S-WIN: von der Holz­for­schung zur Pra­xis

Swiss Wood Innovation Network

Die Schweizer Wald- und Holzwirtschaft hat den Ruf einer eher behäbigen Branche. Das müsste nicht sein. Denn Holz ist ein äusserst vielfältiger Rohstoff, dessen Innovationspotenzial längst noch nicht voll ausgeschöpft ist. Doch um zu neuen Ufern aufzubrechen, braucht es Ideen, Pioniergeist und unternehmerischen Mut.

Publikationsdatum
23-05-2018
Revision
24-05-2018

Das 2017 abgeschlossene Nationale Forschungsprogramm NFP 66 «Ressource Holz» brachte nicht nur eine ganze Reihe von Forschungsergebnissen hervor, sondern auch einige Empfehlungen. Die Fachleute trafen sich auf dem Gurten, um darüber zu diskutieren, wo in den nächsten Jahren die Schwerpunkte zu setzen sind. S-WIN ist die Drehscheibe für die Schweizer Holzforschung. Das Netzwerk ist 2013 aus der Fusion der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Holzforschung und dem Netzwerk Holz hervorgegangen. Die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) anerkennt S-WIN als nationales thematisches Netzwerk.

Martin Riediker, der Präsident der Leitungsgruppe des NFP 66, erläuterte die aus seiner Sicht wichtigsten Empfehlungen des Forschungsprogramms. Ein neu zu schaffendes Technikum Holzinnovation soll sicherstellen, dass neue holzbasierte Materialien eine Chance haben, auch auf dem Markt erfolgreich zu sein. Dieser Prozess ist mit öffentlichen Geldern zu unterstützen. Werden die Investitionshürden gesenkt, scheint eine rasche Umsetzung möglich. Zudem sind ein Kompetenzzentrum Bioraffinerie sowie ein entsprechender Lehrgang zu schaffen.

Laut Riediker sollte man in der Schweiz weniger von Bioraffinerien sprechen, denn viele würden solche Anlagen mit riesigen Ölraffinerien oder Zellstoffwerken gleichsetzen. Der Begriff «Bioproduktewerk» sei besser. Denn es geht um die Bestandteile des Holzes, etwa um Nanozellulose oder Monomere als Basis für Polymere oder Treibstoffe. In der Schweiz gibt es bisher praktisch keine Pilotanlagen. Riediker skizzierte eine Zukunftsidee, nach der in Regionen in der Schweiz, wo es heute keinen lokalen Bedarf für das Holz gibt und dieses deshalb auch nicht geerntet wird, kleine Biomassenproduktewerke aufgebaut werden und auf diese Weise eine neue Nachfrage nach Holz generiert wird.

Ein solch erweiterter Einsatz von Holz und eine höhere Wertschöpfung würden einen Sog für Schweizer Holz erzeugen, hofft Riediker. Gepaart mit Strukturanpassungen für eine effizientere Waldbewirtschaftung könne es gelingen, dass der Rohstoff Holz aus dem Schweizer Wald tatsächlich auch vermehrt bereitgestellt werde.

S-WIN habe die Aufgabe, die Aktivitäten des NFP 66 zu verstetigen, sagte Riediker. Das Netzwerk biete eine Plattform für die Akteure aus Wirtschaft, Forschung und Politik. Nur die Akteure könnten etwas bewegen. Deshalb sind laut Riediker in nächster Zeit noch mehr Akteure aktiv einzubinden.

Damit war der Boden gelegt für die vier Workshops. Diese lehnten sich an die vier Dialogfelder des NFP 66 an: Holzbeschaffung, Holzbau, Holzbasierte Materialien, Bioenergie/Bioraffinerie. S-WIN definierte diese vier Themen auch als die vier zu bearbeitenden Fachgebiete. Roger Schmidt, Vorsteher des Amts für Wald im Kanton Bern, berichtete über den Workshop zum Thema der Holzbeschaffung. Hier seien alle Akteure gefordert; es müsse auch die Rolle der Forstdienste und Verbände angeschaut werden. Primär seien die Waldeigentümer zu befähigen, ihre Verantwortung stärker wahrzunehmen. Wenn alle von neuen Anwendungen sprächen und auch der Holzbau einen Boom erlebe, so müsse man die Waldeigentümer mit der Frage konfrontieren, inwiefern auch sie ihren Beitrag dazu leisteten, sagte Schmidt. Es gehe darum, die Voraussetzungen für eine stärker unternehmerisch ausgerichtete Waldwirtschaft zu schaffen.

Andrea Bernasconi von der Haute École d’Ingénierie et de gestion in Yverdon präsentierte die Ergebnisse zum Holzbau. Ziel sei es, Alternativen zu Stahl- und Betonbau weiter voranzutreiben und bekannt zu machen. Man strebe einen Marktanteil von 30 Prozent an. Holzbauten sollten selbstverständlich werden. Die Branche müsse sich auch damit beschäftigen, wie sie das Thema und die Bauweise den Architekten und den am Bauen interessierten Kreisen näherbringen könne.

Für die Gruppe der holzbasierten Materialien rapportierte Tanja Zimmermann von der EMPA. Mit den neu entwickelten Materialien wolle man vor allem den Holzbau unterstützen. Insbesondere im mehrgeschossigen Holzbau seien neue Lösungen gefragt, etwa für Fassaden. Wichtig sei eine Öffnung des traditionellen Holzsektors, beispielsweise hin zur Chemie. Nach Ansicht der Workshopteilnehmenden könnte Technikum Holzinnovation die Lücke zwischen Forschung und der industriellen Anwendung überbrücken helfen.

Die Forschungsseite sei gut vertreten gewesen, die Vertreter aus der Industrie und damit wichtige Akteure hätten aber gefehlt, berichtete Serge Biollaz aus dem Workshop Bioenergie und Bioraffinerie. Als nächsten Schritt wolle man eine Bedarfsabklärung für ein Netzwerk und Demonstrationsanlagen durchführen.

S-Win-Tagung 2018: Erdbeben und Qualitätssicherung im Holzbau
Bauwerke sind erdbebengerecht zu erstellen, das gilt auch für den Holzbau, Erdbeben können erhebliche Schäden verursachen. Damit kommt bei der Bauplanung dem Aspekt «Robustheit» ein wichtiger Stellenwert zu. Denn mit dem Vordringen in den Bereich des mehrgeschossigen Bauens und in Bezug zu den aktuellen Erdbebenbestimmungen in den SIA-Tagwerksnormen, stellt sich auch für den Holzbau die Frage der Erdbebensicherheit.Am von S-WIN (Swiss Wood Innovation Network) organisierten Anlass vom 16. Mai 2018 an der BFH Architektur Holz und Bau in Biel referierten Fachleute aus dem Institut für Baustatik und Konstruktion der ETH Zürich, der Abteilung für Ingenieur-Strukturen der Empa und aus diversen Instituten der BFH AHB Biel. Dieser Anlass bildete sozusagen den Auftakt zum am nächsten Tag stattfindenden Holzbautag zum Thema «Bauen mit Holz - wirtschaftlich und wettbewerbsfähig».
Der Fachanlass von S-WIN in Biel zum Thema «Erdbeben und Qualitätssicherung» vertiefte erneut ein für den Holzbau und die Planer wie Unternehmer relevantes Thema. Eine umfassende Broschüre von S-WIN dokumentiert auf 90 Seiten die gemachten Aussagen. Die S-WIN Tagung «Von der Forschung zur Praxis» hat sich in den vergangenen Jahren in der Holzwirtschaft etabliert. Neu hat diese Tagung erstmals an der Berner Fachhochschule in Biel im zeitlichen Vorfeld des traditionellen Holzbautags stattgefunden. Künftig wird diese Tagung jährlich im Wechsel an der ETH Zürich und an  der Berner Fachhochschule  in Biel stattfinden. (Charles von Büren)
Weitere Info: Erdebengerechte mehrgeschossigen Holzbauten, Technische Information der Lignum. Autorenkollektiv. 126 Seiten. Juni 2010, Zürich

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