Stan­dard Nach­hal­ti­ges Bau­en Schweiz – Vom Ein­zel­ob­jekt zum nach­hal­ti­gen Quar­tier

Swissbau 2014

Die Anwendung des Standards Nachhaltiges Bauen Schweiz (SNBS) wird derzeit an 28 Pilotprojekten getestet, um ihn darauf aufbauend optimieren zu können. Am Swissbau-Arena-Anlass wurden stellvertretend drei Projekte vorgestellt. Die Projektverantwortlichen stellten dem neuen Standard insgesamt ein gutes Zeugnis aus, übten im Detail aber auch Kritik.

Publikationsdatum
23-01-2014
Revision
25-08-2015

Nach der Begrüssung der Zuhörer in der fast voll besetzten Swissbau-Arena durch Martin Stocker, Vizepräsident des Netzwerks Nachhaltiges Bauen Schweiz und Leiter von Armasuisse Immobilien, erläuterte Daniel Büchel, Vizedirektor des Bundesamtes für Energie BFE, in seinem einführenden Referat die Stossrichtungen und die geplanten Massnahmen der Energiestrategie 2050.

Er begann seine Ausführungen mit einem Zitat von Ludwig Borne: «Die Lebenskraft eines Zeitalters liegt nicht in seiner Ernte, sondern in seiner Aussaat.» Sowohl die Energiestrategie als auch der neue Baustandard als wichtiger Baustein davon seien eine solche Saat, die «Zeit braucht, bis man die Ernte einfahren kann».

Projekt 1: Bürogebäude an der Stampfenbachstrasse 30 in Zürich

Das anschliessende Referat von Paul Eggimann, Leiter Bauökologie im Hochbauamt des Kantons Zürich, leitete zu den Pilotprojekten über. Eggimann stellte die Ergebnisse der Bewertung nach SNBS für ein Bürogebäude an der Stampfenbachstrasse 30 in Zürich vor (Architektur: Voelki Partner AG Architekten, Zürich), das seit letztem Sommer die kantonale Gesundheitsdirektion beherbergt.

Der siebengeschossige Ersatzneubau wurde auch nach Minergie-P-Eco zertifiziert. Trotzdem erhielt er in der Bewertung nach SNBS nur mittlere bis gute Noten. Das liege zum Teil daran, dass der Standard die Latte sehr hoch ansetze und im Bereich Umwelt zum Beispiel nur mit einem Plus-Energie-Gebäude die beste Note erreichbar sei.

Eggimann kritisierte aber, dass einige Kriterien vom Standort des Gebäudes und nicht von der Bauweise abhängig seien. So schnitt das in der dichten und versiegelten Zürcher Innenstadt liegende Gebäude etwa beim Kriterium «Natur & Landschaft» schlecht ab. Auch seien nicht alle Kriterien für alle Bauten sinnvoll, so beispielsweise die Vermietungssituation für ein Gebäude der öffentlichen Verwaltung.

Das Zusammentragen aller erforderlichen Daten für die Fülle an Kriterien sei ausserdem recht aufwändig, wobei diese aber letztlich mit sehr unterschiedlicher Gewichtung in die Bewertung einflössen, so Eggimann. Insgesamt lobte er das Tool aber als «umfassend». «Es deckt den aktuellen Stand der Diskussion im Nachhaltigen Bauen ab», konstatierte er.

Projekt 2: Tscharnergut in Bern Bethlehem

Als weiteres Pilotprojekt wurde das Tscharnergut in Bern Bethlehem vorgestellt. Die zwischen 1958 und 1965 erbaute Siedlung soll in den kommenden Jahren etappenweise und sozialverträglich instandgestellt werden. Wie dies passieren soll, zeigt stellvertretend eine dieses Jahr beginnende Pilotsanierung an einem der Gebäude, die als verbindlich für das Vorgehen bei allen anderen erklärt wurde.

Der Berner Architekt Rolf Mühlethaler präsentierte die wesentlichen Prinzipien dieser Instandsetzung (Architektur: Rolf Mühlethaler, Bern, und Matti Ragaz Hitz AG, Liebefeld), ohne jedoch auf die Bewertung nach SNBS einzugehen. Dem Gebäude wird eine 3m breite Raumschicht hinzugefügt. Die einfachen und funktionalen Grundrisse werden ansonsten aber beibehalten. Auch insgesamt hält sich die Eingriffstiefe im Rahmen, da für eine Reihe geltender Normen und Richtlinien mit den städtischen Behörden Kompromisse ausgehandelt werden konnten.

Projekt 3: Geplanter Neubau Südbahnhof Horw

Drittes im Bunde der vorgestellten Pilotprojekte war ein geplanter Neubau im neu entstehenden Stadtteil rund um den Südbahnhof von Horw LU. Denis Kopitsis, Inhaber der Kopitsis Bauphysik AG in Wohlen, stellte das Projekt im Baufeld G des 11ha grossen Entwicklungsgebietes vor (Architektur: Tilla Theus und Partner AG, Zürich).

Die Bewertung nach SNBS wurde für die 12 oberen, als Wohnraum genutzten Geschosse durchgeführt, die sich über zwei als Büroflächen genutzten Sockelgeschossen befinden. Kopitsis lobte die gleichwertige Gewichtung der Bereiche Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt innerhalb des SNBS, die auch bei Investoren gut ankomme. Auch dieses Projekt erreicht bei der Bewertung mittlere bis gute Noten, wobei in der jetzigen Vorprojektphase einige Kriterien noch nicht bewertet werden konnten.

Auch Kopitsis brachte jedoch Kritik am Sinn einzelner Kriterien an. So bringe die geplante Anordnung der Balkone innerhalb des Wärmedämmperimeters zwar Vorteile im Bereich Energie, dafür aber Nachteile im Bereich Gesellschaft, da die Balkone als Innenräume gelten und somit Aussenräume fehlen.

Zertifikat «2000-Watt-Areale»

Heinrich Gugerli, Leiter der Fachstelle Nachhaltiges Bauen der Stadt Zürich, schlug mit seinem Vortrag den Bogen vom Einzelgebäude zu ganzen Arealen und stellte das Zertifikat «2000-Watt-Areale» am Beispiel der Greencity Zürich vor, die das Zertifikat letzten Herbst für die Phase «Entwicklung» erhalten hat. Durch die 2000-Watt-Areale würden «Baulabel aber nicht obsolet», betonte Gugerli.

Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine kurze Podiumsdiskussion mit allen Referenten unter Leitung von Judit Solt, Chefredaktorin von TEC21. Darin betonte Paul Eggimann, dass es beim nachhaltigen Bauen keine vorgefertigten Lösungen gebe. Stattdessen muss man für jede Lebensphase eines Gebäudes eruieren, welche machbaren, nachhaltigen Lösungen es gibt. Dass dabei verschiedene Wege möglich sind, sei ein eigentlicher Mehrwert, so Heinrich Gugerli in seinem abschliessenden Statement. 

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