztendlich enthält die Fassade nun 14 verschiedene Farbtöne in Grau- und Beigenuancen. Das Resultat ist verblüffend, der Bau wirkt wie frisch geliftet.

Erfrischend neu

Die Fassaden des Polizei- und des Bezirksgebäudes in Kreuzlingen (Eva Leuba, Innenarchitektin Zürich/Bettina Hedinger, Denkmalpflegerin Thurgau) hingegen sollten einem Umstyling unterzogen werden. Ganz wie bei einem guten Make-up akzentuierten die Planerinnen die Stärken – gute Fassadengliederung –, und bügelten die Schwächen – flächige Behandlung der Fassade, keine Dreidimensionalität – aus.

Da es hier nicht um eine Restaurierung der Originalfarben ging, bezogen sie sich dabei auf eine Farbpalette der 1950er-Jahre, der Zeit des letzten grossen Umbaus – applizierten also ein neues Farbkonzept auf einen denkmalgeschützten Bau. Die neue Farbigkeit in Grau- und Ockertönen mit warmen Akzenten lässt die Elemente der Fassade hervortreten. Es ergibt sich Tiefe, die horizontale Gliederung wird gestärkt. Während das grössere Betriebsgebäude noch auf die Instandsetzung wartet, ist das kleinere Polizeigebäude bereits fertig gestellt. Das Ergebnis überzeugt.

Farbige Moderne

Eine andere Ausgangslage bestand beim Haus Sonneveld in Rotterdam (Marcella Wenger-Di Gabriele, Farbgestalterin Bern/ Stefanie Wettstein, Kunsthistorikerin Zürich, Co-Leiterin Haus der Farbe). Der Bau der Architekten Brinkman & van der Vlugt, denselben, die auch für die Van-Nelle-Fabrik verantwortlich zeichneten, entstand 1933 als Heim für den Vizedirektor der Fabrik und seine Familie. Das Haus, ein Bijou der Klassischen Moderne, steht unter Denkmalschutz, heute gehört es zum Niederländischen Architekturinstitut und dient als Museum.

Das Haus der Farbe erhielt die Anfrage, eine Bestandanalyse und ein Unterhaltskonzept für die Villa zu erstellen. Anhand des Bestands und des Archivmaterials erstellten die Farbgestalterinnen eine Farbklaviatur. Dabei wurde deutlich, dass die Wirkung der Farbtöne im Raum nicht nur von ihrer Mischung und ihrem Zusammenspiel rührte, sondern auch ganz entscheidend von der Oberflächenbehandlung, also matt oder glänzend, und von der Art – und dem Werkzeug – mit dem die Farbe appliziert wurde (eben nicht mit einer Rolle, sondern mit einer Klopfbürste in Tamponeer-Technik).

Diese Erkenntnis floss in das Unterhaltskonzept mit ein: Die Gestalterinnen empfehlen, kleinere Schäden als Zeichen der Nutzung nicht auszubessern, grössere Ausbesserungsarbeiten aber einem – möglichst immer demselben – Handwerker zu überlassen, der mit dem Haus, der Auftragtechnik und den Farbschichten vertraut ist.

Annäherung an die Erinnerung

Was bleibt als Fazit? Den farbigen Originalzustand eines Denkmals wiederherzustellen kann das Ziel, muss es aber nicht sein – sich diesem aber anzunähern durchaus. Tatsächlich ist das Zurückversetzen ohnehin eine Illusion – die Materialien haben sich geändert, der Kontext, allenfalls auch die Nutzung. Zudem ist die Erinnerung trügerisch oder anders: «S wird nümme, wies nie gsi isch».1

Zudem verlangt jedes Objekt eine Einzelbeurteilung, eine universal gültige Formel gibt es ebenso wenig wie die einzig richtige Lösung. Dass sich die Auseinandersetzung mit der Farbigkeit von Denkmäler dennoch lohnt, zeigte am Tag der Farbe der Wow-Effekt bei der Präsentation der Nachher-Bilder.

Anmerkung

  1. Aus dem Vortrag von Beat Soller und Reto Nussbaumer, zitiert wird der Titel des neuen Buchs von Andreas Neeser. 

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